Können sich in Deutschland keine Züge auf dem selben Gleis entgegenkommen?

13 Antworten

Passieren kann es durchaus. Die wahrscheinlich ist aber mehr als gering. Es fahren täglich über 30.000 Züge in Deutschland. Also die wahrscheinlichkeit kannst du dir ausrechnen, genau an solch einem Tag, in genau dem Unglückszug zu sitzen. Der letzte Unfall dieser Art war 2016 in Bad Aiblingen, dieser ist auf Menschliches versagen zurückzuführen.

Aber ich kann dir Versichern, eine Straße zu überqueren ist mehr als 1000x gefährlicher als sich in einen Zug zu setzen.

Achja und bei 100km/h ist die Überlebenschance in unseren modernen Zügen als Fahrgast relativ hoch. Bei höheren Geschwindigkeiten (wie es meistens auch der Fall ist) wirds in den vorderen Reihen kritisch.

Wenn man vergangene Unfallberechte der letzten 100 Jahre Analysiert, wird man schnell feststellen, dass du in der Mitte des Zuges auf der in Fahrtrichtung Rechten Seite am Sichersten bist, falls doch was passieren sollte.

Woher ich das weiß:Berufserfahrung

Auf zweigleisigen Strecken kommt sowas nicht vor. Da gibts für jede Richtung ein Gleis. Die Sicherheitsvorkehrungen sind modern.

Auf eingleisigen Strecken ist ein Gleis von beiden Richtungen genutzt. Die Sicherheitstechnik ist noch sehr "mechanisch" und benötigt mehr den Menschen. Wenn der "Mensch" seinen Job ernst nimmt und keinen Mist baut, dann ist das gut und sicher.

Wenn man aber einen auf Schrotzberg macht und Sicherheitstechnik umgeht, dann landen Züge im Wald, Leute im Sarg und die DB in der Zeitung.

Woher ich das weiß:Berufserfahrung – Seit den 90ern arbeite ich im Gleisbereich.

Elli3712  05.08.2021, 01:44

Warum soll das auf Zweigleisigen Strecken nicht passieren können? Man kann doch auch auf dem Gegengleis fahren.

Und seit wann sind alle eingleisigen Strecken noch mit Mechanischer Technik ausgestattet? Es gibt auch Zweigleisige Strecken mit Mechanik, zB Hamburger S Bahn, Hamburg Eidelstedt uvm.
Des weiteren haben die meisten eingleisigen Strecken bereits ESTW bzw. Spurplan Technik

dvdfan  05.08.2021, 17:37
@Elli3712

Habs von meinem Betrachtungswinkel beantwortet. Die zweigleisigen Strecken, die ich kenne, sind modern und die Eingleisigen würde ich eher scherzhaft als "Bimmelbahn" bezeichnen. Aber du hast recht und deine Antwort ist super.

Elli3712  06.08.2021, 12:09
@dvdfan

Es gibt einige Nebenbahnstrecken, die zu 99% Eingleisig sind. Auf den hat man schon Bimmelbahn Feeling. Die "schönste" Nebenbahnstrecke die ich mal gefahren bin, war mit Zugleitbetrieb und Vmax 20. Anders kenne ich aber auch Eingleisige Strecken wo ich mit 160 Lang gedonnert bin :)

Ja, siehe Bad Aibling!

Und andere:

https://de.wikipedia.org/wiki/Eisenbahnunfall_von_Hordorf

https://de.wikipedia.org/wiki/Eisenbahnunfall_von_Hosena_2012

https://de.wikipedia.org/wiki/Eisenbahnunfall_von_Bad_Aibling

https://de.wikipedia.org/wiki/Eisenbahnunfall_von_Meerbusch-Osterath

https://de.wikipedia.org/wiki/Eisenbahnunfall_von_Aichach

  • 30. Juni 2017 – Leese-Stolzenau, Niedersachsen: Auf der eingleisigen Strecke Nienburg–Minden stieß der Güterzug 42597 AntwerpenMaschen des belgischen Unternehmens Lineas frontal in den Güterzug 42757 HelsingborgKrefeld der schwedischen Hector Rail. Die beiden Triebfahrzeugführer wurden schwer verletzt. Mehrere Wagen des Zuges 42757 entgleisten, zwei stürzen den Bahndamm hinunter auf eine Straße, der zugseitige Führerstand der Hector-Rail-Lokomotive 241 007 wurde schwer beschädigt.[108][109] Der Sachschaden betrug 8,7 Millionen Euro. Der Fahrdienstleiter hatte den auf dem Regeldurchfahrtsgleis wartenden Zug 42757 vergessen und den Gegenzug 42597 ins selbe Gleis geleitet. Die Strecke diente zum Unfallzeitpunkt wegen Bauarbeiten als Umleitung für Güterzüge zwischen Hamburg und dem Ruhrgebiet. Der Bahnhof Leese-Stolzenau ist nicht mit einer Gleisfreimeldeanlage ausgerüstet.[110]

Auf der Straße bist Du auf den guten Willen aller anderen angewiesen, dass keiner über den Bürgersteig bügelt und die Fußgänger tötet. Oder so.

Für einen Zug erfolgt die Fahrwegsfreigabe prädiktiv:

Nicht der Lokführer guckt, ob da was kommt und fährt dann mal, sondern dem Lokführer wird über Signale angewiesen, was er zu tun hat. Anhalten, warten, weiterfahren usw.

Die Signale werden vom Fahrdienstleiter gestellt nach Kenntnis der Zugbewegungen, also wo fährt gerade was (und wo darf daher jetzt nichts anderes hinfahren). Die Signalsysteme sind unterschiedlich fein ausgeprägt, in der Regel erfolgt aber ein "Block" von Fahrwegen: Ist eine Fahrstraße geschaltet, kann ich keine weitere, kreuzende (und dazu zählen auch entgegenkommende) Fahrstraße schalten. Das erfolgte früher mechanisch über einen "Streckenblock" an den Schaltern und Hebeln, zurzeit meist elektrotechnisch und immer häufiger digital. Und im Besondern bei letzteren gilt: Was nicht eindeutig und widerspruchsfrei grün ist, ist immer rot. Zwei Rechenprozesse müssen zu dem gleichen Ergebnis kommen, sonst geht kein Signal auf grün.

Das Einhalten der Signale wird überwacht auf (fast) allen Strecken: Fährt im Besonderen ein Lokführer über ein Rot zeigendes Signal (Hp 0 oder Hp 00), so erfolgt eine Zwangsbremsung des Zuges. Dieser kommt dann nach einer "Durchrutschstrecke" zum Stehen. Diese Strecke ist so ausgelegt, dass der Zug auf jeden Fall außerhalb anderer Fahrstraßen zum Stehen kommt.

Rangiert eine Lok, so ist sie von dieser Überwachung ausgenommen. Dabei darf sie aber 30 km/h nicht überschreiten. Soweit ich mich entsinne, muss die Lok fürs Rangieren einen eigenen Modus einschalten. Damit kann ich also nicht "mit voller Fahrt" in irgendeinen Fahrstraße einfahren. Und: Rangiert wird nur in Rangierbereichen, die extra gekennzeichnet sind. Würde eine Rangierlok da "abhauen" würde der Fahrdienstleiter alles andere sofort anhalten.

Es gibt noch zwei Ausnahmen: Einige eingleisige Nebenstrecken haben keine Zugsicherung an den Signalen (kein automatisches Anhalten), da sie entweder zu gering befahren sind oder es einen technischen Bruch, bspw. bei einem Grenzüberschritt, gibt. HIer muss der Fahrdienstleiter besondere Sorgfalt walten lassen. Unfälle passieren, sind aber gottseidank äußerst, äußerst selten. Und noch: Zumindest eine ältere Lok kann eine gestörte Zugbeeinflussung haben. Dann könnte sie nicht fahren. Damit sie dennoch eingesetzt werden kann, kann die Zugsicherung abgeschaltet werden. Das wird durch ein Signal im Führerstand auch nach außen angezeigt und muss vor der Abfahrt erlaubt und dokumentiert werden. So etwas kommt IMHO so gut wie gar nicht mehr vor, das gehört eher in die Dampflokzeit.

Warum aktuell der Zug an der CZ-Grenze mit einem anderen kollidierte, muss noch untersucht werden. Die Behauptungen des CZ-Ministers (?) waren etwas verfrüht und im Zweifelsfall nicht zu halten.

Woher ich das weiß:Hobby – ehemaliger Inhaber des Bahn-Berechtigungsausweis B

Servus,

eine sehr interessante und gerechtfertigte Frage - vor allem seit dieses schrecklichen Unfalls in Tschechien heute!

  1. Mein Papa und mein Onkel (Bruder meiner Mama) sind Lokführer bei den ÖBB.
  2. Weiß ich von meinem Papa, dass es in Österreich ein Zugsicherungssystem gibt, welches solche Unfälle, wie es in Tschechien passiert ist und du befürchtest, verhindern soll.
  3. So wie Papa mir mal erzählte, kann man als Lokführer dieses Zugsicherungssystem überbrücken - das hat irgendwas mit "Verschubmodus" oder so zu tun, wie er mir mal erzählte.
  4. Wenn der Lokführer diesen "Verschubmodus" aktiviert, kann er über rote Signale fahren, ohne, dass er Zwangsgebremst wird. Somit führt man das Zugsicherungssystem dann ad absurdum.

Neuerfan1  29.06.2022, 16:43
Wenn der Lokführer diesen "Verschubmodus" aktiviert, kann er über rote Signale fahren, ohne, dass er Zwangsgebremst wird. Somit führt man das Zugsicherungssystem dann ad absurdum.

Aber auch nicht beliebig schnell, oder?

Bei uns in D'land zumindest, bleibt die PZB an. Rangiert man über ein rotes Hauptsignal (mit Sh 1), muss bei der Überfahrt die Befehlstaste gedrückt gehalten werden, da der Magnet weiterhin scharf ist.

Beim Rangieren fährt man doch sowieso nur mit 25 km/h (mit Ansage des freien Fahrwegs 40 km/h) und auf Sicht.

Rangiert man länger als 30 min, darf man die PZB mit Störschalter abschalten, aber auch hier wird dann eine Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h fix überwacht.