Kontaktabbruch zu den Eltern?

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Ich würde mich an deiner Stelle an den Hausarzt wenden und fragen, ob du eine Therapie machen könntest, um das Ganze zu verarbeiten.

Es bringt dir nichts, hier Meinungen von Laien zu lesen. Selbst wenn die 100%ig gerechtfertigt wären, könnte es sein, dass DU sie nicht annehmen kannst, weil du z.B. denken würdest "die schreiben das ja nur aus Mitleid" oder "sie kennen ja gar nicht die ganze Situation".

Also: Wende dich an eine Therapeutin oder einen Therapeuten, je nachdem, ob du Männern oder Frauen eher vertraust und besprich das Ganze mit dem, durchdenke es, bewerte es durch die Therapie selbst.

Man kann übrigens auch zu dem Schluss kommen "meine Eltern sind in bestimmten Aspekten gute Menschen, haben aber im Umgang mit mir versagt". Also, man muss sich nicht für gut oder böse entscheiden.

Bezüglich Kontakt würde ich mit dem Therapeuten auf einen Kompromiss hinarbeiten. Was täte dir gut? Erst mal nur schriftlicher Kontakt? Nur einmal im Monat? Weihnachten und Geburtstag (deiner/ ihre)? Anruf nur einmal pro Woche oder pro Monat? Kontakt mit bestimmten formalen Regeln, z.B. Zeitbegrenzung, es dürfen bestimmte Themen nicht angesprochen werden, wenn es dich belastet, sagst du das und legst dann auf usw.?

Diese Regeln und deren Begründung sollten vorher deinen Eltern mitgeteilt werden.

Ich würde dir raten, mal aufzuschreiben, was deine Eltern als Eltern und als einzelne Menschen für gute Aspekte haben, rein als Personen bzw. in ihrem Leben (z.B. Fähigkeiten, berufliche Erfolge etc.) und bezogen auf dich. Was du wertgeschätzt hast. Auch, wenn es nur kleine Aspekte sind. Was andere an ihnen wertschätzen könnten.

Parallel erstelle eine KURZE Liste mit den Dingen, die dich belastet haben.

Diese beiden Listen kannst du - überarbeitet nach einer gewissen Wartezeit, in der du sie noch mal zur Seite gelegt und dann "bereinigt" hast - deinen Eltern zukommen lassen. Die Negativliste erklärt, warum du nun diese Kontaktregelung brauchst, das sind alles Punkte, die du erst mal für dich mit Expertenhilfe verarbeiten musst. Die Positivliste zeigt, dass du sie nicht nur negativ siehst, dass sie auch als Menschen und vielleicht teilweise als Eltern wertvoll, fähig, schätzenswert sind und dass du auf sie zukommen möchtest.

Wenn du das kannst, schreibe vielleicht auch mal, was du dir von ihnen wünscht, z.B. Wertschätzung in Bezug auf bestimmte Punkte oder, wenn du mutig bist, frage offen, ob sie dir mal sagen könnten, was sie an dir schätzen oder geschätzt haben als Kind. Versuche erst mal, das kurz zu halten. Sage, dass dir bewusst ist, dass ihre Elternrolle auch nicht immer leicht war.

Je mehr du auf sie zugehst, desto eher können sie auch auf dich zugehen und offen werden für das, was sie als "Vorwürfe" erleben werden.

Ihr könntet auch damit anfangen, dass ihr euch einmal in der Woche oder bei jedem Telefonat einen Punkt sagt, den ihr am anderen schätzt. Etwas Positives. Damit das erst mal im Gedächtnis bleibt. In deinem Fall könnten das auch (kleine) schöne Kindheitserinnerungen sein.

Das Verhalten deiner Mutter kenne ich von sehr unsicheren Menschen - man lobt andere, weil man entweder besser dastehen möchte oder möchte, dass jemand sich mehr Mühe gibt. "XY ist so schön/ gut in Mathe/ wohlerzogen" könnte dann ein Versuch gewesen sein, dich dazu zu bringen, dir in dem Bereich mehr Mühe zu geben, kein Versuch, dein Selbstwertgefühl in diesem Bereich zu schwächen.

Manchmal sind gerade Mütter auch von Teenagertöchtern enttäuscht, wenn/ weil diese sich so ganz anders entwickeln, als die Mutter oder als die Mutter sich das gewünscht hätte.

Die Mutter war vielleicht gut in Musik oder wollte immer ein Instrument spielen, aber die Tochter interessiert sich eher für Sport. Es werden dann alle musikalischen Leistungen von Gleichaltrigen hervorgehoben. Oder die Tochter ist sehr gut in Französisch, aber die Mutter spricht kein Französisch, also verbirgt sie ihre Unsicherheit über diese Tatsache hinter Bemerkungen, die Französisch als Fach herabsetzen und die Leistungen darin als unbedeutend darstellen. Die Tochter denkt dann, dass ihre Begabung oder ihr Interesse fehl am Platze ist, weil sie nicht merkt oder weiß, dass ihre Mutter nur in dem Bereich nicht mitreden kann und sich dafür schämt.