Kann ich anhand der Säurekonstante ermitteln, in welchen Molmengen die Reaktionspartner in einer Säuredissoziation in Wasser vorliegen?
Angenommen ich habe eine 0,1 molare Ammonium-Lösung in Wasser. Der pKs von Ammonium ist 9,2.
Somit ist die Säurekonstante Ks von Ammonium 10^-9,2 mol/L
Wenn ich jetzt wissen möchte, zu wie viel Mol Hydronium-Ionen und wie viel Mol Ammoniak die 0,1 mol Ammonium in einem Liter Wasser dissoziieren, kann ich das dann mit diesen Angaben ermitteln?
Die Reaktion ist NH4++H2O⇌NH3+H3O+
Das Massenwirkungsgesetz wäre hiermit:
Da jedes Hydronium-Ion mit der Bildung eines Ammoniakmoleküls einhergeht, ergibt sich bei bekannter Ammoniumkonzentration und bekannter Säurekonstante Ks: [H3O] wäre demnach 0,000007943282347 mol/L
Wenn aber von 0,1 mol/L Ammonium 0,000007943282347 mol/L zu Hydronium dissoziieren, dann liegen ja eigentlich nur 0,099992056 mol Ammonium vor. Ensprechend müsste im Massenwirkungsgesetz dann stehen:
Aber dann wäre das Ergebnis für [H3O] wiederum anders, mit 0,000007942966862 mol/L anstatt 0,000007943282347 mol/L.
Was mache ich falsch, bzw. wie werden die Konzentrationen der Reaktionspartner im Massenwirkungsgesetz bei gegebener Säurekonstanten und gegebener Ausgangskonzentration der Säure korrekt berechnet?
Mir ist bewusst, dass bei schwachsen Säuren dieser Unterschied in der Konzentration vor und nach Dissoziation vernachlässigt werden kann, da er sehr gering ist. Dennoch möchte ich es genau wissen. Und bei mittelstarken Säuren ist das wie ich meine auch ein echtes Problem.
1 Antwort
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Ja, das kannst Du — das muß auch so sein, denn die Natur bringt es ja auch irgendwie zustande, die notwendigen Zahlen auszurechnen. In einer c₀=0.1 mol/l Lösung von NH₄⁺ (pKₐ=9.2) bekommen wir einen pH von 5.099982831727029299 bzw.
c(NH₃) = 0.00000794233748695039302679 mol/l
c(NH₄⁺)= 0.09999205766251304960697321 mol/l
c(H₃O⁺) = 0.00000794359636259607498644 mol/l
c(OH¯) = 0.00000000125887564568195965 mol/l
Dein Fehler war, daß Du Näherungslösungen verwendet hast, die natürlich nur näherungsweise richtig sind. Um den pH einer NH₃-Lösung echt zu bestimmen, mußt Du alle Gleichgewicht richtig anschreiben und richtig lösen.
Wie ist der pH einer NH₃-Lösung? Nun, die erste Idee ist es, das Massenwirkungsgesetz für die Protolyse aufzuschreiben:
NH₄⁺ + H₂O ⟶ NH₃ + H₃O⁺
Wenn wir x=c(NH₃)=c(H₃O⁺) setzen, bekommen wir
und daraus bekommen wir x=c(NH₃)=c(H₃O⁺)=0.0000079429668748354153 mol/l bzw. pH=5.100017248618453. Du hast einen leicht anderen Wert bekommen, weil Du im Nenner des Massenwirkungsgesetzes eine zusätzliche Näherung c₀−x≈c₀ eingesetzt hast; das führt zum genäherten Resultat x=√(Kₐc₀). Das ist Dir selbst aufgefallen, aber Du hast daraus nicht ganz den richtigen Schluß gezogen, daß man nämlich bereits bei der Berechnung von x diese Korrektur berücksichtigen muß, nicht erst hinterher. In unserem Fall ist c(NH₄⁺)=c₀−x=0.0999920570331251646 mol/l.
Die berechneten Zahlen erfüllen exakt das Massenwirkungsgesetz Kₐ=x²/(c₀−x), was kein Wunder ist, weil wir sie ja genau so bestimmt haben. Aber sie sind immer noch nicht richtig.
Denn eine weitere Zutat fehlt in dieser Rechnung noch: Das Wassergleichgewicht. In der soeben berechneten Lösung summieren sich Konzentrationen von NH₄⁺ und H₃O⁺ zu exakt c₀=0.1 mol/l; diese Ladung wird in der realen Lösung durch die Gegenionen (z.B. Cl¯, wenn Du NH₄Cl gelöst hast) kompensiert. Wir erwarten aber auch noch Hydroxidionen, weil c(OH¯)=10¯¹⁴/c(H₃O⁺). Und das ist problematisch, denn diese ruinieren die Elektroneutralitätsbilanz der Lösung. Irgendwo steckt also noch eine Näherung drin, die wir gemacht haben und die das Ergebnis verferkelt.
Wir müssen also das Wassergleichgewicht von vorneherein mitnehmen. Dazu setzen wir x=c(H₃O⁺) und y=c(NH₃) als verschieden an (x>y, weil durchs Wassergleichgewicht noch zusätzlich H₃O⁺ entstehen) und überlegen uns, daß c(OH¯)=x−y. Dann geht es los:
Jetzt landen wir nicht bei einer quadratischen sondern einer kubischen Gleichung, die etwas schwieriger nach x aufzulösen geht. Es ist aber möglich, und ich habe einmal ausführlich beschrieben, wie man es macht:
Mit dieser Formel habe ich die Zahlen oben ausgerechnet. Du kannst überprüfen, daß die Lösung „korrekt“ ist, also alle fraglichen Gleichungen erfüllt:
- c(NH₄⁺)+c(H₃O⁺)−c(OH¯) ergibt genau c₀, also genau die Konzentration an Gegenionen, die das Ammoniumsalz mitgebracht hat.
- c(NH₃)+c(NH₄⁺) ergibt ebenfalls genau c₀, weil ja kein Stickstoff verloren geht.
- c(OH¯)⋅c(H₃O⁺) ergibt die Autoprotolysekonstante 10¯¹⁴ mol²/l²
- c(NH₃)⋅c(H₃O⁺)/c(NH₄⁺) ergibt die Säurekonstante Kₐ=10¯ᵖᴷᵃ
Meist kommt man mit den Näherungsformeln durch, aber wenn man es genau wissen will, dann muß man leider die Näherungsgleichungen verwerfen und alles ab ovo durchrechnen, wobei im Regelfall nur numerische Lösungen möglich sind; Dein Beispiel ist ja sehr einfach, weil nur ein einziges Säure/Base-Gleichgewicht vorliegt. Zitronensäure wäre z.B. deutlich schwieriger, aber natürlich zumindest numerisch lösbar.
![- (Reaktionsgleichung, Säure, chemische Reaktion)](https://images.gutefrage.net/media/fragen-antworten/bilder/534236973/0_big.png?v=1708183031000)
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