Kennt jmd. Schopenhauers Ausführungen zur Willensfreiheit?
Hallo,
habe mal wieder eine Frage zu Philosophie:
In seinen Erläuterungen zum Thema "Willensfreiheit" verdinglicht Schopenhauer den Menschen. (vorgelegte These)
Kann mir da jmd. helfen? Inwiefern verdinglicht er ihn denn? Ich kann das nicht herauslesen...
Danke.
3 Antworten
Es ist mir nicht ganz klar, was hier mit 'verdinglichen' gemeint ist. Auf jeden Fall spricht Schopenhauer dem Menschen die absolute Willensfreiheit ab: "Der Mensch kann zwar tun, was er will, aber er kann nicht wollen, was er will. "
Schopenhauer betrachtet den Willen als grund- und ziellosen blinden Drang. Dazu gehören physikalische Ursachen, Reize und Motive. Da wir unter 'Ding' etwas Materielles verstehen, werden die anderen Ursachenarten nicht berücksichtigt. Deshalb wäre 'Verdinglichung' schon falsch.
In seinem Aufsatz zur Willensfreiheit vergleicht er die Freiheit des Menschen, der zu sich sagt:
- „Es ist 6 Uhr abends, die Tagesarbeit ist beendigt. Ich kann jetzt einen Spaziergang machen; oder ich kann auch auf den Turm steigen, die Sonne untergehen zu sehen; .... ja, ich kann auch zum Tor hinauslaufen, in die weite Welt, und nie wiederkommen. ...“
mit der 'Freiheit' des Wassers:
- "Das ist gerade so, als wenn das Wasser spräche: „Ich kann hohe Wellen schlagen; ich kann reißend hinabeilen; ich kann schäumend und sprudelnd hinunterstürzen;ich kann endlich gar verkochen und verschwinden; tue jedoch von dem allen jetzt nichts, sondern bleibe freiwillig, ruhig und klar im spiegelnden Teiche.“
Also ein Aequivalentsetzen eines Geisteszustands mit einem Ding. M.E. ein unzulässiger Vergleich.
DH - sehr gut die beiden Zitate. Man kann das als Verdinglichung des Menschen betrachten, weil das "Ding" Wasser zum Maßstab genommen wird. Genau genommen allerdings erreicht Schopenhauer diesen Vergleich mit einer VERMENSCHLICHUNG des Wassers, und das ist in der Tat fragwürdig, weil dem Wasser damit Bewusstsein zugesprochen wird. Auch dem berühmten Zitat "Der Mensch kann zwar tun, was er will, aber er kann nicht wollen, was er will. " ist entgegenzusetzen, dass der Mensch im Wollen freier ist als im Tun, weil er erst in der Umsetzung die Grenzen der Naturgesetze zu spüren bekommt. Diese Problematik entsteht Schopenhauer vor allem durch seine Umdeutung von Kants WELT AN SICH in einen grund- und ziellosen blinden Drang und ist dabei nicht frei von indisch angehauchter Religiosität.
Hallo! Noch eine Ergänzung zu dem Begriff der „Verdinglichung“ des Menschen. Es könnte auch so gemeint sein: Der Mensch wird von Schopenhauer als „Ding an sich“ behandelt insofern, als er mit seinem „Willen“ unmittelbar mit dem universalen „Ding an sich“, dem Urwillen, verbunden ist. Im Gegensatz zu Hegel akzeptiert Schopenhauer ja Kants Ansatz, dass die Wirklichkeit hinter der Welt der Erscheinungen für das subjektive Ich unerkennbar bleibt. (Hegel ist der Meinung, durch Selbsterkenntnis der absoluten Vernunft werden die „Dinge an sich“ eines Tages in Erscheinung treten). Doch es gibt eine Hintertür in die Welt der „Dinge an sich“, sozusagen eine unterirdische Passage dadurch, „dass wir selbst dieses Ding an sich sind“; ein Gedanke, den Schopenhauer als implizit in Kants Werk angelegt behauptet, den Kant jedoch übersehen habe. Dieses Ding an sich ist also der Wille, der einerseits in der Welt der Erscheinungen als Wille zum Leben durch meine Vorstellung „erschaut“ werden kann, andererseits aber meinem subjektiven Selbst angehört und sich mir unmittelbar offenbart. Allerdings gehört der Wille nicht allein zum Individuum, sondern ist eine universelle Antriebskraft (s.o.), die sich, gefangen im individuellen Wesen, durch ihr unersättliches Verlangen manifestiert, sich der Welt der Erscheinungen zu offenbaren.
ok dankeschön!! =) das ist wirklich gut nachvollziehbar, wie du es schilderst.
Der Mensch hat nach Schopenhauer deshalb keinen freien Willen, weil sein Wille die Erscheinungsform eines Urwillens ist, der sich in allen Lebewesen aufsplittert bzw. manifestiert. Der Urwille allein ist frei, nicht die von ihm abgeleiteten Einzelwillen. Erst wenn der Urwille etwas anderes will, kann der Einzelwille ihm folgen und eine Änderung herbeiführen: Er meint dann, sein freier Wille hätte das bewirkt, in Wahrheit war es das Werk des Urwillens. Über die Willensfreiheit des Individuums, das aus ihr seine Würde bezieht, kann Schopenhauer nur höhnen: „Wir können tun, was wir wollen, aber wir können nie anderes wollen, als was wir wollen. So ist die Vernunft eine Marionette des Urwillens, und was sie aufgeregt zappeln lässt, ist die nützliche Illusion, sie sei autonom“. „Verdinglichung des Menschen“ kann nur heißen, dass Schopenhauer aus dem Menschen, seiner Vernunft eine willenlose Drahtpuppe des Urwillens macht, sozusagen also ein „Ding“, das von dem „Ding an sich’, also dem Urwillen, gelenkt wird.