Kinder in der Antike - unfreier als Kinder heutzutage?
Ich benötige ein Sach- und Werturteil zu der oben genannten Fragestellung.
4 Antworten
Es gibt nicht das "Kind" in der Antike. Schon weil die Definition der Kindheit eine neue ist, und sich erst ab dem 18. Jahrhundert entwickelt hat. Sie hing sehr von äußeren Umständen ab.
Im römischen Reich besuchten fast alle Kinder, auch die der unteren Stände, eine Art Grundschule. Deren Lehrer waren als hart und oft prügelnd verschrien, und nicht hoch angesehen. Man hat auch viel Spielzeug gefunden: Puppen, kleine Pferdewagen, und es gab Ballspiele und Gesellschaftsspiele. Also Kinder haben auch gespielt, und es gibt viele Zeugnisse großer Elternliebe, wie herzzerreißende Nachrufe auf Grabsteinen.
Wie später auch noch haben Kinder durch "learning by doing" die Berufe der Väter und teilweise auch der Mütter gelernt, und das fing an, sobald sie verständig dazu schienen.
Patrizische Jungen hatten eine lange schulische Ausbildung, und wuchsen behütet auf. Mädchen auch, sie wurden auf Ehe und Mutterschaft vorbereitet, erhielten aber auch oft eine gute Bildung. Per Gesetz konnten sie ab 12 verheiratet werden, in der Praxis war es aber meistens später, mit 15 oder 16.
Nicht vergessen darf man die vielen Sklavenkinder in der Antike. Sie wurden halt eher als Sklaven als als Kinder angesehen. Es wurde erwartet, dass sie ab 4, 5 Jahre im Haushalt mithalfen, wurden je nach Laune ihres Herren ausgebildet, verhätschelt, vernachlässigt oder auch leider Zielscheibe von sexuellem Interesse der Erwachsenen. Sie waren zwar vor Fremden, aber nicht vorm eigenen Haushalt geschützt (Der Schutz betraf das Eigentumsrecht ihrer Besitzer, nicht ihr Recht als Kinder)
Es war in den verschiedenen Kulturen extrem unterschiedlich. Ein Patrizierkind im Römischen Reich hatte sicher viel mehr Freiheiten und Möglichkeiten als ein Kind aus Sparta. Ich gehe sogar davon aus, dass im Römischen Reich zumindest die Kinder der Oberschicht es besser hatten als die Kinder der Oberschicht im 19. Jahrhundert.
Was sicherlich in allen Zeiten und Kulturen gleich ist, ist das Jammern verbitterter Alter über die jeweilige Jugend. Da habe ich grade wieder ein paar Zitate entdeckt:
- „Die Jugend achtet das Alter nicht mehr, zeigt bewusst ein ungepflegtes Aussehen, sinnt auf Umsturz, zeigt keine Lernbereitschaft und ist ablehnend gegen übernommene Werte“ (Keller, 1989, ca. 3000 v. Chr., Tontafel der Sumerer).
- „Unsere Jugend ist heruntergekommen und zuchtlos. Die jungen Leute hören nicht mehr auf ihre Eltern. Das Ende der Welt ist nahe“ (Keilschrifttext, Chaldäa, um 2000 v. Chr.)
- „Die heutige Jugend ist von Grund auf verdorben, sie ist böse, gottlos und faul. Sie wird niemals so sein wie die Jugend vorher, und es wird ihr niemals gelingen, unsere Kultur zu erhalten“ (Watzlawick, 1992, ca. 1000 v. Chr., Babylonische Tontafel).
- „Denn der Sohn verachtet den Vater, die Tochter steht wider die Mutter, die Schwiegertochter wider die Schwiegermutter“ (Micha 7, Altes Testament um 725 v. Chr.)
- „Nicht ist der Vater dem Kind, das Kind dem Vater gewogen – Nicht ist der Bruder lieb, wie er doch früher gewesen; bald versagen sie selbst den greisen Eltern die Ehrfurcht“ (Hesoid, vor 700 v. Chr.)
- „Die Kinder von heute sind Tyrannen. Sie widersprechen ihren Eltern, kleckern mit dem Essen und ärgern ihre Lehrer“ (Sokrates, 470-399 v.Chr.)
- „Die Jugend von heute liebt den Luxus, hat schlechte Manieren und verachtet die Autorität. Sie widersprechen ihren Eltern, legen die Beine übereinander und tyrannisieren ihre Lehrer. (Sokrates, 470-399 v.Chr.)
Danke für deine Berichtigung. Ich kenne eben nur die bekannten Zitate und davon sind sehr viele im Internet zu finden. Ich habe als Legastheniker Null Sprachkenntnis und verlasse mich dementsprechend auf Quellen und gerade Sokrates wird in dem Zusammenhang immer wieder gerne zitiert.
Hm, kann man tatsächlich darüber diskutieren.
Früher hatten die Kinder zwar weniger Freizeit, aber dafür hatten sie "echte" Freizeit.
https://www.grin.com/document/502434
https://kinderuni.online/wp-content/uploads/sites/11/2020/06/kinderrechte-in-der-antike-1.pdf
Der Hinweis auf Unterschiede in verschiedenen Kulturen und nach sozialer Stellung ist nützlich.
Bei dem, was als angebliches Zitat genannt wird (oft ohne genaue Stellenangaben), ist in vielen Fällen Vorsicht angebracht. Vieles, was auf Internetseiten als Zitat angegeben wird, ist nicht echt.
Bei den Keilschrifttexten auf einer Tontafel (mit unterschiedlichen Datierungen und kulturellen Zuordnungen [sumerisch, chaldäisch, babylonisch]) gibt es anscheinend nur eine einzige mögliche Grundlage, wobei Übersetzung und Datierung wohl ungenau waren. Dies als mehrere Texte zu behandeln und Zusätze einzufügen ist Verfälschung.
https://quoteinvestigator.com/2012/10/22/world-end/
Ein ordentliches Vorgehen wäre, das Original und seinen Aufbewahrungsort anzugeben bzw. auf eine Veröffentlichung mit Originaltext und Übersetzung, die solche Angaben enthält, hinzuweisen.
Das angebliche Sokrates-Zitat über die den Luxus liebende Jugend ist nicht echt.
https://www.gutefrage.net/frage/in-welchen-zusammenhang-behauptete-sokrates-das#answer-169518749
https://falschzitate.blogspot.com/2017/04/die-jugend-liebt-heutzutage-den-luxus.html
„Die Kinder von heute sind Tyrannen. Sie widersprechen ihren Eltern, kleckern mit dem Essen und ärgern ihre Lehrer“ ist auch nicht echt und geht ebenfalls auf die englische Veröffentlichung von 1907 zurück.