Können Menschen mit Asperger-Syndrom echte emotionale Bindungen eingehen?

5 Antworten

Ich kann nur von mir ausgehen.

Fühlen sie etwas, wenn Sie andere Menschen verletzen?

Ich fühle dabei manchmal Belustigung, manchmal Bedauern.

Sind Sie empathie- oder kritikfähig?

Tatsächlich bin ich sehr empfänglich für Kritik. Allerdings - und das begreifen viele nicht - sollte diese Rückmeldung plausibel sein. Ein stumpfes "Du bist ein [Bitte gewünschte Beleidigung einfügen]" ist keine Kritik. Damit kann ich nichts anfangen.

Ferner lege ich keinen Wert darauf, irgendwem zu gefallen. Ich sage, was ich denke. Auch wenn - oder gerade weil - es anderen nicht passt.

Sind Sie beziehungsfähig?

Keine Ahnung. Meine Verlobte jedenfalls hält es für eine gute Idee, mich irgendwann zu heiraten.

Was sind diesbezüglich eure Erfahrungen?

Dass die Menschen sich schwertun, meine Gedankengänge zu begreifen und sich deshalb dazu hinreißen lassen, die Lücken mit Ideen aufzufüllen, die ihnen vertraut(er) sind. So kommt es, dass die Menschen ihr Problem, welches sie mit mir haben, so darstellen, als müsse ich es lösen. Dabei geht mich das Problem, welches sie haben, nichts an.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung – Bin diagnostizierter Asperger-Autist

Pumagirl21x 
Beitragsersteller
 16.06.2024, 14:46

Vielen Dank für deine ehrlichen Worte!

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oopexpert  16.06.2024, 23:34
@Pumagirl21x

Ja, die Antwort kann ich gut nachvollziehen und es als logische Weiterführung meiner Gedankenwelt in das extremere Autismusspektrum sehen.

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GutenTag2019  16.06.2024, 14:56
So kommt es, dass die Menschen ihr Problem, welches sie mit mir haben, so darstellen, als müsse ich es lösen. Dabei geht mich das Problem, welches sie haben, nichts an.

Das Problem wird spätestens dann DEIN Problem, wenn sich die Menschen von dir abwenden, Arbeitsverhältnisse scheitern und andere soziale Kontakte gestört sind und du am Ende allein bist. Gut, greift in deinem Fall nicht, weil du eine Verlobte hast, aber vielleicht ist dieser Umkehrschluss für dich dennoch logisch?

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Desparativum  16.06.2024, 15:54
@GutenTag2019
Das Problem wird spätestens dann DEIN Problem, wenn
a) sich die Menschen von dir abwenden

Die meisten Menschen regen mich ohnehin nach kurzer Zeit auf oder langweilen mich. Es könnten sich erheblich mehr von mir abwenden.

b) Arbeitsverhältnisse scheitern

Dankenswerterweise bin ich - mit ärztlichem Segen - arbeitsunfähig.

und andere soziale Kontakte gestört sind

Ich lege keinen Wert auf ein umfangreiches soziales Netz.

und du am Ende allein bist.

Ja, die Strategie, mir soziale Ächtung in Aussicht zu stellen, wenn ich nicht so bin, wie "man" zu sein hat - das gehört zu den Standardbemerkungen.

Man möchte es so verzweifelt zu meinem Problem erklären, auf dessen Grundlage ich unbedingt handeln müsste. Leider werde ich nicht müde zu betonen, dass ich nicht erpressbar bin.

(Bevor du es versuchst: Es ist eine Drohung, wenn man sagt: "Wenn du nicht das und das machst, passiert das und das". Es handelt sich um eine Wenn-dann-Klausel, mit der versucht man, durch die Androhung von sozialer Ächtung die natürliche Angst vor dem Alleinsein in mir zu nutzen, um mich zur Anpassung zu zwingen.)

Klar, es wird landläufig mit "Es ist nun mal die Konsequenz aus deinem Verhalten" umschrieben. Hierfür gibt es - zum Leidwesen meiner Mitmenschen fürchte ich - nur zwei mögliche Ursachen: Betriebsblindheit und/oder Blödheit.

Gut, greift in deinem Fall nicht, weil du eine Verlobte hast, aber vielleicht ist dieser Umkehrschluss für dich dennoch logisch?

Es zeigt mir, wie abhängig die Menschen vom Gutdünken der anderen sind. Und daran, so darf ich festhalten, ist nichts logisch. Oberflächlich besehen mag es allenfalls den Anschein machen.

Natürlich, jetzt kann man sich - ebenso standardmäßig - auf meine privilegierte Position beziehen und darauf, dass ich mich eben dieser nicht versichern könne. Allerdings müsste ich dann anbringen, dass ich dies gar nicht tue, was von anderer Seite angezweifelt würde und so würde sich diese Thematik eher früher als später totlaufen. Irgendwie ist es immer dasselbe. Wo wir wieder beim Thema (siehe a)) wären.

(Nein, ich bin nicht selbstgerecht und arrogant bin ich auch nicht. Ich lass' mich bloß nicht verarschen. // Dir werfe ich damit gewiss nicht vor, mich verarschen zu wollen. Ich nehme dir deine guten Absichten durchaus ab.)

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GutenTag2019  16.06.2024, 16:15
@Desparativum
Irgendwie ist es immer dasselbe. 

Ja. Und es ist erschöpfend für beide Seiten :(

Ich höre dich mit der Stimme meines Sohnes sprechen. Es gibt Anteile in mir, die dich verstehen und mitfühlen, aber es gibt eben leider auch Anteile, die sagen, das passt nicht in das, was über die Struktur und Bedürfnisse von Menschen in Fachbüchern steht und wie nunmal die Mehrheit tickt!? Und dann muss man da entsprechende Skills erwerben ;)

Ich hoffe, du verstehst.

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Ich bin zwar (noch) kein Asperger, aber im Autismusspektrum ziemlich nah dran. Diagnose -> grenzwertige Persönlichkeit.

Das Problem bei mir ist, dass ich keinen Unfug toleriere, was man aber in sozialen Beziehungen zwangsweise muss.

Innerhalb von Beziehungen kommt es zwangsläufig dazu, dass man seine Werte absteckt und dies dem anderen klarmachen will. Tatsächlich bin ich extrem sensibel, was Werte angeht und kann bestimmte Dinge nicht akzeptieren, insbesondere diese psychischen Spielchen.

Zudem habe ich ein Problem damit, nicht die Wahrheit sagen zu dürfen, nur weil sich sonst irgendwer angepisst fühlt. Aber das gilt einzig allein nur dann, wenn jemand mir ein Gespräch aufzwingt, und mich mental belasten will. Dann bin ich der Auffassung, dass das Gegenüber Kritik aufnehmen muss.

Ich bin übrigends sehr kritikfähig. Problem: Nur sehr wenige schaffen es, mir die Dinge so zu erklären, dass ich sie auch verstehe. Meistens liegt es daran, dass sie auch nicht den Durchblick haben ODER ich einfach nur richtig liege. Selten kommt es vor, dass ich falsch liege. Aber dann lasse ich mich auch gerne korrigieren, weil ich dann noch etwas lernen und wachsen kann.

Ich habe kein Problem mit dem Unfug anderer, wenn es mich nicht objektiv belastet.

Beziehungsfähigkeit ist eingeschränkt. Man ist eine Person, um die man sich kümmern muss, oder man lässt sie komplett alleine. Aber niemals sollte man einen Asperger in etwas hineindrängen, was er nich vorher durchdacht hat. Soziale Interaktion ist nur dann stabil, wenn der Asperger einen "sozialen Katalysator" hat, der einen beim schließen von Freundschaften unterstützt und das Umfeld darür sensibilisiert, ihn nicht einfach so mit irgendetwas ad hoc zu belasten.

Wenn ein Asperger Vertrauen hat, wird in seinem Interessensgebiet alles geben, sofern es keine Probleme gibt. Druck ist wesentlicher Faktor, den ein Asperger dazu veranlasst, sich zurückzuziehen. Man sollte einen Asperger also ein Problem vollstündig analysieren lassen, bevor man ihn damit belastet.

Asperger mögen Routinen, also einen geplanten Tag, aber sie mögen keine Ad ahoc Absprachen. Sie mögen reduziertes unkompliziertes Leben. Man sollte ihnen zum Beispiel nicht die Aufgabe geben, die Wohnung sauberzumachen, die man vorher mit Deko zugepflastert hat und er im alles herumsaugen muss.

Wenn ein Asperger sich etwas in den Kopf gesetzt hat, kann er über Wochen konzentriert an ein und derselben Sache bis zur Perfektion arbeiten. Natürlich nur in seinem Interessensgebiet. Neue Interessensgebiete werden auch gerne entschlossen, aber das sollte ohne Druck geschehen.

Ich will es mal so sagen: Ein Asperger macht einem sehr viel Sozialarbeit, aber man kann ihn zu Höchstleistungen führen, wenn er keinen Stress verspürt. Er ist also sehr stressensibel.

Außerdem sind Asperger auch natürliche Detektoren für Narzisten. Sie merken relativ schnell ungesunde soziale Dynamiken, die auf Täuschung und Lügen basieren.

Und ja. Asperger können nach viel Übung auch sehr sozial sein.


Pumagirl21x 
Beitragsersteller
 16.06.2024, 17:36

Wow, danke. Das ein wirklich interessanter und wertvoller Einblick in eure Welt. Kann es sein, dass Asperger selbst häufig zu Narzissmus neigen, oder erscheint es nur so aufgrund ihrer eingeschränkten empathiefähigkeit?

Und ja. Asperger können nach viel Übung auch sehr sozial sein.

Ist es dann mehr "antrainiert", oder sind sie sozial aufgrund aufrichtiger Gefühle.

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oopexpert  16.06.2024, 23:30
@Pumagirl21x

"Kann es sein, dass Asperger selbst häufig zu Narzissmus neigen, oder erscheint es nur so aufgrund ihrer eingeschränkten empathiefähigkeit?"

Ich bin kein Asperger, sondern nur sehr nah dran. Ausgeschlossen ist es nicht, aber ich denke, das Asperger eher in die zu lösenden Aufgaben verliebt sind und sich nicht sehr um ihre Außenwirkung scheren.

"Ist es dann mehr "antrainiert", oder sind sie sozial aufgrund aufrichtiger Gefühle."

Eher antrainiert. Aber Empathiedefizite äußern sich fast nie in Boshaftigkeit, sondern eher in Unbeholfenheit. Zudem bedeuten die Empathiedefizite nicht, dass Notsituationen nicht erkannt werden und dann nicht gehandelt wird. Auf abstrakter Ebene wird Not achon erkannt, führt aber eher weniger zu emotionalen Regungen... "Oh ein Unfall! Ich rufe Polizei und Rettungswagen und gucke mal nach wie schwer die Verletzungen sind." Es ist also eher eine nüchterne Anteilnahme an kritischen Ereignissen.

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Eine schwierige Frage!

Sind alle Asperger gleich?

Bei meinem Sohn wurde die Diagnose erst mit Mitte 20 gestellt. Ich kann mich an viele Situationen in der Kindheit erinnern, in denen er andere umarmt und getröstet hat, vor allem auch mich. Er hatte auch langjährige Freunde und war in deren Familien gern gesehen.

Später hat er mir mal gesagt, es wäre viel Masking gewesen. Das bezweifele ich immer noch, weil ich mir nicht vorstellen kann, dass schon ein Kleinkind das anwendet.

Eine sehr rationale Partnerschaft, die auf gleichen Werten basiert, kann sicher funktionieren.

Die emotionale Seite hat ja auch in "normalen" Beziehungen ihre Tücken.


Pumagirl21x 
Beitragsersteller
 16.06.2024, 14:44

Vielen Dank. Das war sehr aufschlussreich. ❤

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Kommt drauf an. Habe selber das Asbergersyndom, und und bin schon emphatisch. Kritikfähig ist etwas schwieriger aber auch möglich. Kommt auf die Person selber an. Beziehungen sind normalerweise auch möglich.

Kommt aber auch alles auf die Person selber an. Sie unterscheiden sich von anderen Personen, aber nicht so stark (zumindest wenn es nicht so stark ausgeprägt ist). Kann auch sein das ich so 1/2 Dinge mit dem Authismus verwechselt habe, aber habe mein bestes gegeben

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung

Asberger Syndrom ist nicht gleich Asberger Syndrom. Da gibt es viele Variationen. Der eine kann mit Gefühlen relativ gut umgehen, ein anderer so gut wie gar nicht. 😊

Lg

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung – Das Leben ist mein Lehrmeister