Ist gehärteter Stahl schlecht für eine Dauerbeanspruchung?
Bei Stahl kenne ich die Beurteilung der Ermüdungsfestigkeit so:
Die wechselnde Beanspruchung ergibt eine maximale und eine minimale Beanspruchung im Material, ausgedrückt als Spannung.
Bleibt die Differenz zwischen Maximum und Minimum unter einem gewissen, normativ festgelegtem Wert, ist das Bauteil tragfähig genug.
Aber das kenne ich nur für den "Standardstahl" S235.
Wie ist das mit besonderen Stählen die dann auch noch gehärtet sind?
Ist z.B. ein gehärteter, hochfester Stahl der eine Zugfestigkeit weiter über der des S235 hat für Ermüdungsbeanspruchung "schlechter"? Wird das irgendwie zahlenmäßig ausgedrückt mit einem Wert?
Ist ein weicher Stahl automatisch besser für Wechselbeanspruchung?
Vielen Dank!
3 Antworten
Es ist sehr vom Werkstoff und der Anwendung abhängig. Prinzipiell ist es egal ob du einen harten oder weichen nimmst. Der entscheidende Werkstoffparameter ist die Streckgrenze Re. Wenn die Belastung diesen Wert überschreitet befindet sich das Bauteil im elastisch-plastischen Bereich. Dies bedeutet das sich aber dieser Grenze dein Bauteil bleibend verformt. Bleibt die Belastung jedoch unter dem Re hält das Bauteil deutlich länger. Kann aber nach einer bestimmten Lebensdauer durch Verfestigung trotzdem versagen.
Hoffe das ist verständlich ;)
Richtig, die Streckgrenze wird durch das Härten erhöht. Die Streckgrenze wird anhand eines Zugtests ermittelt
Die Frage kann kaum pauschal beantwortet werden und es kommt darauf an was für eine Art von Dauerbeanspruchung vorliegt. Ein feinkörniger, gehärteter Stahl ist bei einer Schneide belastbarer, als ein ungehärteter. Eine gehärtete Oberfläche bei Reibungsverschleiss belastbarer. Auch kommt es auf die Geometrie des Bauteiles an. Wenn z.B. ein quadratisches Bauteil auf Biegeschwingungen beansprucht wird und diese noch unter Rotation auftreten, die Kraft also einmal über die Ecken und einmal mehr über die ganze Seitenfläche eingeleitet wird, ist schon ein Unterschied. Die Belastungsspitzen sollten bei Zugbeanspruchungen schon deutlich unter der Streckgrenze stattfinden. Eine Härtung macht das Bauteil in dieser Beziehung nicht unbedingt fester, da eine Härteschicht, oder auch ein durchgehärtetes Material Risse bekommen kann. Pflanzt sich dieser Riss von der Härteschicht ins Grundmaterial fort, kann es zu Ermüdungsbrüchen kommen. Natürlich spielt auch die Auslegung eine große Rolle. Es sind schon massive Wellen gebrochen, weil sie Belastungsspitzen nicht so elastisch ausweichen konnten wie etwas dünnere Wellen. Vibrationen sind ein großes Thema und wo die Belastungsspitzen zusammenlaufen. Wir hatten schon viele beginnende Risse in den Seigerungszonen von Schweissnähten, wo Halterungen bei Vibrationsmotoren angeschweisst waren. Oder wo Biegebelastungen millionenfach auf Schweissnähte einwirken. Auch die Stahllegierung ist natürlich wichtig. Feinkörnige Stähle sind in der Regel belastbarer als grobkörnige. Google auch mal:
TD-0040-Grundlagen-der-Metall-und-Legierungskunde-2019.pdf
Wenn du dann noch die entsprechenden Angaben für die für dich relevanten Stähle findest, bist du ready :D
Vielen Dank! Verändert sich die Streckgrenze denn, wenn ich einen Stahl härte?
Die Streckgrenze ist immer empirisch ermittelt, oder?