kann mir jmd sagen warum der edelste Beruf für Cicero der Ackerbau war?

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Marcus Tullius Cicero war ein Römer und bei den Römern war ein Lob des Ackerbaus traditionell, z. B. Marcus Porcius Cato (234 – 149 v. Chr.), De agri cultura (Über den Ackerbau), Praefatio. Cato erklärt, aus Landwirten entstünden höchst tapfere Männer und äußerst tüchtige Soldaten. Der Erwerb durch Landwirtschaft/Ackerbau sei rechtschaffen, äußerst stabil und am wenigsten angefeindet/beneidet. Wer mit dieser Tätigkeit eifrig beschäftigt sei, käme am wenigsten auf schlechte Gedanken.

Für Cicero gilt Landwirtschaft als gesellschaftlich passend/standesgemäß, auf sichere gewinnbringend, angenehm und eines freien Menschen würdig.

Cicero denkt wohl an vornehme und wohlhabende Gutsbesitzer. Cicero zielt nicht auf tatsächliche harte körperliche Strapazen abzielt (dafür wurden damals in großem Ausmaß Sklaven eingesetzt), sondern auf eine Stellung als Großgrundbesitzer.

Marcus Tullius Cicero hat zur Arbeit einen Standpunkt, der nach der antiken Überlieferung über lange Zeit bei den Griechen und Römer vorherrschte. Seine Meinung entspricht der Auffassung der Oberschicht und einem philosophischen Denkansatz, der z. B. bei Platon und Aristoteles zu finden ist.

Es wird zwischen frei gewählter Tätigkeit und Arbeit unterschieden. Ein wichtiger Bereich, in dem Lebensziele verwirklicht werden, ist die Muße (σχολή; otium). Sie ist nicht mit faulem Müßiggang gleichzusetzen, sondern ein Tätigsein (geistige Betätigung bildet dabei einen bedeutenden Bestandteil). Im Gegensatz dazu steht die Arbeit, die zum Lebensunterhalt notwendig ist und eine Mühe und Last darstellt (Bezeichnungen: πόνος; labor). Die Ergebnisse/Produkte dieser Arbeit können als nützlich beurteilt oder geschätzt werden, aber die Arbeit wird geringgeschätzt.

Denn das Ideal ist ein von materiellen Sorgen um seinen Lebensunterhalt freier Bürger, der sich der selbstbestimmten Entwicklung seiner Fähigkeiten widmet und handelnd an der Gestaltung der Gemeinschaft mitwirkt (Politik und Recht sind z. B. Bereiche, die Cicero für passend hält).

Eine abhängige Lohnarbeit weicht von der angestrebten Lebensweise ab. Harte körperliche Arbeit aus Notwendigkeit trifft daher Geringschätzung. Auch von Erwerbsgier bestimmte Arbeit wird abgelehnt, weil das Lebensziel dabei falsch gewählt und unwürdig ist.

Cicero bringt Tätigkeiten Wertschätzung entgegen, die auf Klugkeit /Einsicht (prudentia) beruhen.

Die gesellschaftliche Stellung bestimmt, welche Berufe als standesgemäß in Frage kommen.

Politisch-militärische Tätigkeit in Ämtern und die Vertretung von Klienten vor Gericht versteht Cicero nicht als Erwerbszweig (quaestus), insofern nicht als Beruf.

Bei den Berufen gibt es Unterscheidungen, welche als angemessen und ehrenhaft gelten und welche als minderwertig und unehrenhaft (aus moralischen und sozialen Gründen), wobei ein schichtgebundene Bewertung vorliegt. Als angemessen und passend, da eines Freien würdig, gelten Berufe, deren Zweck dauernder Nutzen (utilitas) oder Ehre (honos) sind und nicht die bloße Notwendigkeit (necessitas) oder die vergängliche Lust (voluptas). Sie sind gesellschaftlich angesehen oder zumindest akzeptabel.

Eine Kernstelle ist Cicero. De officiis 1, 150 – 151:

150 Iam de artificiis et de quaestibus qui liberales habendi, qui sordidi sint, haec fere accepimus. Primum improbantur ii quaestus, qui in odia hominum incurrunt, ut portitorum, ut feneratorum. Illiberales autem et sordidi quaestus mercennariorumomnium, quorum operae, non quorum artes emuntur; est enim in illis ipsa merces auctoramentum servitutis. Sordidi etiam putandi, qui mercantur a mercatoribus, quod statim vendant; nihil enim proficiant, nisi admodum mentiantur; nec vero est quicquam turpius vanitate. Opificesque omnes in sordida arte versantur; nec enim quicquam ingenuum potest habere officina. Minimeque artes eae probandae, quae ministrae sunt voluptatum 'cetarii, lanii, coqui, fartores, piscatores', ut ait Terentius. Adde huc, si placet, unguentuarios, saltatores, totumque ludum talarium.

151 Quibus autem artibus aut prudentia maior inest aut non mediocris utilitas quaeritur ut medicina, ut architectura, ut doctrina rerum honestarum, eae sunt iis, quorum ordini conveniunt, honestae. Mercatura autem, si tenuis est, sordida putanda est; sin magna et copiosa, multa undique apportans multisque sine vanitate impertiens, non est admodum vituperanda; atque etiam si satiata quaestu et contenta potius, ut saepe ex alto in portum, ex ipso se portu in agros possessionesque contulit, videtur iure optimo posse laudari. Omnium autem rerum, ex quibus aliquid adquiritur, nihil est agricultura melius, nihil uberius, nihil dulcius, nihil homine, nihil libero dignius.


Albrecht  20.11.2012, 21:55

„150 Was ferner die handwerklichen Berufe und Erwerbszweige angeht, welche als eines Freien würdig, welche als schmutzig zu gelten haben, haben wir etwa folgendes mitgeteilt bekommen/als geltend übernommen. Zunächst werden die Erwerbszweige mißbilligt, die auf Haßgefühle der Menschen stoßen, wie die der Zöllner oder der Geldverleiher. Eines Freien unwürdig und schmutzig sind ferner die Erwerbsformen aller Tagelöhner, deren Arbeitsleistungen gekauft werden, nicht deren Kunstfertigkeiten/handwerkliche Geschicklichkeiten. Denn es ist bei ihnen der Lohn Handgeld für Knechtstätigkeit/Sklavendienst. Für schmutzig muß man auch diejenigen halten, die von den Großhändlern Waren erhandeln, um sie sofort weiter zu verkaufen. Denn sie erzielen keinen Gewinn/Profit, wenn sie nicht in hohem Grad lügen. Es gibt aber nichts Schändlicheres als Unwahrhaftigkeit. Auch alle Handwerker befassen sich mit einem schmutzigen Gewerbe; denn eine Werkstatt kann nichts Edles an sich haben. Am wenigsten kann man die Fertigkeiten gutheißen, die Dienerinnen der Lüste sind: 'Fischhändler, Metzger, Köche, Geflügelhändler und Fischer' wie Terenz sagt. Füge, wenn es gefällt, hinzu: Salbenhändler, Tänzer und alle Volksbelustiger/Unterhaltungskünstler.

151 Diejenigen Fertigkeiten aber, bei denen entweder größere Klugheit beteiligt ist oder durch die ein nicht mittelmäßiger Nutzen angestrebt wird wie bei der Medizin, bei der Architektur und dem Unterrichten in ehrenhaften Gegenständen sind für die, deren Stand sie zukommen, ehrenhaft. Der Handel aber ist, wenn er kleinem Rahmen geschieht, für schmutzig zu halten; wenn er dagegen im großen und umfangreichen Rahmen geschieht, vieles von überallher herbeischafft und es vielen ohne Betrug zur Verfügung stellt, dann darf man ihn durchaus nicht tadeln, und wenn er dann sogar, gesättigt mit Gewinn oder vielmehr zufriedengestellt, sich häufig von hoher See in den Hafen und direkt vom Hafen auf seine Landbesitzungen zu begeben pflegt, scheint er mit bestem Recht gelobt werden zu können. Von allen den Erwerbszweigen aber, aus denen irgendein Gewinn gezogen wird, ist nichts besser als die Landwirtschaft, nichts einträglicher, nichts angenehmer, nichts eines Menschen, nichts eines Freien würdiger.“

eine Untersuchung der Stelle:

Klaus Scherberich, Zur sozialen Bewertung der Arbeit bei Cicero, De officiis 1, 150f. In: Detlev Dormeyer, Folker Siegert, Jacobus Cornelis de Vos (Hg.), Arbeit in der Antike, in Judentum und Christentum. Berlin ; Münster : LIT-Verlag, 2006 (Münsteraner judaistische Studien ; Band 20), S. 86 - 97

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Den Ackerbau hat er gelobt aber vom Handwerk hielt er dies: "alle Handwerker befassen sich mit einem schmutzigen Gewerbe; denn eine Werkstatt kann nichts Edles an sich haben." Da hatte er als Schriftsteller, Philosoph und Redner doch nicht die Bodenhaftung, die man von ihm erwarten konnte. Er hatte wohl eher ein Vorbild aus der alten griechischen Welt: "Hesiod (griech. Ἡσίοδος Hēsíodos; * vor 700 v. Chr. vermutlich in Askra in Böotien) war ein griechischer Dichter, der als Ackerbauer und Viehhalter lebte." (Wiki) Das hätte er ja auch machen können der gute Cicero, aber er sah halt den Ackerbau aus der Ferne als schön und romantisch an. Und ob die Bauern die besseren Soldaten waren, als die Handwerker, da sie ja mit Rüstung und Waffen zurechtkommen mussten, wage ich auch zu bezweifeln.