Kann man die Aussage "ich nehme wahr" widerlegen?
Der Satz "cogito ergo sum" ist so formuliert ja nicht ganz zutreffend. Eigentlich müsste man sagen, ich nehme "mich" beim denken wahr und die Wahrnehmung des "Ichs" (beim Denken) gibt mir eine Vorstellung von der Existenz "meines Ichs". Wenn man sein Ich(1) jedoch wahrnimmt, heißt das ja immer, dass das eigentliche Ich (2) durch die Wahrnehmung interpretiert wird und man sich somit nicht sicher sein kann, ob das eigentliche Ich(2) mit dem wahrgenommenen Ich(1) übereinstimmt. Dieses Problem, dass die Wahrnehmung immernur eine Interpretation des "Eigentlichen" darstellt, ist nicht nur auf die Selbstwahrnehmung, sondern auf jede andere Art der Wahrnehmung auch anzuwenden. Ich kann mir also nie sicher sein, ob die Wahrnehmung die Wirklichkeit(quasi die "höchste Realität"=die Welt die ein Wesen wahrnimmt, dass eine vollkommene Wahrnehmung hat) abbildet, ich seh immernur meine wahrgenommene Welt. D.h. die Aussagen, die ich über die wahrgenommene Welt treffe(dazu gehört auch mein "Ich") sind niemals eine gesicherte Erkenntnis über die "höchste Realität" sondern maximal gesicherte Erkenntnis in meinem System Wahrnehmung. Aber ist die Erkenntnis "ich nehme(im Moment) wahr" in dem System der höchsten Realität eine gesicherte Erkenntnis bzw. kann man diese Aussage widerlegen. ( Denn wenn man z.B. bewusstlos ist, nimmt man nicht wahr, kann aber eben auch nicht die Aussage formulieren...) Ist ein bisschen spät, aber der Gedanke lässt mich nicht schlafen
6 Antworten
Das Sein, die Existenz, hängt nicht vom Denken ab sondern das Denken hat als Voraussetzung die Existenz. Du kannst widerlegen, soviel Du willst, aber Du kannst weder Deinen Durst noch Deinen Hunger noch Dein Schlafbedürfnis abschalten. Mit keiner Widerlegung. Ansonsten kannst Du frei rumspinnen, was, wann, wo, wie interpretiert werden kann. Das einzige Problem dabei ist, wenn Du es nur zum Spaß machst, gut, andere Leute gehen reiten oder Fußball spielen. Aber Du wirst nicht umhin kommen, in dieser Gesellschaft Deinen Lebensunterhalt zu erwerben, damit Du trinken, essen oder sittsam schlafen kannst. Ansonsten juckt es keinen, ob Du Dich mit einem Schrubber oder mit einem Rasierapparat rasieren willst. Ersteres wird wohl etwas länger dauern.
Das Problem von Descartes war, dass er und seine gesamte dualistische Welt in zwei Welten lebten: Einmal in einer eingebildeten und zum andern in einer realen. Obwohl die Kirche damals die eingebildete Welt verwaltete und "wissenschaftlich" einbilden ließ, war sie in der realen Welt mit größter Brutalität darauf bedacht, ihre Macht dazu durchzusetzen. Dem musste sich auch Descartes beugen und nach den Niederlanden zurückziehen, wohin der Arm der Kirche nicht ganz so doll reichte. Wie immer er sein ICH auch definierte, in der Realität musste er sehr auf der Hut sein, dass die Inquisition seines Ichs samt anhaftendem Restkörper nicht habhaft wurde.
Hmmm. Hieß es nicht eigentlich "Ich denke, also bin ich"?
Das würde dann ja nur heißen, so lange ich denken kann, kann ich mir sicher sein, dass ich existiere. Von allem Anderen kann ich nur vermuten, dass es denken kann, also ist nicht gesichert, dass es existiert.
Aber ja, unsere Wahrnehmung ist immer nur eine Interpretation der Realität. Ich bin der relativ festen Überzeugung, dass es uns Menschen gar nicht möglich ist, die "wahre" Realität zu sehen. Immerhin sind wir subjektiv wahrnehmende Wesen.
Gruß Than
Ja, kann man. Vielleicht ist es ein Vorurteil zu glauben, daß man wahrnimmt. Es kann auch sein, daß die symbolische Ordnung gar nicht existiert und daß man so, wie man meint das man ist, reine Fiktion ist. Lies mal: 1. Zizek ein Sachkomik 2. Nietzsche: Also sprach Zarathustra 3. Über Lacan (in Wikipedia).
Ja, meiner Meinung nach ist diese Aussage widerlegbar.
Eins vorweg: Wenn wir davon reden, dass wir wahrnehmen, dann gehen wir auch davon aus, dass wir eigenbestimmt handeln können, weil wir ja auf die wahrgenommenen Reize entsprechend reagieren.
Wenn wir aber alles was existiert als deterministisches System sehen, in dem alles vorherbestimmt ist, so kann man zwar weiterhin davon ausgehen, dass der Denkprozess stattfindet - dieser ist aber auf einer metaphysischen Ebene nicht mehr als ICH zu bezeichnen, sondern als abstraktes ES, da alles determiniert ist und unser Denken nur als ein Programm angesehen werden kann, das einfach läuft und uns den Eindruck vermitteln soll, gedacht zu haben.
Natürlich wäre das Ganze aus unserer Perspektive wahrscheinlich nicht wahrnehmbar; wir würden denken, dass wir wirklich eigenständig denken, auch wenn es nicht so wäre.
In diesem Fall würden wir nicht denken oder handeln, sondern einfach existieren, im Fluss der Zeit mitfließen ohne darauf Einfluss nehmen zu können - zumindest aus der Metaebene aus gesehen. Auf unserer persönlichen Ebene wären wir natürlich überzeugt, dass wir eigenständig denken.
Fazit: Wenn das Denken nicht eigenständig ist, dann kann dem Ausspruch "cogito ergo sum" widersprochen werden.
Nein, Determinismus widerlegt nicht cogito ergo sum. Dass ich bin, heißt ja nicht notwendig, dass ich auch komplett oder überhaupt frei in meinen Entscheidungen oder aber auch in meinem Denken bin, auch wenn ich diesen Eindruck habe.
Dieser Eindruck kann Illusion sein, aber Illusion setzt jemanden voraus, der dieser Illusion unterliegen kann.
Jo, es sei ganz bestimmt auf deterministische Weise außer deiner Kontrolle geschehen, dass du auf diese Frage und ob du auf diesen Kommentar antwortest…
Die Frage des Determinismus bleibt seit langer Zeit eine der größten offenen Fragen. Mit ihm muss sowie seinem Gegenteil muss gedacht werden.
Das fängt leider schon damit an, dass deine Übersetzung und Interpretation des Satzes falsch sind. Cogito ergo sum heißt "ich denke, also bin ich" und entsprang Descartes' Zweifel an der Wirklichkeit der Welt. Denn nach seinen Überlegungen könnte genauso ein böser Gott um ihn eine Scheinwelt erzeugt haben und er könnte nie erfahren, was nun Realität ist und was nicht. Im Endeffekt schloss er jedoch, dass der Fakt, dass er denkt, ein Beweis für seine eigene Existenz ist. Er könne sich zwar nie sicher sein, ob die Umgebung "echt" wäre, seiner selbst kann er sich aber sicher sein!
Aber ist sein Selbst nicht auch durch die Selbstwahrnehmung geprägt. Und vielleicht täuscht ihn der böse Gott ja auch bei der Wahrnehmung seiner selbst...