Ist es normal daß man zu den verstorbenen Angehörigen auf den Friedhof gehen möchte.

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Guten morgen, Rosenbusch, ich gehe zwar auch nicht oft zu den Angehörigen auf den Friedhof, aber das liegt daran, dass diese Friedhöfe, auf denen meine Angehörigen liegen, hunderte Kilometer weit entfernt sind. Aber wenn ich dort in der Nähe bin, gehe ich auch gern zu den Gräbern, weil ich dort das Gefühl habe, den Angehörigen noch näher zu sein als nur in Gedanken. Früher gehörte das zu den Trauerritualen, regelmäßig, in der Anfangszeit sogar manchmal täglich, Gräber zu besuchen, um die Trauer besser zu verarbeiten. Deine älteren (lebenden) Angehörigen sind dies so gewohnt und dein -Nicht-zum -Friedhof -gehen kommt deshalb bei denen etwas komisch rüber. Ich glaube nicht, dass du herzlos bist, im Gegenteil, sonst würdest du dir über diese Frage keine Gedanken machen. Nun hat man ja mittlerweile herausgefunden, das Rituale sinnvoll und wichtig sind für Menschen. Vielleicht wäre es sinnvoll, Rituale, die mit Tod zu tun haben, wieder aufleben zu lassen. Da ja gerade heutztage viele Menschen sehr schlecht mit dem Tod und dem Älterwerden zurechtkommen. Anscheind besteht da Handlungsbedarf, wie ist zum Beispiel die Mode zu erklären, dass viele Jugendliche und Teenies mit Totenschädeln auf T-Shirt und Schuhen herumlaufen, obwohl sie noch nie einen Toten gesehen haben? Sei deinen lebenden Angehörigen, die dir Vorwürfe machen, nicht böse, gerade wenn es um Trauer und die damit zusammenhängenden Traditionen geht, sind ältere Menschen oft empfindlich. Geh doch einfach mal mit auf den Friedhof, Friedhöfe erinnern einen auch daran, dass man im Leben nicht alles so ernst nehmen soll, da das Leben nun mal irgendwann für jeden eine Ende hat. Friedhöfe sind außerdem meist auch Orte, die schönen Parks gleichen. Wo man viel schöne alte Bäume und Bepflanzugen sieht: Lache nicht, wenn ich dir sage, dass ich auch schon mal alleine deshalb mit meiner kleinen Tochter über den Freidhof gehe, weil das da, wo wir wohnen, die einzigen öffentlichen Grünflächen sind, auf denen kein Hundekot herumliegt und wo man nicht wie sonst von fremden Hunden angesprungen wird, da auf den Friedhöfen Hunde verboten sind. Hier kann meine Tochter alte Eichen umarmen ohne auf Tretminen achten zu müssen und wir können schöne Wiesen und Beete ohne Hundekot anschauen. Traurig zwar, dass man sich solche Nischen heutztage suchen muss, um Natur zu genießen, aber vielleicht erinnert sich meine Tochter später gerne an die Spaziergänge auf den Friedhof und hat später nicht solche Abneigung gegen Friedhöfe wie du. Alles hat auch etwas Positives...

Auch ich halte nichts vom Totenkult und möchte irgendwann mal eingeäschert und anonym bestattet werden, wie schon meine Grosseltern väterlicherseits. Mütterlicherseits haben sie alle Gräber, meine Mutter ist im Familiengrab ihres zweiten Mannes beerdigt (Urne).

Was aber bei uns in der Familie wichtig ist, ist immer die Erinnerung frisch zu halten. Das geht auch gar nicht anders, weil sie alle tolle Menschen waren. Wie oft sage ich: "Meine Mutter/Oma/Opa sagte immer..."

Und ich vermisse die drei auch immer noch sehr. Nach Jahrzehnten. :((

Trotzdem würde ich nie zum Friedhof gehen. Wozu auch? Begraben ist dort nicht der Mensch, sondern seine sterblichen Überreste.

Sollte jemand es wagen, mich deshalb als herzlos zu bezeichnen, würde ich ihn fragen, ob er ein Heuchler ist.

Nein, Du kannst trauern wo Du möchtest. Wichtig ist, dass Du Dir manchmal Zeit nimmst und an sie denkst.

Hi Rosenbusch, die Art und Weise, wie Du Menschen, die Dir nahestanden, in Erinnerung behälst, ist absolut okay. Hier gibt es kein richtig oder falsch, mit der Erinnerung ist es doch genauso wie mit vielem anderen - da merkt jeder für sich, was für ihn stimmig ist und was nicht, was er möchte und was nicht. Meistens ist es einfach die Erwartung anderer Menschen, dass man ihre Sichtweise teilt und sich somit genauso verhält wie sie. Tanzt man da aus der Reihe, hagelt es schnell mal Kritik. Bekommt man dann Vorwürfe gemacht, wie das bei Dir ja offenbar der Fall ist, kann das schnell mürbe machen. Noch dazu, wenn diese Kritik völlig aus der Luft gegriffen ist.

Es gibt einen schönen Spruch, den ich zu Deinem Thema ganz passend finde: Das Herz ist das einzige Paradies, aus dem wir nicht vertrieben werden können. Eine äußerliche Geste wie der Friedhofsbesuch ist kein Indikator dafür, dass einem der Mensch dort etwas bedeutet hat. Wenn Du, wie geschehen, für Dich sagst, dass Du eben oft in Gedanken bei Deinen Angehörigen bist und sie einen Platz in Deinem Herzen haben, ist das eigentlich die höchste Würdigung, welche Du ihnen entgegenbringst.

Ich wünsche Dir Standhaftigkeit und dass Du Dich nicht verbiegen lässt.

Viele Grüße pfaelzer76857

Du bist deswegen bestimmt nicht herzlos. Manchen gibt es das Gefühl von Nähe, wenn sie die Toten auf dem Friedhof besuchen, anderen gibt es gar nichts ... Es kommt auch auf den Glauben bzw. das Umfeld an ... mein Freund zB hat das Grab seines Opas nie besucht, wusste nicht mal genau, wo es sich befindet, weil es in seiner Familie nicht üblich ist, auf den Friedhof zu gehen (obwohl sie sehr gläubig sind).

In meiner Familie ist es gerade umgekehrt, da besucht man sehr häufig das Grab und hegt und pflegt es, ist aber im ländlichen Bereich. Ich denke, jeder sollte es so praktizieren, wie es ihm gut tut.


cyberoma  14.05.2014, 00:18

Es tut gut, nach all den hoch bedäumelten spöttischen Antworten endlich eine tolerante und einfühlsame Antwort wie deine zu lesen. Für jeden hat das Grab, der Friedhof eine andere Bedeutung. Vielen ist es ein wichtiger Ort, anderen nicht. Und das ist alles in Ordnung.

Mir fällt bei den meisten anderen Antworten unangenehm auf, dass die User mit Gräbern nichts anfangen können und sich über die lustig machen, denen Gräber wichtig sind. Sie unterstellen denen, dass sie Gräber nur wegen der Leute besuchen oder andere lächerliche Gründe dafür haben.

Aus psychologischer Sicht liegt es nahe, dass sie doch unsicher sind oder Schuldgefühle haben und deshalb so reagieren.

Ich finde es weder einfältig oder heuchlerisch, auf den Friedhof zu gehen, noch herzlos wenn man nicht hin geht.

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