Räuber-Beite Beziehun?

3 Antworten

So einfach ist es leider nicht. Obwohl Räuber-Beute-Beziehungen schon lange intensiv untersucht werden, sind sie im Detail bis heute noch nicht ganz verstanden. Klar ist, dass das Lotka-Volterra-Modell viel zu einfach ist und zyklische Räuber-Beute-Systeme nicht allein erklären kann.

Die Population der Beutetiere ist z. B. in hohem Maß von der zur Verfügung stehenden Nahrung abhängig. Experimente mit Schneeschuhhasen (Lepus americanus) und Kanadaluchsen (Lynx canadensis) haben gezeigt, dass die Gabe qualitativ hochwertigen Futters die Fortpflanzungsrate der Hasen verdoppelte. Außerdem bestehen Räuber-Beute-Systeme nicht nur aus einem Räuber und einem Beutetier allein. Schneeschuhhasen werden beispielsweise auch von Virginia-Uhus (Bubo virginianus) gejagt, ihre Jungen werden auch Opfer von Nagetieren.

Die Population der Beutetiere wird also sowohl von unten nach oben (bottom up) durch das Nahrungsangebot und die Qualität der Nahrung beeinflusst als auch von oben nach unten (top down) durch die Dichte der Räuber, die man oft auch als numerische Reaktion bezeichnet. Die Population der Räuber wird natürlich maßgeblich durch die Population der Beutetiere kontrolliert, also bottom up. Sie wird aber beispielsweise auch beeinflusst durch die Konkurrenz durch andere Beutegreifer oder durch Parasiten, die sie schwächen.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Biologiestudium, Universität Leipzig

Moin,

bei einer Räuber-Beute-Beziehung gibt es drei Regeln (Lotka-Volterra-Regeln), die du feststellen kannst. Die erste hast du schon recht gut beschrieben.

Lotka-Volterra-Regel 1
Die Populationsgrößen in einer Räuber-Beute-Beziehung schwanken periodisch. Dabei folgen die Minima und Maxima der Räuberpopulation phasenverschoben denen der Beute.

Das bedeutet genau das, was du schon geschrieben hast:

Wenn es viele Beutetiere gibt, finden die Räuber gute Ernährungsmöglichkeiten, so dass sie es sich erlauben können, mehr Nachwuchs zu zeugen (weil sie alle satt werden).
Aber wenn dann die Population der Räuber größer wird, fallen immer mehr Beutetiere den Räubern zum Opfer. Das bedeutet, dass die Populationsgröße der Beute fällt.
Doch nun finden plötzlich die Räuber nicht mehr genügend Nahrung. Darum geht auch ihr Bestand anschließend zurück.
Doch da es dann wieder weniger Räuber gibt, kann sich die Beutepopulation erholen, denn es gibt wenig Fressfeinde. Die Beutepopulation steigt also wieder an.
Und wenn es wieder viele Beutetiere gibt, dann... beginnt der Prozess von vorn.

Du siehst, die Beutepopulation erreicht irgendwann ein Maximum, sinkt dann auf ein Minimum, steigt wieder auf ein Maximum, um erneut auf ein Minimum abzusinken usw.
Etwas zeitversetzt (phasenverschoben!) folgen dabei die Maxima und Minima der Räuberpopulation. Und genau das beschreibt die Lotka-Volterra-Regel 1.

Die Lotka-Volterra-Regel 2 lautet:
Insgesamt pendeln die Maxima und Minima der Populationen um einen (relativ) stabilen Mittelwert. Dabei liegt der Mittelwert der Beutepopulation (im Normallfall) über dem der Räuberpopulation.

Wenn du also stabile Mittelwerte für die Populationen hast, dann ist das Räuber-Beute-System „gesund”.
Bei der biologischen Schädlingsbekämpfung ist es wichtig zu verstehen, dass die Einführung eines Fressfeindes (im Sinne einer Räuber-Beute-Beziehung) deshalb nicht dazu führen kann, dass der Fressfeind den Schädling völlig ausrottet! Er vermag aber durch die Räuber-Beute-Beziehung die Population des Schädlings unter Kontrolle zu halten, so dass die vom Schädling bedrohte Plantage oder das bedrohte Feld wirtschaftlich (und ökologisch hoffentlich unbedenklich) betrieben werden kann.

Lotka-Volterra-Regel 3
Wenn die Beutepopulation und die Räuberpopulation gleichermaßen durch ein äußeres Ereignis dezimiert (geschädigt) wird, dann erholt sich die Beutepopulation deutlich schneller (und wächst zunächst viel stärker und größer als vor der Schädigung) als die Räuberpopulation.
Das führt dazu, dass sich eine gesunde Räuber-Beute-Beziehung (mit stabilen Mittelwerten) erst später erneut einstellen kann (aber nicht muss).

Das liegt daran, dass die gleichmäßige Schädigung von Beute und Räuber die Räuber mehrfach trifft.

  1. Die Individuen der Räuber werden direkt geschädigt (zum Beispiel durch die Verwendung von Tiergiften). Das gilt auch für die Beutetiere.
  2. Die Individuen der Räuber finden anschließend aber zusätzlich noch wenig Beutetiere (weil die ja auch geschädigt wurden - siehe 1.). Das bedeutet, dass die Räuber wenig Nahrung finden und sich deshalb schlecht vermehren können.
  3. Die Individuen der Räuber finden außerdem schlechter Sexualpartner für die Fortpflanzung.

Von den Aspekten 2 und 3 sind vor allem die Räuber betroffen, weil die Population der Beutetiere von Vornherein größer war (siehe Lotka-Volterra-Regel 2). Deshalb trifft eine Dezimierung beider Populationen die Räuber stärker...

Was den Vergleich zwischen einer Räuber-Beute-Beziehung und dem Parasitismus angeht (siehe deine Anfrage im Kommentar auf Fuchssprungs Antwort), so fällt mir spontan dazu folgendes ein:

Gemeinsamkeiten (im Allgemeinen):

  • Beides sind Antibiosen (Beziehungen zwischen Lebewesen, bei denen eine Art auf Kosten einer anderen Art lebt; eine Art hat einen Vorteil, die andere hat einen Nachteil).
  • Beide Formen des Zusammenlebens entwickeln sich aus und unterliegen Koevolutionen (lamarckistisch ausgedrückt: die Art, die den Nachteil hat, versucht sich gegen die profitierende Art zu wehren und entwickelt Abwehrmechanismen. Gelingt das, muss die Art, die profitiert, nachziehen, um die neu entwickelte Abwehrmaßnahme zu umgehen. Das „zwingt” die geschädigte Art, neue Abwehrmaßnahmen hervorzubringen, die dann wieder umgangen werden müssen... Das führt in gewisser Weise zu einem koevolutiven „Wettrüsten”.

Unterschiede (im Allgemeinen):

  • Parasiten befallen Wirte, aber es liegt nicht im Interesse des Parasiten, den Wirt zu töten. - Räuber töten ihre Beute.
  • Deshalb gibt es häufig mehr parasitische Individuen in/an einem Wirt. - Es gibt von den Beutetieren meist mehr als von den Räubern.
  • Parasiten sind kleiner als ihre Wirte. - Räuber sind größer als ihre Beute (oder zahlreicher).
  • Parasiten sind häufig sehr eng an ihre Wirte angepasst. - Räuber haben zwar auch Anpassungen, aber die sind oft wenig auf ein ganz bestimmtes Beutetier beschränkt.
  • Parasiten sind r-Strategen. Räuber können r-Strategen sein, sind häufig(er) aber K-Strategen.

Diese Aufzählung gilt nur ganz allgemein. Es gibt in der Biologie praktisch nichts, was es nicht gibt. Daher gibt es auch beim Parasitismus oder in Räuber-Beute-Beziehungen alle möglichen Abweichungen, Sonderfälle oder Übergänge.

Ein Parasitoid ist beispielsweise eine solche Sonder-Lebensform, die nur anfänglich wie ein Parasit agiert, aber am Ende ihren Wirt sehr wohl tötet (um nur ein Beispiel aufzuzählen).

LG von der Waterkant

Das hast du soweit vollkommen richtig erklärt. Wenn es keine Mäuse gibt, dann haben die Füchse auch nur sehr wenig Nachwuchs. Gibt es hingegen sehr viele Mäuse, dann haben die Füchse auch mehr Nachwuchs. Die Mäuse bestimmen also die Anzahl der Jungfüchse und nicht umgekehrt.

UniverseBeMine 
Fragesteller
 01.06.2023, 16:49

Perfekt, danke :) kannst du mir noch helfen beim Vergleich zwischen Parasitismus und Räuber-Beute-Beziehung?

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