Latein Stilmittel Pyramus und Thisbe?

1 Antwort

Ich vermute, es handelt sich um folgende Stelle:

 

"invide" dicebant "paries, quid amantibus obstas?
quantum erat, ut sineres toto nos corpore iungi
aut, hoc si nimium est, vel ad oscula danda pateres?           
nec sumus ingrati: tibi nos debere fatemur,
quod datus est verbis ad amicas transitus auris."

„Neidische Wand, was trennst du(uns) Liebende (wörtlich: was stehst du uns Liebenden entgegen)? Was wäre denn schon dabei (wörtlich: was wäre es (denn) Großes…),wenn du es erlauben würdest, uns ganz (wörtlich: mit dem ganzen Körper) zu verbinden, oder – wenn dies zuvielist – du doch wenigstens für unsere Küsse (wörtlich: zum Geben von Küssen) offenstehen würdest? (Doch)wir sind nicht undankbar; wir bekennen, dass wir dir zu Dank verpflichtet sind, weil es einen Weg für die Worte zu den befreundeten Ohren (auris = aures) gibt.“

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 Stilmittel sind:

1) Hyperbaton: invide … paries, toto … corpore, amicas … auris

2) Rhetorische Fragen = invide paries, quid amantibus obstas? Quantum erat, ut sineres, …  pateres?

3) Doppelte Verneinung: nec ingrati 3a) zur Betonung der Dankbarkeit

3b) die Betonung der Dankbarkeit wird nochmals verstärkt durch das zu „ingrati“ antithetisch benutzte Verb „debere“.

4) Personificatio der Wand: a) sie hat menschliche Eigenschaften (Neid) „invide“,

b) sie wird angesprochen wie ein Mensch: b1) die rhetorischen Fragen gerichtet an die Wand in der 2. Person Singular,

b2) Dankbarkeitsbezeugung: „tibi nos debere fatemur“

5) Einschiebung / Parenthese: hoc si nimium est

6) Antithese: obstas – pateres,

7) Periphrase: datus est verbis transitus ad amicas auris

8) Alliteration: ad amicas … auris

9) Inversion: das Verb „datus est“ ist vorgezogen zur Betonung, dass ein Weg existiert.

10) Homoioptoton: obstas - pateres



yelenalim  23.06.2024, 17:18

Hi, kurze Frage: Was ist die Tempusverwendung in V. 73 bei dicebant?

Noch eine Frage zu V. 68. Die Textstelle lautet: „Id vitium núlli per saecula longa notâtum - quid non sentit amor? - primi vidistis amantes et võcis fēcistis iter; tútaeque per illud murmure blanditiae minimo tränsire solebant.“

Meine Frage ist, was für ein Stilmittel das bei vidistis und fecistis ist? Und welche Wirkung dadurch erzielt wird?

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rhenusanser  24.06.2024, 11:26
@yelenalim

V73: dicebant = Imperfekt = sie fragten; das Imperfekt steht im Wechsel mit der Verwendung des Perfekts (s. deine Frage zu V.68) im Deutschen wird alles mit dem Präteritum übersetzt. Es soll das Hin-und-Her, das Getrennt Sein symbolisieren.

zu V68: (vidistis und fecistis = Perfekt; Ü s. unten; Stilmittelerklärung s. V73)

id vitium nulli per saecula longa notatum -

quid non sentit amor? - primi vidistis amantes

et vocis fecistis iter, tutaeque per illud

murmure blanditiae minimo transire solebant.               70

saepe, ubi constiterant hinc Thisbe, Pyramus illinc,

inque vices fuerat captatus anhelitus oris,

V73…dicebant

Diesen Fehler, der durch lange Jahrhunderte von keinem bemerkt worden war,

–(denn) was bemerkt die Liebe nicht? – saht ihr Liebenden als erstes

und ihr machtet (daraus) einen Weg für (eure) Worte, und sicher pflegten über ihn

zärtliche Worte mit leisem Geflüster hinüberzugehen.

Oft sagten [aus V73] sie – Thisbe von hier, Pyramus von da – sobald sie sich hinstellten und im Wechsel den (keuchenden) Atem des Mundes zu fassen suchten: 

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