Kopfrechnen von 1,X^n?

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Kopfrechnen ist eine Kunst, und in den Künsten gibt es viele Möglichkeiten.

Überschlagsrechnungen sind (oder waren jedenfalls in früherer Zeit) eine Disziplin der Ingenieurmathematik und die Ingenieurmathematik kennt für die hier angesprochene Aufgabe ein allgemein verwendbares Verfahren.

Fangen wir mit dem Kopfrechnen an:

Zuerst eine grobe Schätzung: Statt 1,2^5 rechnest du 2^5 und erhältst das Ergebnis 32. Diese Rechnung bereitet keine Mühe, da man die Zweierpotenzen bis 2^10 ohnehin auswendig weiß. Das Ergebnis ist allerdings, wie wir gleich sehen werden, vom tatsächlichen Wert von 1,2^5 ziemlich weit entfernt.

Jetzt eine genauere Schätzung. Hier greifen wir auf Quadratzahlen zurück, die man ebenfalls auswendig wissen sollte. Die Schätzung selbst läuft in drei Schritten ab.

Wir berechnen zunächst 1,2^2. Da wir die Quadratzahlen bis 15, besser noch bis 20, auswendig wissen, ist das ganz einfach: 12^2 = 144, also ist 1,2^2 = 1,44.

Im zweiten Schritt berechnen wir 1,44^2 näherungsweise. Um die Rechnung zu vereinfachen, rechnen wir statt 1,44^2 die einfachere Aufgabe 1,5^2. Da wir die Basis der Potenz etwas zu groß wählen, werden wir auch ein Ergebnis erhalten, das etwas zu groß ist. 15^2 ist 225, also ist 1,5^2 = 2,25.

Da 1,44 =1,2^2 ist, ist ist 1,44^2 = 1,2^4. Wir nehmen also 2,25 als (etwas zu großen) Näherungswert für 1,2^4. Das bedeutet, dass wir 2,25 nur noch mit 1,2 multiplizieren müssen, um einen (etwas zu großen) Näherungswert für 1,2^5 zu erhalten. Der Multiplikator 1,2 bedeutet: 1/5 dazu zählen. Ein Fünftel von 2,25 ist das gleiche wie zwei Zehntel von 2,25: Als Formel 0,225 * 2 = 0,45.

Wir zählen zusammen: 2,25 + 0,45 = 2,7 als Näherungswert für 1,2^5.

Kontrolle mit dem Taschenrechner: 1,2^5 = 2,48832. Passt.

Wenn du im zweiten Schritt die Aufgabe 1,44^2 nicht durch die Aufgabe 1,5^2 ersetzt, sondern die Ersatzaufgabe 1,4^4 rechnest, bekommst du den Wert 1,96. Dieser Wert ist wieder mit 1,2 zu multiplizieren. Das hinzuzufügende Fünftel ist nun 0,196*2 = 0,392 und das Endergebnis 1,96 + 0,392 = 2,352. Dieser Wert ist kleiner als das tatsächliche Ergebnis, was nicht verwundert, weil 1,4 ja kleiner ist als 1,44.

Wenn du beide Überschlagsrechnungen ausführst, hast zu zum Schluss ein Intervall, in dem der tatsächliche Wert von 1,2^5 liegen muss. Das ist ziemlich clever!

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Nun zu einem allgemeinen Verfahren für die überschlagsmäßige Bestimmung hoher Potenzen, das in der Ingenieurmathematik allgemein verwendet wurde, als es noch keine Taschenrechner gab.

Die Grundidee ist, eine Potenz a^b umzuschreiben als eine Potenz von 10. Das ist immer möglich; die Formel lautet:

Der Ausdruck log(10) bezeichnet hier den Logarithmus von a zur Basis 10, auch Zehnerlogarithmus oder dekadischer Logarithmus genannt. Ob Zehnerlogarithmen im Schulunterricht noch vorkommen, weiß ich nicht. Der im Schulunterricht behandelte natürliche Logarithmus ist für die nachfolgende Rechnung ungeeignet.

Der Wert der oben angegebenen Formel ist nicht offensichtlich, sondern erklärungsbedürftig. Die Erklärung ergibt sich aus dem Einsetzen in die rechte Seite:

Den Logarithmus der Basis a bestimmt man mit dem Rechenschieber, einer Tabelle oder dem Taschenrechner. Einige wenige Logarithmen sollte man auch auswendig wissen, vor allem log(2) = 0,301.... Für Überschlagesrechnungen verwendet man log(2) = 0.3 = 3/10.

Sobald man den Logarithmus der Basis hat, multipliziert man den Exponenten log(a)*b aus und erhält eine Dezimalzahl. Diese Dezimalzahl zerlegt man in ihren ganzzahligen Teil d und einen Rest r, von dem man weiß 0<= r < 1. Die gesuchte Zahl a^b ist dann gleich 10^r*10^d. 10^d ist einfach nur die Größenordnung des Ergebnisses und 10^r hat man früher mit dem Rechenschieber oder aus einer Tabelle bestimmt; heute verwendet man einen Taschenrechner; erfahrene Rechner sind in der Lage, zu raten.

Betrachte ein ganz einfaches Beispiel, das auf den ersten Blick schrecklich aussieht: Bereche einen Überschlagswert für 2^5000.

Wer den Wert von log(2) auswendig weiß, schafft das im Kopf, obwohl hier mit Zahlen gerechnet wird, bei denen jeder Taschenrechner aussteigt! Achtung: Obwohl ich hier überall Gleichheitszeichen geschrieben habe, ist das Ergebnis ein Näherungswert, da für log(2) ein Näherungswert eingesetzt wurde. Das zweite Gleichheitszeichen sollte ersetzt werden durch das Zeichen "näherungsweise gleich"

Jetzt deine Aufgabe:

Hier wurde für die Berechnung des Logarithmus und für die Berechnung der Potenz von 10 ein Taschenrechner verwendet.

Noch ein Beispiel:

Hier sollte das zweite und das fünfte Gleichheitszeichen ersetzt werden durch "näherungsweise gleich".

Das Verfahren ist erkennbar immer dann besonders hilfreich, wenn es um sehr große Zahlen geht.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Studium der Mathematik

Franco27 
Beitragsersteller
 21.08.2022, 09:43

Mega Erklärung! Vielen Dank!!

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Es liegt Zwischen 1 und 32

Und weiter unter ist es sehr nah an der 1, und das wird dann nicht linear größer.

1,1^5 ist zum Beispiel noch circa 1,6 wohingegen 1,2^5 schon 2,5 und 1,3^5 schon 3,7 ist. Der Abstand wird also immer größer.

1 -> 1,1: 0,6 Abstand

1,1 -> 1,2: 0,9 Abstand

1,2 -> 1,3: 1,2 Abstand

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Maschinenbaustudent, RWTH Aachen