kennt irgendjemand ein langes winterliches gedicht?

2 Antworten

Der erste Schnee

Ei, du liebe, liebe Zeit,
ei, wie hat´ s geschneit, geschneit!
Rings herum, wie ich mich dreh´ ,
nichts als Schnee und lauter Schnee.
Wald und Wiesen, Hof und Hecken,
alles steckt in weißen Decken.

Und im Garten jeder Baum,
jedes Bäumchen voller Flaum!
Auf dem Sims, dem Blumenbrett
liegt er wie ein Federbett.
Auf den Dächern um und um
nichts als Baumwoll´ rings herum.

Und der Schlot vom Nachbarhaus,
wie possierlich sieht er aus:
Hat ein weißes Müllerkäppchen,
hat ein weißes Müllerjöppchen!
Meint man nicht, wenn er so raucht,
dass er just sein Pfeifchen  schmaucht?

Und im Hof der Pumpenstock
hat gar einen Zottelrock
und die ellenlange Nase
geht schier vor bis an die Straße.
Und gar draußen vor dem Haus!
Wär` nur erst die Schule aus!

Aber dann, wenn`s noch so stürmt,
wird ein Schneemann aufgetürmt,
dick und rund und rund und dick,
steht er da im Augenblick.
Auf dem Kopf als Hut `nen Tiegel
und im Arm den langen Prügel
und die Füße tief im Schnee
und wir rings herum, juhe!

Ei, ihr lieben, lieben Leut´. 
was ist heut` das eine Freud`! 

Friedrich Wilhelm Güll, 1812-1879, deutscher Dichter

Friedrich Güll

Das Büblein auf dem Eise

Gefroren hat es heuer

noch gar kein festes Eis.

Das Büblein steht am Weiher

und spricht zu sich ganz leis:

»Ich will es einmal wagen,

das Eis, es muß doch tragen.

Wer weiß!«

Das Büblein stapft und hacket

mit seinem Stiefelein.

Das Eis auf einmal knacket,

und krach! schon bricht's hinein.

Das Büblein platscht und krabbelt,

als wie ein Krebs und zappelt

mit Arm und Bein.

»O helft, ich muß versinken

in lauter Eis und Schnee!

O helft, ich muß ertrinken

im tiefen, tiefen See!«

Wär' nicht ein Mann gekommen –

der sich ein Herz genommen,

o weh!

Der packt es bei dem Schopfe

und zieht es dann heraus,

vom Fuße bis zum Kopfe

wie eine Wassermaus.

Das Büblein hat getropfet,

der Vater hat's geklopfet

zu Haus.

Gottfried Keller

Winternacht

Nicht ein Flügelschlag ging durch die Welt,
Still und blendend lag der weiße Schnee.
Nicht ein Wölklein hing am Sternenzelt,
Keine Welle schlug im starren See.

Aus der Tiefe stieg der Seebaum auf,
Bis sein Wipfel in dem Eis gefror;
An den Ästen klomm die Nix herauf,
Schaute durch das grüne Eis empor.

Auf dem dünnen Glase stand ich da,
Das die schwarze Tiefe von mir schied;
Dicht ich unter meinen Füßen sah
Ihre weiße Schönheit Glied um Glied.

Mit ersticktem Jammer tastet` sie
An der harten Decke her uns hin -
Ich vergess das dunkle Antlitz nie,
Immer, immer liegt es mir im Sinn!