Landwirt Erfahrungsbericht/ Welche Erfahrungen habt ihr als Landwirt bisher gemacht?

3 Antworten

Vom Beitragsersteller als hilfreich ausgezeichnet

Erstmal ein paar Fakten zu mir und meinem Hof, sonst kannst du mit meiner Antwort nicht viel anfangen. Ich bin weiblich, 23 Jahre alt, und führe inzwischen den Hof mit meinem festen Freund, 24 Jahre alt, meiner Eltern. Wir sind ein kleiner Milchviehbetrieb, ~10 Rinder, ein paar andere Tierchen für den Eigengebrauch. Wir haben in etwa 10ha Grünfläche und 3ha Wald. Mein Freund hat seine eigene Tischlerei mit einem Angestellten, ich mit einem Kollegen ein eigenes Restaurant. So viel mal dazu.

Was mir sehr gut gefällt? So ziemlich vieles, sonst würde ich mir das nicht antun. Die frische Morgenluft, der Duft von frischem Heu, das am Abend zu Bett fallen und wissen, heute hab ich etwas geschaft, das zufriedene Schnauben, wenn man morgens oder Abends in den Stall kommt, um die Tierchen zu versorgen...

Zum einen mag ich es, mein eigener Chef zu sein. Die Arbeit mit Tieren liegt mir sehr am Herzen. Nein - die Tiere liegen mir sehr am Herzen. Ich mag die Natur. Ich mag es, dort zu arbeiten. Es ist einfach abwechslungsreich. Man lernt jeden Tag dazu. Die körperliche Arbeit ist Sport - Sport macht glücklich, somit meine Arbeit auch. Eine Kondition habe ich inzwischen, das sag ich dir.

Ich könnte dir noch hundert Gründe aufzählen, warum ich gerne Landwirtin bin.

Es gibt auch vieles, das ist nicht so schön. Ein Fakt, der mich am meisten stört, ist das uns die Menschen nicht zu schätzen wissen. Wie oft musste ich mir in der letzten Zeit anhören, ich sei ein Tierquäler? Ich sei ein Umweltverschmutzer, weil ich Dünger (Gülle) auf dem Feld ausbringe. Weil mein Freund unser Wäldchen aufforstet? Da krieg ich das Kotzen.

Am schlimmsten ist es, Tiere, die du lieben gerlernt hast, wegzugeben. Oder sie zum Metzger zu bringen, weil sie sich (unheilbar) verletzt haben. Das sind Momente, da hasse ich meinen Beruf.

Außerdem mag ich das ganze Internet-Zeugs nicht, wie bspw. Rinder anmelden etc. Das muss mein Freund übernehmen. Ausmisten ist jetzt auch nicht so toll, aber mit der Zeit Routine und damit halb so wild. Man muss es sich halt praktisch anrichten.

Pause? Gibt es keine. Wir haben es uns so angerichtet, dass wenn eine Kuh kalbt, sie das alleine tun kann. Trotzdem halten dich die unbegründeten Sorgen von deiner eigentlichen Tätigkeit ab.

Auch Urlaub kennen wir nicht. Wenn wir in der Rente sind, dann gibt es wieder welchen. Mehr fällt mir hier gerade nicht wirklich ein.

Kommen wir zu deiner Frage zum Finanziellen:

Als kleiner Landwirt, also so bis zu 30 Tieren hast du es schwer, ohne Zweitberuf wird das nichts. Da kannst du ackern wie du willst.

Als kommerzieller Landwirt hast du es echt schwer. Im Pflanzlichen Bereich reicht es, hab ich mir von Kollegen sagen lassen.

Theoretisch könnten wir (höchste Stufe Bio) ohne Zweitjobs leben. Allerdings wäre eine Weiterentwicklung vom Hof da nicht drin. Ist aber bei dieser Größe zugegebenerweise klar.

Es kommt aber auch darauf an, wie du wirtschaftest. Ein guter bekommt's hin, ein schlechter nicht. Außerdem hat das viele Faktoren.

Würde ich diesen Beruf empfehlen? Nein. Definitiv nicht jeden. Es ist ein verdammt hartes Pflaster. Willst du Bauer werden, musst du vieles zurückstecken. Alleine einen Hof zu führen kannst du vergessen. Du brauchst einen Partner, der voll hinter dir steht. Du musst dir vieles anhören, du musst vieles aufpassen, du musst vieles dazulernen. Ich kenne viele, die daran gescheitert sind.

Aber jetzt zum wirklich wichtigen für dich. Noch stehst du da - und hast nichts. Keinen Hof, keine Tiere, wahrscheinlich nicht gerade einen riesigen Patzen Geld zur Verfügung, keine Ahnung. Um ehrlich zu sein, denke ich nicht, dass du ganz bald Landwirt sein wirst. Überlege dir das ganze noch mal gut, mache die Ausbildung, kaufe dir einen kleinen Bauernhof, halte ein paar „Spaßtiere“, arbeite zum Geld verdienen bei einem Agrardiensleistungsunternehmen. Wenn du dir dann immer noch ganz sicher bist, werde Landwirt. Aber pass auf: Es ist eine Entscheidung, die verändert dein Leben komplett. Vielleicht stehst du dann da, auf einem Berg Schulden.

Wenn du noch Fragen hast, schreib mir gerne (auch privat, wenn du möchtest), ansonsten wünsche ich dir nur das Beste! Viel Erfolg und vor allem Spaß!


SerafinAndokayl 
Beitragsersteller
 13.02.2020, 19:48

Das war eine sehr schöne Antwort von dir und hat mir tatsächlich weitergeholfen!

Körperliche Arbeit und fast durchgängige Dienste kenne ich, ich arbeite derzeit noch im Krankenpflegerin und dank Fachkräfte Mangel bin ich fast durchgehend im Einsatz.

Ich habe mir auch gedacht (wenn ich die Ausbildung machen werde) Anfangs den Hof mit weniger Tieren zu bewirtschaften um einmal zu wissen wie der Hase läuft und zum anderen damit ich ein 2. Finanzielles Standbein habe. Mein Partner würde zum Glück da mitziehen, aber ebenfalls selbst noch anderweitig arbeiten gehen. Das einzige was mir glaub ich sehr schwer fallen würde ist nicht die Möglichkeit zu haben, spontan in den Urlaub zu fahren oder mal eben ein Wochenende weg zu fahren.

Vielen Dank dir auf jeden Fall schon mal! :)

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Bellla13  14.02.2020, 10:45
@SerafinAndokayl

Als Krankenpflegerin wird das keine allzu große Unstellung sein, haha.

Ah, eine (super wichtige) Sache habe ich vergessen. Landwirt umfasst ja vieles. Gemüse und Obst, unzählige Arten der Viehwirtschaft. Ich muss sagen, als Milchbauer hast du mehr Arbeit als welcher, der Rinder rein auf der Weide hält und mästet. Schafe und Ziegen machen auch weniger Arbeit. Schnuppere da mal überall hinein, rede mit Landwirten jeglicher Richtung.

Und was den Urlaub angeht, kann ich dich auch trösten. Zwei Wochen Karibik sind nicht mehr drin, aber mal ein Wochenende in die Berge oder an die Nordsee sind nicht unmöglich. Bei uns wird da die Nachbarschaftshilfe groß geschrieben, und wenn ihr da kein Glück habt, gibt es noch immer Leute, die ihr anstellen könnt. Ob das spontan geht, ist fraglich.

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Ich bin Agrarexperte und könnte dir bei Interesse viel dazu sagen.

Grundsätzlich müßtest du ca. 800 000 € Gespartes haben um "aus dem nichts" Agrarunternehmer zu werden.

Landw. Fläche ist in Deutschland massiv knapp und teuer. Die Konkurrenz ist sehr groß und du mußt ein top fitter Produktionstechniker sein um auf dem Markt bestehen zu können.

Eine Chance wäre noch, in einen landw. Betrieb einzuheiraten.

Ansonsten bleibt bloß eine landw. Ausbildung (geht auch berufsbegleitend) und dann sich anstellen lassen als Maschinist, Stall-Fachkraft etc.

Die Landwirtschaft wird seit Jahren von der Politik krachend vor die Wand gefahren.

Es macht nicht wirklich Spass in einem Gefüge zu arbeiten, dass du wenig beeinflussen kannst und das kannst du als Landwirt nicht mehr.

Die Arbeit habe ich früher im ökologischen Landbau sehr gerne gemacht, bin aber aufgrund der politischen Umstände ausgestiegen,