Res gestae divi Augusti - Gesamteindruck sowie Schlüssigkeit des Textes

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Der Text ist darin einheitlich, Augustus als einen hervorragenden, ruhmvollen, erfolgreichen und mustergültig handelnden Politiker darzustellen. Dazu wird eine große Anzahl einzelner Angaben verzeichnet. Grob unterteilt betreffen diese zuerst die Ehrungen/Ämter (das Erhalten politischer Ämter gehörte für Römer auch zu Ehren/Ehrungen [honores]), dann Aufwendungen und schließlich Leistungen/Taten für den Staat. Innerhalb dieser Teile ist die Abfolge nicht durchgängig chronologisch. Sachlich ist die Reihenfolge, in der aufgelistet wird, dabei zwar teilweise als passend plausibel, aber eine strenge Systematik ist nicht gut ersichtlich. Das Hintereinanderstehen ohne überleitende Verbindung oder gar eine Gesamterzählung überwiegt.

Die Angaben zu einzelnen Vorgängen sind knapp. An näherer Erläuterung von Hintergründen und Darlegung von Zusammenhängen mangelt es oft. Augustus scheint nach dem Text ein gewaltiges Privatvermögen zu haben. Woher die Einnahmen dazu kommen, steht nicht da. Augustus nimmt für sich einmütige Zustimmung der Bevölkerung in Anspruch. Dies wirkt etwas sehr glatt und einfach, zumal es zunächst ja offensichtlich innere Gegner gab, gegen die er Kriege führte. Namen fehlen oft. Wer in welcher Lage aus welchen Gründen und mit welchen Zeilen wen unterstützte oder bekämpfte, ist nicht sehr genau nachvollziehbar.

Der Text ist die Selbstdarstellung eines Herrschers für die römische Bevölkerung nach seinem Tod und an die Nachwelt. In Form eines Verzeichnisses seiner Taten (Tatenbericht). Es handelt sich nicht um eine neutrale unparteiische Darstellung. Augustus stellt eigene große Leistungen, Fähigkeiten und vorbildliches Verhalten mit römischen Werten betont heraus.

Wenn die Beschränkung auf diese einzige Quelle wegfällt und Informationen aus der übrigen erhaltenen Überlieferung hinzugezogen werden, wird deutlicher, wo propagandistische Einfärbung vorliegt.

Augustus kann eine eindrucksvolle Erfolgsbilanz vorweisen. Doch auch wenn höchstens in äußerst wenigen Fällen die formulierten Sätze auf eine direkte Weise sachlich schlichtweg falsch sind, ist die Darstellung vielfach einseitig und keineswegs eine getreue Wiedergabe der Wirklichkeit und die ganze Wahrheit. Es ist eine Auswahl getroffen, was vorkommt. Es gibt Weglassungen, Verschleierungen/Beschönigungen und Wahrheitsverdrehungen. Der bedenklichste Teil sind dabei die politischen Anfänge, die Zeit der Bürgerkriege und die Errichtung des Prinzipals (und damit seine politische Stellung überhaupt).

Augustus Res behauptet in seinem Tatenbericht (Res Gestae Divi Augusti 34), in seinem 6. und 7. Consulat (28 und 27 v. Chr.) den Staat aus seiner Amtsgewalt/seinem Machtbereich (potestas) dem Ermessen/der freien Entscheidung (arbitrium) des Senats und des römischen Volkes (also den verfassungsmäßigen Einrichtungen) übertragen zu haben. Er erhielt den Ehrentitel Augustus und andere bedeutende Ehrungen.

Post id tempus auctoritate omnibus praestiti, potestatis autem nihilo amplius habui quam ceteri qui mihi quoque in magistratu conlegae fuerunt.

„Seit dieser Zeit habe ich alle an Autorität übertroffen/überragt, an Amtsgewalt aber besaß ich nicht mehr als die anderen, die auch ich im Amt als Kollegen hatte.“

Insgesamt stellt Augustus die Sache so dar, durch seine herausragenden Verdienste und Leistungen für den Staat zu einer führenden Stellung im Staat gekommen zu sein. Sein Einsatz hat seiner Aussage nach anerkannten Werten gegolten. Augustus behauptet, die res publica gerettet und sie in Freiheit gesetzt zu haben.

Der Begriff der auctoritas (persönliches Ansehen, Autorität, Geltung, Einfluß, gesellschaftlich-politisches Gewicht) kann sich in eine traditionelle Ordnung einfügen. Die Behauptung einer überragenden Autorität ist richtig. Denn Augustus ragte an Autorität heraus und niemand konnte darin mit ihm mithalten.

Formal hatte ein Amtskollege als Konsul/Consul (consul) die gleiche Amtsgewalt. Die Äußerung verschleiert jedoch die tatsächlichen Machtgrundlagen und die Abweichungen von Grundsätzen einer republikanischen Verfassung.

In der Anhäufung der Amtsgewalten war ein Kollege in einem Amt ihm nicht gleich. Augustus hatte außerordentliche Gewalten, bei denen es nicht nach fester Tradition Kollegen gab. In zentralen rechtlichen Befugnissen, einer übergeordneten prokonsularischen Befehlsgewalt (imperium proconsulare maius) und der tribunizischen Gewalt (tribunicia potestas), hatte er höchstens manchmal einen ihm nachgeordneten Mitinhaber, der als sein Nachfolger im Fall seines Todes bestimmt war (sein Freund Marcus Vipsanius Agrippa in einer frühen Zeit, sein Stiefsohn Tiberius in einer späten Zeit).


Albrecht  25.02.2014, 01:22

43 v. Chr. hat Octavian durch Einmarsch mit Soldaten in Rom ein Konsulat für sich erzwungen. Mit Marcus Antonius und Marcus Aemilius Lepidus ging er ein Bündnis ein und bildete ein Triumvirat (tresviri rei publicae constituendae).

Augustus erwähnt ohne Nennung seiner Kollegen das Innehaben dieses Amtes (Res Gestae Divi Augusti 7) und verschweigt, daß er sich mit Marcus Antonius und dessen Anhängern/Unterstützern zusammengetan hat, also der Gruppe, von deren (unrechtmäßiger/gewaltsamer) Alleinherrschaft er angeblich den Staat befreit hat (Res Gestae Divi Augusti 1: rem publicam a dominatione factionis oppressam in libertatem vindicavi).

Octavian/Augustus ist nicht mit dem Herkommen (mos maiorum = Brauch/Sitte der Vorfahren) übereinstimmend an die Macht und damit in den Besitz der Alleinherrschaft gekommen ist. Verletzungen von Rechtsbestimmungen, verfassungswidrige Handlungen, Einsatz militärischer Gewalt, Drohungen und Manipulationen waren daran beteiligt (so z. B. die Aufstellung eines eigenen Heeres als Privatmann, die Erzwingung von Ämtern gegen rechtliche Regeln, die Verfolgung von Gegnern durch Proskriptionen und die Bürgerkriegskämpfe). Aufgrund der Proskriptionsliste, die Gegner der Triumvirn ächteten, wurden etwa 300 Senatoren und 2000 Ritter (equites) getötet. Besonders grausam hat Octavian, wenn eine antike Überlieferung richtig ist, nach der Eroberung der Stadt Perusia gehandelt. Um Gnade Flehenden antworte er, es müsse gestorben werden (Sueton, Divus Augustus 15: moriendum esse). 300 bis 400 Senatoren und Ritter sind nach einigen Darstellungen (Sueton, Divus Augustus; Cassius Dio 48, 14, 3 – 5) am 15. März 40 v. Chr. am Altar des vergöttlichten Gaius Iulius Caesar wie Opfertiere abgeschlachtet worden.

Augustus erwähnt nicht, daß Anfang des Jahres 32 v. Chr. mehr als 300 Senatoren Rom verließen und sich Marcus Antonius anschlossen, darunter die damaligen Konsuln Gnaeus Domitius Ahenobarbus und Gaius Sosius. Nach seinem Sieg im Bürgerkrieg hat er den Bürgerkrieg beendet und seine tatsächliche Alleinherrschaft zumindest mit rechtlichen Grundlagen ausgestattet. Inwieweit um Gnade gebeten wurde, ist nicht immer bekannt. Octavian hat als Sieger Römer begnadigt, die auf der Gegenseite gestanden hatten. Er hat aber nicht alle verschont.

Augustus hat für seine tatsächliche Machtstellung rechtliche Formen bevorzugt, die verhältnismäßig gut eine Fassade aufbauten, die den Schein wahrte (kein schroffes Beiseiteschieben), wenn nicht genau hingesehen wurde (eine eingehendere Auseinandersetzung wie z. B. Tacitus, Annales 1, 2- 3 beurteilt die neue Herrschaft als Alleinherrschaft [dominatio], auch wenn er die Schlüssigkeit der geschichtlichen Entwicklung anerkennt). Augustus hat in Anspruch genommen, der Staat/die Republik sei von ihm wiederhergestellt (res publica restituta).

Nicht erwähnt werden Verbannungen von Personen (darunter seine Tochter Iulia und seine Enkelin Iulia) und Fälle von Hinrichtung oder Selbsttötung auf Druck. Bei der Außenpolitik ins bezweifelbar, daß immer die anderen Völker im Unrecht waren. Auch wenn formal etwas vorbracht wurde, um eine Krieg als gerecht/regelgerecht darzustellen, hat Augustus Angriffs- und Eroberungskriege gegen einige Völker geführt.

Die etwas unklare Aussage über die Befriedigung Germanien (in dem Ausdruck - *pacavi“- steckt auch die Unterwerfung untere eine Ordnung) geht darüber hinweg, daß Publius Quinctilius Varus 9. n. Chr. mit drei Legionen eine schwere Niederlage erlitten hatte.

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Ja klar, willst du jetzt eine komplette Quellenkritik oder was ?! Das kannst mal schön selber machen. Schau dir den historischen Kontext an und urteile selbst.


Thomas1895 
Beitragsersteller
 23.02.2014, 18:50

Ich wollte lediglich eure Meinung und den Eindruck den euch die res gestae vermitteln wissen. Ich habe mir schon ein eigenes Bild gemacht und mich ausführlich mit dem Thema befasst, denke aber, dass es nicht schadet auch mal andere Sichtweisen und Ideen zu hören. Mfg Thomas

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