pH-Wert von Kaliumhydrogenphthalat berechnen?


03.08.2023, 11:58

Es heißt die ganze Zeit Kaliumhydrogenphthalat und nicht Kaliumhydrogenphosphat.

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Kaliumhydrogenphthalat ist das Monokaliumsalz der Phthalsäure (Benzol­di­carbon­säure) ist zweibasig mit den pKₐ-Werten pKₐ₁=2.89 und pKₐ₂=5.51.

Also ist das Hydrogenphthalat-Anion ein Ampholyt und kann sowohl als Säure als auch als Base reagieren:

HPhth¯ + H₂O ⟶ Phth²¯ + H₃O⁺
HPhth¯ + H₂O ⟶ H₂Phth + OH¯

Du hast eine γ=40 g/l Lösung dieses Salzes, die Stoffmengenkonzentration ist c=γ/M​=​0.196 mol/l. Da hier zwei Säure/Base-Gleichgewichte zugleich vorliegen, gibt es nur Näherungsformeln, aber bereits die allereinfachste für Ampholyte liefert mit pH=​½(pKₐ₁+pKₐ₂)=​4.20 das richtige Resultat (in dieser Näherung ist der pH unabhängig von der Konzentration, daher haben wir c gar nicht gebraucht).

Jetzt haben wir allerdings das Problem, daß in Deiner Angabe nur pKₐ₂ gegeben ist. Daraus allein kann man den pH-Wert nicht ausrechnen; wenn man so tut, als ob das Hydrogen­phthalat nur eine Säure wäre und in die Formel für schwache Säure pH=​½(pKₐ−lg(c)) einsetzt, dann bekommt man „pH=3.11“, und das ist ziemlich weit vom richtigen Wert entfernt, also ziemlich falsch.

Auch der zweite Teil der Aufgabenstellung ist problematisch. Deine Lösung enthält n₁=m/M=0.098 mol Kaliumhydrogenphthalat, und Du gibst n₂=cV=0.005 mol starke Base NaOH dazu. Das reagiert unter Neutralisation:

HPhth¯ + OH¯ ⟶ Phth²¯ + H₂O

Also erhältst Du 0.005 mol Phthalat, und es verbleiben 0.098−0.005=0.093 mol Hy­dro­genphthalat. Du hast also gleichzeitig eine Säure (Hydrogenphthalat) und ihre kon­jugierte Base (Phthalat) in der Lösung, also ist das so eine Art Puffer. Mit der Hen­der­son–​Hassel­balch-Glei­chung
pH = pKₐ₂ + lg (Phthalat/Hydrogenphthalat)
erhältst Du einen pH=4.24, und das ist leider wieder ziemlich schlecht, weil wir in die­ser Rechnung wieder das Kₐ₁ ignoriert haben; der richtige Wert ist pH=​4.44, immer­hin liegt man diesmal mit der vereinfachten Rech­nung nicht ganz soweit daneben wie beim ersten Teil der Aufgabe.

Den richtigen Wert pH=4.44 habe ich durch numerische Lösung des Massenwirkungs­gesetzes erhalten. Ich kenne keine Näherungsformel, die sich für diesen Fall eignet.

Als Bonus rechne ich jetzt den pH-Wert als Funktion der Basenzugabe aus, als eine Art Titrationskurve. Tröpfeln also NaOH zur 500 ml Deiner Hydrogenphthalat-Lösung zu; bei V=0 haben wir die reine Lösung (Aufgabe a) und bei V=10 ml haben wir Auf­gabe b. Für jede Basenzugabe V berechne ich den pH-Wert (schwarze Kurve) und die Men­gen an Phthalsäure (rot), Hydrogenphthalat (violett) und Phthalat (blau) im Gleich­­gewicht (die weiße Kure ist die erste Ableitung des pH-Wertes).

Bild zum Beitrag

Du sieht vermutlich sofort das Problem: Durch das Hydrolysegleichgewicht (zweite Gleichung ganz oben) entsteht aus dem Hydrogenphthalat eine kleine aber merkliche Menge Phthalsäure (rote Hinter­grundfarbe im linken oberen Eck), und das ver­kom­pli­ziert die Rechnung. Würde die­ses Gleichgewicht nicht existieren, dann wäre die Rech­nung einfacher (man braucht nur pKₐ₂), und der pH würde der grau und dünn ein­ge­zeich­neten Kurve folgen; das ist vermutlich die Rechnung, die Dein Leerer von Dir er­wartet. Das funktioniert aber nur bei V>20 ml, und blöderweise sind genau die Rech­nungen für V=0 und V=10 gefragt, die ohne Mehraufwand nicht das richtige Resultat liefern.

Jetzt ist natürlich die Frage, was Du tun sollst:

  1. Wenn Du ein eier- und charakterloser Duckmäuser bist, dann präsentierst Du Dei­nem Leerer die falschen, von ihm erwarteten Resultate (ich hab Dir ja gezeigt, was man alles falsch machen muß, um sie zu bekommen), also 3.11 und 4.24. Das bringt Dir vielleicht einen Pluspunkt für systemkonforme Unterwürfigkeit ein, aber dafür mußt Du Dich auch bis in alle Ewigkeit für Deine Feigheit schämen.
  2. Wenn Du Dich aber als Besserwisser profilieren und überdies das Richtige tun willst, dann erklärst Du Deinem Leerer, was er falsch gemacht hat, wie man es bes­ser macht, was herauskommt, wenn man es besser macht und warum es besser ist, wenn man es besser macht (pH=4.20 und 4.44).
  3. Ich hoffe, daß ich mich nicht verrechnet habe, aber ich gebe zu, daß ich der Sache nicht sonderlich viel Aufmerksamkeit gewidmet habe.
 - (Reaktionsgleichung, Säure, Base)

indiachinacook  03.08.2023, 14:01

Ach jaa, nch eine Warnung: Die pKₐ-Werte 2.89, und 5.51 stammen von der englischen Wikipedia. Die deutsche gibt leicht andere an, nämlich 2.95 und 5.41. Das wirkt sich natürlich ein bißchen auf die berechneten pH-Werte aus.

Christy390 
Beitragsersteller
 03.08.2023, 13:40

Muss man nicht beachten, dass es sich um eine 99,5% Substanz handelt?

indiachinacook  03.08.2023, 13:54
@Christy390

Naja, ich habe daran daran auch ein bißchen gegrübelt, aber letztlich habe ich es ignoriert. pH-Werte sind nicht sonderlich stark von der Konzentration abhängig, ein Fak­tor 0.995 kann sa gut ignoriert werden (er wirkt sich höchstens auf die Tau­senstel­stelle des pH-​Wer­tes aus, und so genau mißt keiner).

Andererseits gilt dieses Argument natürlich nur, wenn die verbleibenden 0.5% selbst keinen Einfluß auf den pH-Wert haben. Wenn das halbe Prozent Dreck z.B. aus KHSO₄ bestünde (das ist in diesem Zusammenhang fast wie eine starke Säure zu behandeln, dann wären das immerhin 0.2 g/l, oder 0.0015 mol/l, und das würde den H auf 2.9 absenken. Zu­ge­ge­ben, das ist so ziemlich der schlimmste denkbare Fall.

Also zusammengefaßt: Wenn die Verunreinigung gutmütig ist, also wie z.B. KCl den pH selbst nicht beeinflußt, dann ist die Näherung 99.5% ≈ 100% völlig un­pro­ble­ma­tisch. Wenn die Ver­un­rei­ni­gung selbst auf den pH einwirkt, dann müßte man sich das ge­ge­be­nen­falls an­se­hen, aber es steht ja nicht da, woraus der Dreck besteht, also müssen wir ihn zwangs­läufig ignorieren.

Nebenbei gesagt: Kaliumhydrogenphthalat läßt sich leicht in sehr guter Reinheit herstellen.