Jobcenter Kontoauszüge von vor 3-4 Jahren hilfe?
Hallo :)
Ich habe ein Problem undzwar wollte das Jobcenter ein Kontoauszug von den letzten 3 Monaten, was ich Ihnen auch zukommen lassen habe.
Da war jedoch eine Auszahlung von Tipico die sich auf 80€ belief. (jedoch nicht angegeben)
Nun will das Jobcenter Kontoauszüge vom 1.1.2019-31.10.2020 und Nachweise über den Zufluss von Glückspielgewinnen für die Jahre 2015-2016-2017-2018?? dürfen die das?
Vom 1.1.2019-31.10.2020 habe ich insgesamt ca. 1.600€ Ausgezahlt von Tipico jedoch mehr als das doppelte in dem Zeitraum eingezahlt...
Was kann ich machen? Muss ich es Ihnen zusenden?
Stecke zurzeit sowieso in einer Schwierigen lage und befinde mich mitten im Umzug.
Mit freundlich Grüssen
7 Antworten
Gewinne aus Glücksspielen (z. B. Sportwetten, Lotto) sind anrechenbare Einnahmen. Einsätze, bei denen keine Gewinne erzielt werden, können nicht gegengerechnet werden - der Einsatz, mit dem man den Gewinn erzielt, wird mindernd berücksichtigt.
10 € im Monat von solchen Einnahmen sind frei.
Da Du das nicht angegeben hast, bist Du Deiner Mitwirkungspflicht nicht nachgekommen - die rückwirkenden Kontoauszüge richten sich nach der Verjährungsfrist.
Zudem kann das auch rechtlich noch Konsequenzen haben - nach Deinen Angaben hast du in ca. 2 Jahren 1.600 € Gewinne nicht angegeben - es ist daher vorstellbar, daß das nicht mehr als konsequenzfreier Bagatellfall eingestuft werden könnte und zumindest ein Bußgeldverfahren (bis 5.000 €) eingeleitet wird, wenn man, für Dich begünstigend, Fahrlässigkeit unterstellt; ein Strafverfahren wäre auch noch denkbar.
Vom 1.1.2019-31.10.2020 habe ich insgesamt ca. 1.600€ Ausgezahlt von Tipico
also hast Du entgegen den Vorgaben wissentlich Einnahmen in "beträchtlicher" Höhe verschwiegen .... wieviel Geld Du eingesetzt / verloren hast, ist für das Amt gleichgültig.
siehe Antragsformular - Hauptantrag Seite 6 .....
https://www.hartziv.org/download/ALGII_Hauptantrag.pdf
Meine Mitwirkungspflichten
Personen, die Leistungen nach dem SGB II beantragen oder erhalten, sind mitwirkungspflichtig: Das bedeutet, alle Angaben im Antrag und in den hierzu eingereichten Anlagen müssen richtig und vollständig sein. Änderungen, die nach der Antragstellung eintreten und sich auf die Leistungen auswirken können (z. B. Arbeitsaufnahme, Umzug), sind dem zuständigen Jobcenter unverzüglich mitzuteilen. Die Mitwirkungspflichten sind von allen Mitgliedern einer Bedarfsgemeinschaft zu beachten.
Allerdings ob die einzelnen kleineren Gewinnbeträge wirklich auf Deinen Regelbedarf angerechnet werden können steht auf einem anderen Blatt - ich würde sagen .... suche bitte eine entsprechende Beratungsstelle auf.
Ich habe ein Problem undzwar
Ohja... das hast du!
Da war jedoch eine Auszahlung von Tipico die sich auf 80€ belief. (jedoch nicht angegeben)
Böser Fehler.
Nun will das Jobcenter Kontoauszüge vom 1.1.2019-31.10.2020 und Nachweise über den Zufluss von Glückspielgewinnen für die Jahre 2015-2016-2017-2018?? dürfen die das?
Ein SB kann Kontoauszüge aus einem älteren Zeitraum von dir fordern. Aber nur wenn ein tatkräftiger Grund vorliegt. In deinem Fall liegt einer vor & der SB darf zu Recht diese Fordern. Im Normalfall fordern sie 3 Monate. Maximal 6 Monate. Darüber hinaus, wie gesagt, bei triftigem Grund.
Vom 1.1.2019-31.10.2020 habe ich insgesamt ca. 1.600€ Ausgezahlt von Tipico jedoch mehr als das doppelte in dem Zeitraum eingezahlt...
Dein Problem. Interessiert niemanden. Jedoch die 1600 € sind ein Problem. Das ist Einkommen was du nicht gemeldet hast & das wirst du zu 100% zurückzahlen MÜSSEN. Eventuell sogar noch eine Sanktion oben drauf bzw. eine Strafanzeige. Das liegt aber dann am SB. Aber zurückzahlen wirst du müssen. So oder so.
Was kann ich machen? Muss ich es Ihnen zusenden?
Nichts. Du kannst nur wie gefordert die Kontoauszüge einreichen & dann die Strafe hinnehmen. Machst du es nicht, bekommst du eine Sanktion wegen Mangelnder Mitwirkungspflicht.
Stecke zurzeit sowieso in einer Schwierigen lage und befinde mich mitten im Umzug.
Auch das ist... auch wenn es hart klingt, dein Problem.
Dem JC geht es nun um deine Einnahmen die du nicht gemeldet hast.
Wenn du Zeit hast, dann lies mal in Ruhe das Urteil des Bundessozialgerichts zu Gewinnen aus Glücksspiel beim Bezug von ALG II durch.
Da steht auch, inwieweit man Spieleinsätze vom Spielgewinn absetzen kann, und was passiert, wenn man nicht ausreichend Beweismittel vorlegt - in deinem Fall also Kontoauszüge:
Siehe dazu ab Absatz 30: "[30] Zwar geht die Unerweislichkeit einer Tatsache [...]" Daraus:
Wenn "die zeitnahe Aufklärung des Sachverhalts durch unterlassene Angaben oder unzureichende Mitwirkung [= keine Kontoauszüge; Gerd] bei der Sachverhaltsaufklärung erschwert oder verhindert wird",
kann eine "Umkehr der Beweislast" "gerechtfertigt" sein.
Dann könnte das Jobcenter sagen: "Du hast gar keinen Bedarf an ALG II, beweise das erstmal!"
Du müsstest dann beweisen, dass du weniger Spielgewinne gehabt hast als du ALG II bezogen hast.
Das ist ein sehr gewagter Schritt vom Jobcenter, aber im Extremfall hieße "Beweislast-Umkehr" für dich:
- Für die Monate, für die du keine Kontoauszüge vorlegst, kannst du keinen Bedarf an ALG II nachweisen.
Falls dies zutrifft, kommt dies in Frage:
- SGB X § 45 Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes
- SGB X § 50 Erstattung zu Unrecht erbrachter Leistungen
Und für die Zukunft könnte dein ALG II eingestellt werden auf dieser Basis:
- SGB I § 60 Angabe von Tatsachen
- SGB I § 66 Folgen fehlender Mitwirkung
- SGB I § 67 Nachholung der Mitwirkung
Zur Absetzbarkeit der Spieleinsätze:
Siehe Absätze 21 bis 25 im oben genannten Urteil.
Die Begründung des BSG dazu ist größtenteils gequirlter Mist, der vor allem dazu dient, minderbemittelte Zocker von Geldspielautomaten abzuhalten (was an sich löblich ist, sozialpädagogisch, juristisch aber Mist).
Der Urteilstenor geht nicht auf den alltäglichen Fall ein, dass ein Spieler zehn Einsätze tätigt, um einmal einen zehnfachen Einsatz zu gewinnen. Vielmehr labern die Richter darüber, dass der arme Spieler seinen Gewinn zum Leben verwenden sollte, und nicht dazu, weiterzuzocken - im Glauben, sein Gesamt-Einsatz könne von seinem Gesamt-Gewinn abgezogen werden.
Das kann natürlich der gutbetuchte Bürger, der ein Jahreslos der idiotischen Klassenlotterie für über 2.000,- € kauft und dann am Ende des Jahre gewinnt. Nicht aber der arme Schlucker, der jedes Jahr zweimal 10 Euro auf den Sieg seines Fußballvereins gegen Bayern München setzt und in 10 Jahren einmal gewinnt. Der kann dann nur einen von 10 Einsätzen von seinem Gewinn abziehen als
(1) "5. die mit der Erzielung des Einkommens verbundenen notwendigen Ausgaben," § 11b Absetzbeträge
Was aber auf jeden Fall abgesetzt werden kann vom einmaligen Einkommen ist jeden Monat die Versicherungspauschale nach Absatz 1 Nr. 3 § 11b von 30,- € (soweit diese nicht schon von anderem Einkommen abgezogen worden war, etwa aus einem Minijob).
Wer also zum Beispiel in 22 Monaten Gewinne von 40,- pro Monat hatte, kann davon je 30,- abziehen, hat also nur noch 220,- anrechenbares Einkommen = 220,- weniger ALG II.
"insgesamt ca. 1.600€ Ausgezahlt von Tipico" in 22 Monaten lassen sich aber auf diese Weise nur um 22 mal 30,- Versicherungspauschale bereinigen, also um 720,-, aber immerhin!
Hinzu kämen noch die Einsätze, die jeweils direkt zu einem Gewinn geführt haben.
Generell könnte es sich aber lohnen, ein neues Urteil zu erstreiten, denn das BSG ging überwiegend sozialpädagogisch vor, um diese seelenlose Daddler in die Schranken zu weisen - zumal bei denen schwer zu belegen ist, was sie bar abgewickeln und was sie über Konten laufen lassen.
Wenn aber ein Spieler ein Konto eröffnet und dort 100,- € einzahlt und dann nachweislich 10,- für die Lotterie Aktion Sorgenkind überweist und 10,- auf Heimsiege seines Vereins wettet und 10,- bei Pokerspielen riskiert usw.,
dann sollte für den Bedarf an ALG II entscheidend sein, wieviel Überschuss dies Konto am Ende des Monats aufweist. Dieser Überschuss müsste dann bereinigt werden um die Versichrungspauschale und um sonstige Kosten, einschließlich Internetanschluss-Gebühren. Frühestens ab 130,- € Kontostand am Ende des Monats könnte dann das ALG II verringert werden.
Aber dazu müsste man sein Jobcenter davon überzeugen oder anschließend sein Sozialgericht, dass ein solches Spielerkonto etwas anderes darstellt als der Fall des Daddelautomatenzockers, der vom Bundessozialgericht in die moralischen Schranken gewiesen worden war.
Gruß aus Berlin, Gerd
Danke sehr!
Noch ein Argument: Folgt man dem moralinsauren BSG-Urteil, darf ich am1. des Monats für 1.000,- einen Anteilschein an einem Aktienfont erwerben, und wenn ich den am Ende des Monats für 1.030,- verkaufe, bleibt mein ALG II gleich.
Wenn ich aber je 100,- € in zehn Aktien investiere und neun davon machen Verluste von je 10,- €, also 90,- Miese für mich, aber eine steigt auf 320,- €, also 220,- Gewinn für mich, insgesamt also 220 minus 90 = 130,- € Reingewinn,
dann sagt das Jobcenter (wenn es dem BSG-Urteil folgt): "Haha, Sie haben ein anrechenbares einmaliges Einkommen von 220,- € minus Versicherungspauschale von 30,- = 180,- €!"
Und wenn ich von meinem Schonvermögen in zehn Kleinunternehmern in meinem Kiez in Corona-Zeiten je 500,- € investiere, und eines davon macht Gewinn, die anderen neun aber Verluste, sagt das Jobcenter:
"Hah, Verluste in anderen Bereichen interessieren uns nicht!"
Was du eingezahlt hast ist dein Problem, wichtig ist dass du den Gewinn nicht mitgeteilt hast und damit betrogen hast!
Wie immer eine sehr gute Antwort von dir!