Meine Religion zerstört mein Leben?

36 Antworten

Vom Beitragsersteller als hilfreich ausgezeichnet

Grüß Dich LaLatifah!

Das ist wirklich übel und ich habe großes Mitgefühl und es macht mich ehrlich sehr traurig! Es ist nicht Deine Religion, sondern die Deiner Eltern, die Dich unterdrückt. Und deine Eltern können sich nicht von der Tradition befreien. Du glaubst ja was anderes.

Es gibt meines Erachtens nur eine Möglichkeit. Ich sehe zur Zeit nichts anderes. Du musst zum Jugendamt gehen und Deine Sorgen ausbreiten. Und Du musst völlig klar machen, das Du große Angst vor deinen Eltern hast und vielleicht sogar um Deine Freiheit und Dich vor Gewalt fürchtest. Selbst wenn es nicht stimmen sollte, aber Du hast das Gefühl und das ist entscheidend. Ich hoffe, das Du irgendwann eine zeitliche Lücke findest, um da hinzugehen. Melde Dich nicht an, sondern gehe spontan hin. Du findest das Jugendamt meist im Rathaus und wenn nicht, dann wird man Dich dort weiterleiten. Ich hoffe sehr für Dich, dass Du Hilfe bekommst. Du machst einen sehr verängstigten Eindruck und den musst Du dann auch im Jugendamt zeigen. Mache es bald, denn noch bist Du minderjährig und das Amt kann dann noch zuständig sein. Ansonsten musst Du warten und mit Volljährigkeit ausziehen, wenn das überhaupt geht. Aber dann könnte ein Frauenhaus helfen. Das gibt ers bestimmt auch in der Stadt. Wo wohnst Du?

Das hat nichts mit Deutschland zu tun, sondern mit den Glaubensinhalten und dem religiösen und dem traditionellen Verhalten Deiner Eltern. Und was so hinter den Türen in den Familien geschieht, da hat der Staat nur dann Einblick, wenn die Tür irgendwie aufgeht. Und du bist es, der sie aufmachen muss. Und Du solltest auch mit Deiner Lehrerin oder mit dem Lehrer sprechen, wenn Du noch zur Schule gehst. Vielleicht hat sie bzw. er auch eine Idee. Vielleicht sollte auch das Amt und die Schule in Kontakt zueinander treten. Vielleicht gibt es beim Jugendamt auch eine Sozialarbeiterin?

Sei gewiss, ich fühle sehr mit Dir und wünsche Dir die Freiheit, die Du dir wünschst.

In großer Anteilnahme

Rüdiger



xYuix  07.02.2016, 20:02

Es ist also nicht die Religion, sondern die Tradition? Ist es also Tradition in den arabischen Ländern ihre Kinder zuschlagen?

0
vonGizycki  07.02.2016, 20:26
@xYuix

Die Tradition weicht oft von den religiösen Vorschriften ab. Tradition wird oft durch Religion begründet, obwohl  in den heiligen Texten keine Bestätigung dafür zu finden ist. Da hat eine Verselbständigung stattgefunden.

Der Verstoß dagegen wird daher als Verlotterung der Sitten angesehen. Wer dann der Vernunft das Wort redet und somit widerspenstig wird, wird als Abtrünniger und Ehrloser gebrandtmarkt. Darunter haben in in erter Linie die Frauen zu leiden, denn sie sind die Schwächsten. Aber auch Männer sind gefeit.

Um die Ehre wieder herzustellen, versucht man auf die "ehrlose" Person einzuwirken, um einen Gesinnungswandel herbeizuführen. Bleibt diese Person bei ihrer Einstellung, weil die religiösen Vorschriften und die Tradition  wider der Vernunft, der Freiheit und der Menschlichkeit erlebt wird, muss bestraft werden, um die Ehre der Familie wieder herzustellen. 

In milderen Fällen bedeutet das schlagen oder einsperren oder Entzug von Liebe und Zuwendung. In einigen Fällen, zumindest hier in Deutschland töteten die Söhne sogar die eigene Schwester oder der Vater tat es bzw. duldete es oder schlagen Ehemänner ihre Frauen aus dem selben Grunde. Männer die sich "strafbar" in diesem sinne machten, wurden geköpft oder landen in unmenschlicher und manchmal auch langer Gefangenschaft oder ausgepeitscht.

Das ist hier natürlich ganz klar strafbar. Aber in arabischen oder in stark muslimischen Länden wird sowas toleriert. Das liegt daran, das die Strafe für den, der das das anprangert ähnlich drastisch vollzogen wird, denn es wäre eine Haltung gegen die Scharia und damit ein Verstoß gegen Allah! Und die Angst davor lässt die Menschen schweigen.

2
vonGizycki  07.02.2016, 20:33
@vonGizycki

Schreibkorrektur:

Darunter haben in in erster Linie die Frauen zu leiden, denn sie sind die Schwächsten. Aber auch Männer sind nicht davor gefeit.

... manchmal auch langer Gefangenschaft oder werden ausgepeitscht.

1
vonGizycki  07.02.2016, 20:44
@vonGizycki

Zusatz: 

Und dann natürlich auch eine Opposition zu den Machthabern, die ihre Macht mit der Religion begründen, obwohl sie sich selbst oft Privilegien einräumen und sie pflegen und anderen nicht einräumen. Das wird als Gefahr des Machtverlustes interpretiert.

0
vonGizycki  30.01.2016, 21:31

Grüß Dich LaLatifah!

Ich wollte mich noch einmal melden. Ich habe da noch eine prima Idee! Schau mal hier nach.

http://www.papatya.org/

Diese Einrichtung ist zwar in Berlin, aber ich bin sicher, dass Du dort Hilfe bekommst.

Kurzer Ausschnitt:

Wir sind eine Kriseneinrichtung, die Schutz und Hilfe bietet für die Mädchen und jungen Frauen, die von zu Hause flüchten wollen und die Angst haben, dass ihre Familien sie verfolgen und/oder bedrohen.
0
LaLatifah 
Beitragsersteller
 08.01.2016, 22:52

Hallo. Danke schön für diese Antwort, habe sie mir aufs Handy gespeichert, vielleicht hilft das mir :) Liebe Grüße zurück.

1

Ich finde es bewundernswert, wie du zu deinen Überzeugungen stehst. Respekt, ich ziehe wirklich meinen Hut vor dir :) es ist dein gutes Recht, so zu leben, wie du es für richtig hältst. Wie alt bist du denn? Unter umständen könntest du darüber nachdenken, erst mal auszuziehen, oft kann etwas räumlicher abstand schon helfen, dass sich die Wogen glätten. Sie werden schnell merken, dass sie dich vermissen und noch mal über ihre mangelnde Toleranz nachdenken :) falls du noch kein Geld für eine eigene Wohnung hast, gibt es auch Frauenhäuser wo du unterkommen könntest. Dort lernst du vielleicht auch andere Frauen/Mädchen kennen, die in einer ähnlichen Situation sind und dich verstehen.
Das Jugendamt kann dir sicher auch helfen - deine Familie hat nicht das Recht, Gewalt dir gegenüber anzuwenden. Dort kann man dich auch beraten, was du weiterhin tun kannst.
Ich wünsche dir alles Liebe, bleib stark, du schaffst das :)


LaLatifah 
Beitragsersteller
 08.01.2016, 22:50

Danke schön für deine Antwort. Ich werde mich weiter informieren ob dieser räumliche Abstand möglich ist. :)

1
SandieEly  08.01.2016, 22:25

Habe überlesen, dass du 17 bist - da darfst du ja schon alleine wohnen. Ich würde aber wirklich das Jugendamt um Rat fragen, die werden genau wissen, was zu tun ist. :)

2

Wende dich ans Jugendamt, wenn du unter achtzehn bist. Die können dich kurzfristig aus der Familie holen. Dir ist wahrscheinlich klar, dass das ein Bruch für lange Zeit (oder sogar für immer) zwischen dir und deinen Eltern sein wird, wenn du die Familie verlässt. Leider kann ich dir trotzdem keinen anderen Rat geben. Gegen Engstirnigkeit ist leider schwer anzukommen.


vonGizycki  08.01.2016, 22:32

Ja, dieser Bruch kann geschehen und Du musst entscheiden LaLatifah, ob Du diesen willst.

Vielleicht hilft es weiter:

Möge das Leben mir die Kraft geben,

Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann,

Den Mut, Dinge zu ändern, wenn ich es kann

Und die Weisheit, das Eine vom Anderen zu unterscheiden.

***

Die Freiheit des Menschen liegt nicht darin, dass er tun kann, was er will, sondern, dass er nicht tun muss, was er nicht will.

Jean-Jacques Rousseau

6

Du solltest dir professionelle Hilfe holen. Es gibt in jeder Stadt oder Gemeinde Beratungsstellen, die genau für solche Fälle da sind. Das können Beratungsstellen von Jugendhilfeträgern sein, oder auch vom Jugendamt. Die Beratungen dort sind kostenfrei.

Aber alleine ohne Hilfe wirst es vermutlich schwer haben, zu einer Lösung zu kommen

Zu allererst: Bitte versuche Deine Eltern zu verstehen; sie sind gefangen in alten Traditionen, sie haben Angst vor dem Neuen, sie haben Angst vor der Ächtung durch ihre Glaubensbrüder, sie glauben ohnehin, dass es richtig ist, wie sie denken. Und sie wollen Dein Bestes.

Bitte nicht falsch verstehen; ich finde das Verhalten insbesondere Deines Vaters absolut inakzeptabel. Ich wollte lediglich aufzeigen, dass es keine Boshaftigkeit ist, die ihn so handeln lässt.

Darüber hinaus musst Du Dir - leider - ernsthaft Gedanken machen, ob Du zu Hause überhaupt noch sicher bist. Junge muslimische Mädchen, die durch einen sog. Ehrenmord von uns gegangen sind, haben wahrscheinlich zumeist nicht geglaubt, dass ihre Eltern/Geschwister so weit gehen würden. Davon ab gibt es ja auch noch die Möglichkeit der Zwangsheirat in der alten Heimat. Insofern: Sei gewarnt!

Ich kann mir vorstellen, dass es unendlich schwer scheint, sich von der Familie zu lösen. Wenn Du jedoch ein freies Leben leben willst, dürfte dieser Schritt der einzig zielführende sein. (Für mich als Mann war dieser Schritt sicherlich erheblich leichter, und ich habe wieder Kontakt zu meinen Eltern. Mein Vater ist inzwischen ein wenig liberaler und hat akzeptiert, dass ich eine Christin geheiratet habe, die nicht konvertiert ist. Dass unsere Kinder keine Muslime sind, ist für ihn aber immer noch schlimm.)

Wahrscheinlich bleibt Dir nur der Weg zum Jugendamt - eine passendere Behörde will mir da auch nicht einfallen. Pack Deine Sachen, lass Dich dabei nicht erwischen, verschwinde! Eine Strafanzeige gegen den Vater würde ich mir schenken.