Muss ich mich nur daran gewöhnen oder ist das ein tatsächlicher Grund?
Hola, ich bin seit zwei Wochen in Spanien für mein "Auslandsjahr" (bin hier für 4½ Monate). Also mein größtes Problem ist eigentlich, dass ich mich mehr wie in einer Wohngemeinschaft fühle, als wie in einer spanischen Familie. Denke aber auch, dass ich vielleicht zu viel erwartet habe. Frühstück und Abendbrot machen wir (ich und meine ungarische Gastschwester) uns alleine, extra Sachen, wie z.B. Mehl zum Backen, müssen wir selber bezahlen. Mittag essen wir, innerhalb der Woche, auch nicht zusammen. Mein Zimmer teile ich mir mit meiner ungarischen Gastschwester (leider hab ich deswegen auch keinen Rückzugsort, aber das ist auch okay). Bisher haben wir auch noch nichts mit der Gastfamilie unternommen und sie haben uns auch nichts gezeigt. In der Stadt kann man generell nicht viel machen, was heißt, dass wir mit den öffentlichen Verkehrsmitteln in die nächstgrößeren Städte fahren würden, aber uns erklärt auch niemand, wie welcher Zug fährt. Trotzdem ist das ja nicht so schlimm, weil man das auch irgendwie im Internet rausbekommt. Generell sind sie nicht sehr aktiv, weswegen ich nicht viel zu tun habe (leider gibt es in der Schule auch keine AGs), aber das ist in der Gegend eher normal, denke ich. Oft sind sie auch einfach auf dem Sofa am Handy oder so. Vielleicht habt ihr ja Vorschläge, was man zusammen mit ihnen machen könnte, da mir nichts (außer ein Spaziergang) eingefallen ist. Beziehungsweise wie ich mich aktiver einbringen könnte, da es vielleicht auch an mir liegt Ideen zu finden. Vielleicht liegt es auch daran, dass ich dachte, dass Spanier viel mit ihrer Familie machen? (generell gesagt)
Saludos
2 Antworten
Spanier sind normalerweise Familienmenschen. Das beinhaltet aber nicht unbedingt, dass dazu jetzt auch noch Gäste gehören. Das mal als groben Abriss.
Gastfamilien sind auch nicht immer Familien. Manchmal sind es Alleinerziehende, manchmal sogar nur Omis. Die Familien, soweit zutreffend, haben natürlich auch ihr Leben, ihren Alltag. Jetzt ist gerade die Schule losgegangen. Es gibt Hausaufgaben auf, die Schüler treffen ihre Freunde wieder, die sie teilweise den ganzen Sommer über nicht gesehen haben, es gibt neues zu erzählen (auch per Chat), denn meist kommen auch einige neue Klassenkameraden hinzu. Verabredungen müssen getroffen werden, Tratsch usw.
Die Eltern - wenn sie arbeiten - haben auch ihren Alltag. Feierabend kann da ggf. erst um 22:00 Uhr sein und die Essenszeiten sind in Spanien anders. Ggf. habt ihr andere und deshalb esst ihr nicht zusammen, weil sich zuvor Gastschüler beschwert haben, wenn das Mittagessen z. B. erst um 16:00 Uhr fertig war, da die Kinder erst um 15:30 aus der Schule heimkamen oder das Abendessen ab 22:00 Uhr aufwärts.
Dazu kommt, dass Familie in Spanien eben nicht nur die Kernfamilie ist, sondern auch sämtliche Onkels, Tanten, Cousins, die Eltern, Schwiegereltern etc., wo man im Schnitt auf einen erweiterten Personenkreis von mehreren Dutzend Personen kommt, mit denen sie sich treffen und austauschen.
Wie gesagt: die haben ihren Alltag, ihre Verpflichtungen.
Aber: Wenn du dich dort nicht wohlfühlst, solltest du auf jeden Fall dort, wo du gebucht hast oder bei der Sprachschule oder sonstiger Einrichtung, die für dich zuständig ist, vorstellig werden. Normalerweise sind die Gastschüler in Spanien mehr als zufrieden. Aber die Familien wie auch die Schüler sind eben so unterschiedlich, wie man sich das nur vorstellen kann.
Hinzu kommt, dass du eben weg vom Geschehen lebst. In einer Großstadt wäre das natürlich einfacher. Aber normalerweise gibt es die Familie die genau du suchst schon. Du musst das nur genau spezifizieren und sagen, dass du dich dort langweilst und es kein Miteinander ist. Allerdings ist das auch oft aufgrund der unterschiedlichen Frei- und Tageszeiten schwierig.
Sind die Kinder in deinem Alter? Ob du einen Rückzugsort hast, hängt natürlich stark damit zusammen, ob du ein Einzel- oder Doppelzimmer gebucht hast. Vielleicht solltest du auch ein Upgrade auf Einzelzimmer ins Auge fassen und bei der Gelegenheit dich mal über sonstige Gastfamilien, die in Frage kämen informieren.
Sind es nun Spanier oder Paraguayer? Normalerweise sollte schon ein Schreibtisch im Zimmer sein. Bei anerkannten Sprachschulunterkünften ist das z. B. Pflicht.
Aber die Sache ist ja die: du fühlst dich nicht wohl. Versuche das zu ändern, indem du mit der Organisation redest und fragst, ob du nicht die Gastfamilie wechseln könntest, weil du dir etwas völlig anderes vorgestellt hättest (was es ja auch gibt).
Das ist leider ein nicht ganz unbekanntes Phänomen. Es gibt (übrigens keineswegs nur in Spanien) Gastfamilien, die die Aufnahme von Gastschülern wie Sport betreiben. Das hat im schlimmsten Fall leider wirtschaftliche Gründe, wenn die Familien für die Aufnahme nämlich Geld bekommen, und versuchen, möglichst viel Profit daraus zu schlagen. Aus diesem Grund war es mir bei meinem Austauschjahr auch wichtig, dass die Gastfamilie kein Geld oder maximal eine Kostenbeteiligung bekommt, und mich idealerweise aus interkultureller Neugier aufnimmt. Auch wollte ich, dass die Gastfamilie nicht einfach nur den Arm zu heben und „hier!“ zu sagen brauchte, sondern auch gewissermaßen eine „Hürde“ (in Form eines Auswahl- und Vorbereitungsprozesses) überwinden musste, genau wie ich halt auch. Damit beide Seiten sozusagen „im selben Boot sitzen“ und es nicht nur aus so einer spontanen Idee heraus machen.
Andererseits muss man aber auch sagen, dass du den Austausch ja auch wie Sport betreibst. Selbst ein Jahr ist kurz, und gerade mal 4 1/2 Monate sind nichts. Klar ist die psychologische Hürde, sich auf jemanden wirklich einzulassen, höher wenn man weiß, dass derjenige eh in Kürze wieder weg sein wird. Ich meine, selbst wenn deine Gastfamilie Austauschschüler aufnimmt, um grundsätzlich ein bisschen Gesellschaft im Haus zu haben, dann haben die bei 4 Monate Aufenthaltszeit und 2 Leuten gleichzeitig 6 Gäste pro Jahr. Wenn sie das beispielsweise seit 5 Jahren machen, bist du jetzt Austauschschülerin Nr. 30…. Dass da irgendwann so ein bisschen der „Besonderheitsfaktor“ weg ist und es übergeht in „Hallo, willkommen…. ja, Hobbies…. ja, aha…. ja, whatever….. uuund schon wieder tschüß… wie hieß sie jetzt eigentlich nochmal? Vergessen… uuund die Nächste! Hallo, willkommen!“
Letztendlich hat man niemals ganz die Kontrolle darüber, wie der Aufenthalt in einer Gastfamilie sein wird, aber indem man wie gesagt darauf achtet, dass wirtschaftliche Motivation ausgeschlossen ist und indem man dem Vorhaben ausreichend Zeit gibt, kann man die Wahrscheinlichkeit verringern, dass es so wird wie bei dir jetzt.
Als Vorschlag, was du in dieser Situation jetzt tun könntest, würde ich sagen, erstmal überhaupt das Gespräch suchen. Idealerweise könntest du „ich dachte, dass Spanier viel mit ihrer Familie machen?“ auch mit ihnen direkt ausdiskutieren? (Ohne dabei vorwurfsvoll zu klingen.) Wie lange wohnen die schon dort, haben sie vielleicht mal in einer größeren Stadt gewohnt, warum sind sie dorthin gezogen, was sind typische Freizeitbeschäftigungen für spanische Jugendliche dort? Das wäre doch schon einmal wenigstens ein Gespräch, das dir Hinweise geben kann, was überhaupt realistisch zu erwarten ist von einem Aufenthalt in diesem Ort.
Erst einmal vielen Dank, für die ausführliche Antwort. Nur zu der Anzahl deren Austauschschüler: also sie haben pro Jahr immer drei, zwei für ein halbes Jahr und einer für ein ganzes. Dieses ist das zweite Jahr. Auch wenn es sich vielleicht nicht so anfühlt, kommt es mir persönlich doch relativ lange vor, aber das ist jetzt ja auch nicht relevant. Ich habe indirekt mit meiner Gastmutter gestern darüber gesprochen, bzw. sie hat davon erzählt, dass eine Schülerin aus Brasilien sehr traurig war, da sie nicht jedes Wochenende feiern gegangen ist (ich glaube das ist in Brasilien normal?). Und daraufhin meinte sie, dass die Leute hier schon gern feiern gehen, aber nun nicht jedes Wochenende. Die typische Freizeitbeschäftigungen sind soweit ich nun weiß (wir haben das quasi in unserer Klasse abgefragt): 1. Mit Freunden treffen 2. Schlafen 😂 und 3. Fußball spielen (bisschen doof, das Fußball so gar nicht mein Sport ist). An unserer Schule gibt es absolut gar keine AGs oder Ähnliches. Ich bin im Moment dabei mir einen Platz zum Hockey spielen zu besorgen, was ich auch schon lange in Deutschland spiele. Man kann hier außer Fußball auch noch surfen, aber da bin ich noch am Überlegen, aufgrund des Preises. In der Schule habe ich eigentlich vor zu erwähnen, dass ich gerne so etwas wie ein Picknick am Strand machen würde oder zumindest mich verabreden. Ich werde einfach dranbleiben und Aktivitäten iniziieren, sodass ich meine Klassenkameraden auch besser kennen lernen kann. Vielleicht ist es auch nur der Neid, weil eine Bekannte von mir direkt da Anschluss gefunden hat, immer lange mit ihrer Familie ist, etc 😅. Ich verstehe trotzdem, dass jede Familie anders ist und man keine besonderen Erwartungen haben sollte.
LG Lilly
Eine Nachfrage: Wie genau schaffe ich es denn nachzufragen warum meine Gastfamilie nichts mit uns macht ohne vorwurfsvoll zu klingen?...
Das ist eine Frage des Timings und des Tonfalls. Wenn du auf sie zugehst mit der Eröfdnungsfrage „Warum macht ihr nie was mit mir?“, dann ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass es vorwurfsvoll klingt. Wenn du es aber in ein Gespräch einfädelst, in dem du „nebenbei“ fragen kannst, ob sie eigentlich mit ihren eigenen Kinder zum Beispiel mal Ausflüge machen, dann könntest du Stück für Stück herausfinden, ob sie zum Beispiel nie auf die Idee gekommen, oder ob es eine Kostenfrage ist, oder ob ihre Kinder nie Lust hatten und sie deshalb denken, dass du sowieso auch nicht wollen wirst, oder ob alle Orte in der Nähe für sie langweilig sind, für dich aber total interessant wären, oder oder oder….
Vielen Dank für die Antwort erstmal. Für etwas mehr Information noch: ich lebe mit meiner Gastmutter, meinem Gastvater und deren 21-Jährigem Sohn. Die Mutter kommt meißt kurz nach uns nach Hause, also so circa 15:00Uhr. Der Vater kommt eher später. Andere Familienmitglieder habe ich bisher noch nicht kennengelernt, aber ich weiß, dass die Familie meiner Gastmutter in Paraguay lebt, und mein Gastvater Familie in der Nähe von Madrid hat. Abendbrot würde ich schon gerne mit ihnen zusammen essen, aber ich will auch nicht um 22:00Uhr essen, um 23:00hr ins Bett gehen, um dann um 6:50Uhr aufzustehen...Außerdem teile ich mir mit meiner ungarischen Gastschwester ein Zimmer, dabei stört mich aber eigentlich nur, dass wir keinen Schreibtisch haben und auch nicht ganz so viel Platz, aber daran kann man sich gewöhnen. Zimmer konnte ich, wenn ich mich nicht vertue, vorher aber nicht buchen. Ich dachte aber, dass man als Gastschüler eigentlich auch zur Familie gehört? Ich glaube halt, dass meine Gastfamilie generell nicht sehr aktiv ist, da es ja nicht so ist, als ob ich sie nie sehen würde, weil sie so viel unterwegs sind.