pH-Wert von Kaliumhydrogenphthalat berechnen?
Hallo, ich benötige Hilfe bei folgender Aufgabe:
Kaliumhydrogenphthalat besitzt einen pKs-Wert von 5,1. M(Kaliumhydrogenphosphat)=204,22 g/mol.
a) Sie geben 20g Kaliumhydrogenphthalat(99,5 (m/m)) in 500 ml Wasser. Wie ist der pH-Wert der entstandenen Lösung?
b)Sie geben der unter a) hergestellten Lösung 10ml einer 0,5 M Natronlauge zu. Berechnen Sie dem pH-Wert der Lösung.
Es heißt die ganze Zeit Kaliumhydrogenphthalat und nicht Kaliumhydrogenphosphat.
1 Antwort
Kaliumhydrogenphthalat ist das Monokaliumsalz der Phthalsäure (Benzoldicarbonsäure) ist zweibasig mit den pKₐ-Werten pKₐ₁=2.89 und pKₐ₂=5.51.
Also ist das Hydrogenphthalat-Anion ein Ampholyt und kann sowohl als Säure als auch als Base reagieren:
HPhth¯ + H₂O ⟶ Phth²¯ + H₃O⁺
HPhth¯ + H₂O ⟶ H₂Phth + OH¯
Du hast eine γ=40 g/l Lösung dieses Salzes, die Stoffmengenkonzentration ist c=γ/M=0.196 mol/l. Da hier zwei Säure/Base-Gleichgewichte zugleich vorliegen, gibt es nur Näherungsformeln, aber bereits die allereinfachste für Ampholyte liefert mit pH=½(pKₐ₁+pKₐ₂)=4.20 das richtige Resultat (in dieser Näherung ist der pH unabhängig von der Konzentration, daher haben wir c gar nicht gebraucht).
Jetzt haben wir allerdings das Problem, daß in Deiner Angabe nur pKₐ₂ gegeben ist. Daraus allein kann man den pH-Wert nicht ausrechnen; wenn man so tut, als ob das Hydrogenphthalat nur eine Säure wäre und in die Formel für schwache Säure pH=½(pKₐ−lg(c)) einsetzt, dann bekommt man „pH=3.11“, und das ist ziemlich weit vom richtigen Wert entfernt, also ziemlich falsch.
Auch der zweite Teil der Aufgabenstellung ist problematisch. Deine Lösung enthält n₁=m/M=0.098 mol Kaliumhydrogenphthalat, und Du gibst n₂=cV=0.005 mol starke Base NaOH dazu. Das reagiert unter Neutralisation:
HPhth¯ + OH¯ ⟶ Phth²¯ + H₂O
Also erhältst Du 0.005 mol Phthalat, und es verbleiben 0.098−0.005=0.093 mol Hydrogenphthalat. Du hast also gleichzeitig eine Säure (Hydrogenphthalat) und ihre konjugierte Base (Phthalat) in der Lösung, also ist das so eine Art Puffer. Mit der Henderson–Hasselbalch-Gleichung
pH = pKₐ₂ + lg (Phthalat/Hydrogenphthalat)
erhältst Du einen pH=4.24, und das ist leider wieder ziemlich schlecht, weil wir in dieser Rechnung wieder das Kₐ₁ ignoriert haben; der richtige Wert ist pH=4.44, immerhin liegt man diesmal mit der vereinfachten Rechnung nicht ganz soweit daneben wie beim ersten Teil der Aufgabe.
Den richtigen Wert pH=4.44 habe ich durch numerische Lösung des Massenwirkungsgesetzes erhalten. Ich kenne keine Näherungsformel, die sich für diesen Fall eignet.
Als Bonus rechne ich jetzt den pH-Wert als Funktion der Basenzugabe aus, als eine Art Titrationskurve. Tröpfeln also NaOH zur 500 ml Deiner Hydrogenphthalat-Lösung zu; bei V=0 haben wir die reine Lösung (Aufgabe a) und bei V=10 ml haben wir Aufgabe b. Für jede Basenzugabe V berechne ich den pH-Wert (schwarze Kurve) und die Mengen an Phthalsäure (rot), Hydrogenphthalat (violett) und Phthalat (blau) im Gleichgewicht (die weiße Kure ist die erste Ableitung des pH-Wertes).
Du sieht vermutlich sofort das Problem: Durch das Hydrolysegleichgewicht (zweite Gleichung ganz oben) entsteht aus dem Hydrogenphthalat eine kleine aber merkliche Menge Phthalsäure (rote Hintergrundfarbe im linken oberen Eck), und das verkompliziert die Rechnung. Würde dieses Gleichgewicht nicht existieren, dann wäre die Rechnung einfacher (man braucht nur pKₐ₂), und der pH würde der grau und dünn eingezeichneten Kurve folgen; das ist vermutlich die Rechnung, die Dein Leerer von Dir erwartet. Das funktioniert aber nur bei V>20 ml, und blöderweise sind genau die Rechnungen für V=0 und V=10 gefragt, die ohne Mehraufwand nicht das richtige Resultat liefern.
Jetzt ist natürlich die Frage, was Du tun sollst:
- Wenn Du ein eier- und charakterloser Duckmäuser bist, dann präsentierst Du Deinem Leerer die falschen, von ihm erwarteten Resultate (ich hab Dir ja gezeigt, was man alles falsch machen muß, um sie zu bekommen), also 3.11 und 4.24. Das bringt Dir vielleicht einen Pluspunkt für systemkonforme Unterwürfigkeit ein, aber dafür mußt Du Dich auch bis in alle Ewigkeit für Deine Feigheit schämen.
- Wenn Du Dich aber als Besserwisser profilieren und überdies das Richtige tun willst, dann erklärst Du Deinem Leerer, was er falsch gemacht hat, wie man es besser macht, was herauskommt, wenn man es besser macht und warum es besser ist, wenn man es besser macht (pH=4.20 und 4.44).
- Ich hoffe, daß ich mich nicht verrechnet habe, aber ich gebe zu, daß ich der Sache nicht sonderlich viel Aufmerksamkeit gewidmet habe.
Ach jaa, nch eine Warnung: Die pKₐ-Werte 2.89, und 5.51 stammen von der englischen Wikipedia. Die deutsche gibt leicht andere an, nämlich 2.95 und 5.41. Das wirkt sich natürlich ein bißchen auf die berechneten pH-Werte aus.
Naja, ich habe daran daran auch ein bißchen gegrübelt, aber letztlich habe ich es ignoriert. pH-Werte sind nicht sonderlich stark von der Konzentration abhängig, ein Faktor 0.995 kann sa gut ignoriert werden (er wirkt sich höchstens auf die Tausenstelstelle des pH-Wertes aus, und so genau mißt keiner).
Andererseits gilt dieses Argument natürlich nur, wenn die verbleibenden 0.5% selbst keinen Einfluß auf den pH-Wert haben. Wenn das halbe Prozent Dreck z.B. aus KHSO₄ bestünde (das ist in diesem Zusammenhang fast wie eine starke Säure zu behandeln, dann wären das immerhin 0.2 g/l, oder 0.0015 mol/l, und das würde den H auf 2.9 absenken. Zugegeben, das ist so ziemlich der schlimmste denkbare Fall.
Also zusammengefaßt: Wenn die Verunreinigung gutmütig ist, also wie z.B. KCl den pH selbst nicht beeinflußt, dann ist die Näherung 99.5% ≈ 100% völlig unproblematisch. Wenn die Verunreinigung selbst auf den pH einwirkt, dann müßte man sich das gegebenenfalls ansehen, aber es steht ja nicht da, woraus der Dreck besteht, also müssen wir ihn zwangsläufig ignorieren.
Nebenbei gesagt: Kaliumhydrogenphthalat läßt sich leicht in sehr guter Reinheit herstellen.
Muss man nicht beachten, dass es sich um eine 99,5% Substanz handelt?