Langen Brief an Eltern schreiben?
... das ist etwas, womit ich mich - immer mal - gedanklich befasse, u. wo ich mich aber nicht so recht durchringen kann.
Bin selber schon älter, u. die Eltern sind nat. auch nicht mehr die Jüngsten. Seit der Jugend gab es viele psych. Beschwerden bei mir. Vor laengerer Zeit, schrieb ich schonmal einen Brief, u. prangerte manches dort an, auch Dinge von früher. Das kam nicht so gut an; u. ich war über die Reaktion enttäuscht.
Es war dort im Grunde immer so, dass man selber bei so ziemlich allem kritisiert wurde - wir selber hatten aber immer alles so hinzunehmen, wie es war. (meine Schwester und ich sind frühberentet, u. der damals widerspenstige Bruder kann normal leben.)
Es gäbe sehr viele Dinge, die ich in so einen Brief reinschreiben könnte. Die mich von früher her ärgern, u. belasten, u. wo ich manchmal nicht einsehe, warum ich das immer alles mit mir ausmachen soll. (andere würden das nicht machen!) Auf der anderen Seite, war unser Verhältnis nicht soo schlecht, beim Wiedersehen Weihnachten - das war an sich okay. Und da hab ich Hemmungen, "die guten alten Leute" nochmal mit so Sachen von früher zu belasten, u. unser Verhältnis damit auch zu sehr zu erschweren. Es wäre für die halt aus dem Zusammenhang gerissen.
Die andere Möglichkeit sähe ich darin, dass man die Kommunikation in Zukunft offener gestaltet - das ging auch schon in die Richtung bei mir: ruhig mal ansprechen, was einem nicht so passt. Nicht immer alles mit sich ausmachen. Im Kleinen klappt das schon oefters, ohne großes Drama. Und die alten Sachen dagegen ruhen lassen.... ?
Aber wie - macht man es denn bloß richtig....
5 Antworten
Ich finde es richtig gut, dass du die vermeintlichen Kränkungen, die du über deine Eltern erfahren hast, nun endlich aufarbeiten willst.
Dazu solltest du aber wissen, dass es nicht um die heutigen leiblichen Eltern, sondern um die damaligen Eltern geht, die du verinnerlicht hast.
Das heißt, schreibe alle Sätze auf, die mit dem Satz "Ich werfe euch vor..." beginnen. Doch dann solltest du auch so konsequent sein, den Prozess fortsetzen und einen zweiten Brief schreiben, dessen Sätze mit "Ich verzeihe euch..." beginnen.
Beide Briefe solltest du nicht abschicken und deine Eltern damit auch nicht konfrontieren, denn dieser Prozess läuft in deiner Psyche ab. Es würde lediglich Unfrieden und viel Verwirrung stiften, denn deine Eltern wären völlig überfordert. Vor Allem hilft es dir nicht, in deinen Frieden mit den Ahnen zu kommen.
Die Störung innerhalb der Familie liegt auch daran, dass du deine Eltern erziehen oder verändern willst. Damit drehst du die energetischen Ebenen um und versuchst, sie zu deinen Kindern zu machen, auch wenn du das mental leugnest. Dass sie sich das nicht gefallen lassen, ist doch klar.
Deshalb nochmals: Es ist nur eine Angelegenheit deiner Innenwelt, die deine Eltern nichts mehr angeht.
Hey, ich kenne das Gefühl tatsächlich, und habe es wie du gemacht. Selbe Reaktion. Unverständnis, Vorwürfe. Eltern die ihren Kindern die Schuld für alles geben, sind das letzte. Ich habe es Jahre später nochmal versucht. Selbes Ergebnis. Man nimmt mich als Erwachsenen dennoch nicht ernst. Irgendwann 1-2 Jahre später ein dritter Versuch. Selbes Ergebnis. Ich denke, viele Erwachsene ab einem gewissen Alter wollen auch einfach keine Einsicht zeigen. Ich habe meinen Frieden mit geschlossen und habe den Kontakt endgültig eingestellt. Du solltest es versuchen, wenn es dir wichtig ist, aber erwarte nicht zu viel
Schreibe doch diesen Brief erst mal nur für dich, ohne ihn abzuschicken.
Dein Wunsch ist ja in erster Linie, zumindest wirkt es auf mich so, mit der Vergangenheit abzuschließen und dich davon nicht mehr runterziehen zu lassen. Dabei kann es vielleicht schon mal helfen, deine Gedanken zu sammeln. Ob es sinnvoll ist, den dann auch an deine Eltern zu übergeben, da merkst du ja selbst, dass das keine leichte Entscheidung ist. Fragen, die du dir dabei stellen musst: wie stellst du dir eine Wiedergutmachung seitens deiner Eltern vor? Ist dieses Ziel realistisch? Wie würdest du damit umgehen, wenn dein erhofftes Ziel nicht eintritt, würde dich das mehr belasten? Wieso sollten deine Eltern Einsicht zeigen - hätten sie aus Boshaftigkeit gehandelt, wieso sollte es ihnen jetzt, auf deine Forderung hin, Leid tun - hätten sie in gutem Gewissen gehandelt, warum sollten sie sich schuldig fühlen? Kann das, wie von dir erwähnt, zu einer Verschlechterung eurer Beziehung führen und wäre es dir das wert? Was sagt deine Schwester zu der Situation, wie hat sie das empfunden, was hält sie von dem Brief?
All das sind Fragen, die nur du weißt oder dir beantworten kannst. Ich, als jemand der nicht in deiner Situation steckt, habe leicht reden: ich würde meine Eltern nicht damit konfrontieren. Menschen machen Fehler, das kann ich akzeptieren. Nicht jeder ist sich dieser Fehler bewusst oder traut sich, diese einzugestehen. Entsprechend hätte ich Angst vor Unverständnis und Ablehnung und würde die verbleibende gemeinsame Zeit lieber als das wertschätzen, was sie ist, mich auf die schönen Erinnerungen besinnen und mich diesem Problem mit anderen Personen stellen. Aber wie gesagt - das wären meine Gedanken. Das muss bei dir nicht gleich sein.
Mit der Vergangenheit abschließen, ja, das wäre schön. Der Gedanke, der dem aber entgegensteht, ist dann aber stets: da ist zuviel Schlimmes passiert, "das kann man sich nicht einfach bieten lassen". (nicht nur die Eltern, auch an anderen Stellen)
Das gab es bei Leuten, die man noch treffen wird; und auch bei welchen, die man normalerweise nicht mehr sieht.
Die, welche man definitiv nicht mehr treffen wird, außer, es würde arrangiert; okay - da hat man ja im Grunde keine große Wahl. Gibt da zwei Gruppen für mich:
- das eine waren einfach Assis, an die würde ich mich nicht freiwillig wenden, um "irgendwas zu besprechen"
- die anderen waren nicht so assozial, da wäre das eher denkbar. Aber auch hier eher Dinge, die schon lange her sind, u. wo man immer nicht recht weiß, ob das nochmal Sinn macht.
Meist bekam ich in so Situationen den Rat, es hinter mir zu lassen. würde dann aber auch bedeuten, dass nichts mehr besser werden würde, was früher schieflief. Diese Hoffnung endgültig aufzugeben, bin ich oft noch nicht bereit.
Nunja - das muss sich im Einzelfall dann halt zeigen.
Eben. Und wie gesagt, schlussendlich ist das eben eine Entscheidung, die nur du treffen musst und kannst.
Die Frage ist: Was erwartest du von deinen Eltern?
Es ist nun mal so, dass sich Geschehenes bzw. Versäumtes weder rückgängig machen noch nachholen lässt.
Wobei es beim Versäumten darauf ankommt, worum es sich handelt.
Da könnte eventuell etwas gemacht werden.
Viele haben es nicht gelernt, mal zu schauen, was ihr Anteil an der ganzen Geschichte ist / war.
Selbstreflexion ist oft eine schmerzhafte Sache.
Mit einem Brief an deine Eltern hast du doch bestimmte eine Erwartung von deren Seite geknüpft.
Nur, denke ich, werden sie diese Erwartung nicht erfüllen.
Schreib es für dich auf und schau nach vorne.
Was deinen Bruder anbelangt: Der hatte schnell gezeigt, wo seine Grenze ist.
Du darfst nicht vergessen, dass deine Eltern einer Generation angehören, in der man ganz anders mit Kindern umgegangen ist als heute. Ich vermute mal, bei euch war es eher diese Schiene "so lange du deine Füße unter meinen Tisch stellst.....". Wie bei mir auch. Ich habe vor einiger Zeit eine Therapie anfangen wollen, um mit der Zeit meiner Erziehung und deren psychischen Folgen abzuschließen. Die Therapeutin meinte von Anfang an, ich solle den Kontakt zu meinem Vater sofort abbrechen. Ich habe die Therapie abgebrochen, denn kneifen und Kontaktabbruch war nie eine Option für mich. Ich wollte in der Therapie lernen, mit den Anfeindungen umzugehen. Nicht, wie ich den Hörer auflege, wenn mein Vater anruft.
Auch mein Vater ist schon alt und würde es nicht verstehen, wenn ich den Kontakt komplett abbreche. Er hat mich als Kind gebrochen. Als Erwachsene kann ich damit aber jetzt ganz anders umgehen und weiß mich meist zu wehren. Meist, weil mein Vater es bei unseren unregelmäßigen Telefonaten oft noch schafft, mich zu verunsichern und mich wieder ein kleines Kind fühlen zu lassen.
Was mir geholfen hat? Ihn nicht mehr im Detail an meinem Leben teilnehmen zu lassen. Wir reden übers Wetter in seiner Heimat (Bayern). Wir reden über seine Arztbesuche. Über seine Spaziergänge. Aber er weiß nicht, wer mein Partner ist, er weiß nicht, wie es meinem Sohn (seinem Enkel, der Mitte 30 ist und keinen Kontakt zu seinem Großvater haben will) geht. Er weiß nicht, wie mein aktueller Gesundheitsstatus ist und auch nicht, welche Position ich derzeit in unserem Unternehmen habe. Ich halte ihn künstlich dumm, damit er keinen Angriffspunkt findet, mir wieder einen Spruch reinzudrücken. Diese Zeiten sind vorbei und das ist etwas, was mir diebische Freude macht. Es sind meine Geheimnisse und ich weiß, dass es ihn wurmt. Es sind also die kleinen Freuden, die ich für mich behalte und ihm nicht gönne.
Diesen langen Brief - deine Idee - habe ich auch mal schreiben wollen. Es wurden über 10 Seiten. Ich habe sie danach mehrmals durchgelesen und verbrannt. Frustriert. Weil ich genau wusste, dass da nur ein "stell dich nicht so an, die Zeiten waren damals ganz anders" gekommen wäre. Oder sogar ein "du brauchtest so ein Durchgreifen von mir". Das hätte mich noch mehr runter gezogen.
Weißt du, was helfen könnte? Die Erkenntnis dessen, was aus dir geworden ist. Dass man nicht geschafft hat, dich komplett zu brechen, dass du heute noch da bist, auch mit Beeinträchtigungen. Aber die Vergangenheit kannst du nicht mehr ändern. Nur die Sichtweise auf dich selber, dass du wie Phönix aus der Asche lebend aus dieser Zeit hervor gegangen bist. Wenn Eltern älter werden, kommt die Zeit, wo man sie nur noch belächeln kann. Weil sie zu zahnlosen Tigern geworden sind. Überfordert mit der aktuellen Zeit, teils krank und mit nach und nach wegsterbenden Freunden und der Gewissheit, dass sich die Welt schneller dreht als sie mithalten können. Das macht auch oft aus Wut dann einfach Mitleid. Vielleicht versuchst du mal, das so zu sehen. Ansonsten, klar, gib ihnen deinen Brief. Mein Vater hätte mir gesagt: "Traust du dich nicht, mir ins Gesicht zu sagen, was du mir sagen willst?" Und so hätte mein Brief nichts bewirkt, keine WIRKUNG gezeigt, außer einen Rückschlag. Ich wünsche dir viel Erfolg bei der Aufarbeitungen. Die Alten leben nicht ewig. Halte dich an deine Kinder, wenn du welche hast und mach es bessern bei ihnen als unsere Eltern das mit uns gemacht haben. Die Liebe, die da zurück kommt, ist ungleich mehr wert.
Naja, ich komm allmählich auch zu dem Schluss, dass ich es besser nicht mache mit dem Brief.
Man hat ja immer so seine eigene Not mit allem, und fühlt sich oft als Opfer. Ich les derzeit mal wieder so ein Therapiebuch, allgemein über Psychotherapie, u. finde mich nun leider in 80% der beschriebenen Erziehungsschäden wieder. So schwierig gestaltet sich ja auch mein Leben - viel schlimmer könnte es wohl nicht mehr sein.
Nur sind die Eltern jetzt aber wirklich aaaaaaaalt, Mitte, Ende achtzig. Schon, als sie jünger waren, konnten sie bei solchen Gesprächen oder auch Vorwürfen einfach nicht drauf eingehen. Wenn es mal um das Hier und Jetzt geht, ist das gerade noch möglich. Aber Grundsatzdiskussionen, über den Umgang miteinander oder eben über früher - völlig undenkbar.
Naja - dann... ist es halt so. Wir können noch miteinander umgehen, und sie tragen ja auch mein Elend mit, mehr als mir, u. ihnen sicherlich, lieb sein wird. Das ist ein an sich brüchiger Umstand, u. Verlauf - alles an sich schon ziemlich wackelig. So ein Brief, würde diesem Prozess da aber eig. den Nerv ziehen. So, muss man es wohl sehen. Okay.
Danke für die Hinweise.
Das habe ich beides schonmal in realo gemacht. einen "Brandbrief", u. noch einen zweiten, wo ich mich wieder mehr zurückgenommen hatte. Beim ersten kamen lediglich Vorwürfe in meine Richtung, so ungefähr: "du musst doch spinnen." (hab ich gar nicht so...) beim zweiten kam am Telefon: "Schönen Dank für deinen Brief." Weiter nix, KEIN WORT.
Schon krass.
Es ist wohl wahr: es wird nicht die Reaktion kommen, die mich mir wünsche.
Einsicht. Verständnis. Zugeständnisse.
Nur kommt mir das eben mitunter völlig falsch vor. Immer nur über Alltägliches reden, u. die wichtigeren Themen komplett ausklammern. Das ist für mich ein Zeichen für eine völlig gestörte Familie.