Karl Poppers Induktionskritik?

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Der erste Satz ist klar. Bleiben wir beim Beispiel der Schwäne: Da wir unmöglich alle im Universum existierenden Schwäne berücksichtigen können, können wir nicht aufgrund von unserer Erfahrung ableiten, dass ALLE Schwäne weiß seien.

Der zweite folgt daraus: Auch wenn wir den Satz "alle Schwäne sind weiß" aufgestellt haben sollten und er sich wiederholt als zutreffend erwiesen haben sollte, heißt das grundsätzlich nicht, dass der nächste Schluss, den wir ziehen, ebenso zutrifft. Sonst würde man aus dem Funktionieren des einen Schlusses ableiten, dass eine weitere Schlussfolgerung richtig sein könnte (Meinetwegen so etwas wie die ähnliche Aussage "Alle Spinnen haben immer acht Beine" - dazu: es existieren genetisch gezüchtete zehnbeinige Spinnen). Dafür aber gibt es keinerlei Grundlage. (Vgl. Satz 1: Auch noch so viele funktionierenden Schlussfolgerungen sagen grundsätzlich gar nichts darüber aus, ob eine andere Schlussfolgerung zutreffen wird oder nicht.)

Dies führt zum dritten Satz. Es schallt aus dem Walt immer so heraus, wie man hineinruft. Es gibt kein "voraussetzungsloses Denken" in dem Sinne, dass wir ohne jede Prämisse und ohne jeden Einfluss stünden. Folglich nehmen wir die Welt um uns auch nie unbeeinflusst wahr (auch wenn wir das von uns behaupten mögen), sondern wir sind selbst in unserer Wahrnehmung von Problemen und Theorien geleitet und daher in diesen Vorstellungen gefangen. Aus dem (vermeintlich) gültigen Satz "Alle Schwäne sind immer weiß" eine fragliche Gültigkeit von "Alle Spinnen sind immer achtbeinig" abzuleiten (wie in Satz 2) wäre also gerade nicht unbeeinflusst, da wir ja die Gültigkeitsdynamik induktiv auf andere Sätze (wie "Alle Spinnen...") übertragen würden...

Wir können also immer nur mit Indizien und Annahmen rechnen, aber nie davon ausgehen, dass keine (schwarzen) Trauerschwäne existieren oder, vielleicht auf anderen Welten, rosarote Einhornschwäne... Die Wahrscheinlichkeit ihrer Existenz nimmt auch nicht dadurch ab, dass auf der Erde vielleicht noch nie welche gelebt haben.
Wobei, ganz streng genommen, auch dies eine nicht voraussetzungslose Schlussfolgerung im Sinne des dritten Satzes wäre... Denn aus Satz 1 und Satz 2 würde logisch zwingend die Nichtexistenz von Gesetzmäßigkeiten folgen: AN SICH gibt es keine Begründung dafür, dass das Universum sich nicht von einer Tausendstelsekunde zur nächsten komplett anders verhält oder schlicht aufhört. Seltsamerweise aber tut es das aber seit mrd. von Jahren nicht, sondern läuft genauso weiter... Insofern müsste man Poppers Induktionskritik auch wieder kritisieren als entweder zu harsch oder nicht ganz konsequent. Vielmehr müssten wir in der Tat von einer Balance der Legitimität und Beobachtung ausgehen und vorsichtig unsere vermeintlichen Gesetzmäßigkeiten als Gewohnheitswerte anerkennen. Immerhin bleibt trotz der Existenz von Trauerschwänen weiterhin jeder normale Schwan auch weiterhin weiß. Ein einziger Induktionsfehler widerlegt also auch nicht die induzierte Regel grundsätzlich, sondern formuliert zunächst einmal lediglich einen Sonderfall: In gewisser Weise widerlegt Poppers Satz 1 damit zugleich auch Satz 2 und 3... (Denn der Satz "Jeder einmal nachgewiesene Induktionsfehler widerlegt die jeweils betroffene Induktion im Grundsatz" ist gemäß Poppers Satz 1 der Induktionskritik unmöglich absolut zuverlässig.)

Du kannst nicht beweisen, dass alle Schwäne weiß sind. Auch, wenn Du schon 10.000 weiße gesehen hast, kann jeden Moment ein schwarzer um die Ecke kommen.


VielZuVielViel 
Beitragsersteller
 31.05.2022, 22:37

Danke! Hättest du noch ne Ahnung was die beiden anderen Punkte bedeuten könnten?

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