Ist die Moral angeboren oder wird sie einem eingeflößt?

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Moral wird eingeflößt, eingehämmert und früher großenteils eingebläut. Moral ist die Diktatur des "man". Es wird Angst gemacht,  ein schlechter Mensch zu sein, der von allen anderen ausgeschlossen wird, wenn er tut, was man nicht tut oder nicht tut , was man tut.

Wer diese Angst richtig verinnerlicht hat, gilt dann als wohlerzogen. Er hat dann einen inneren Drang, diese Angst an Kinder und andere Menschen weiterzugeben.

Angeboren sind Mitgefühl und Intelligenz. Ein angstfrei aufgewachsenes Kind entwickelt daraus eine Ethik, eigene Vorstellungen, wie es sich am besten anderen Menschen gegenüber verhält.

Der Unterschied zwischen Ethik und Moral ist, dass Ethik rational, diskutierbar und veränderbar ist. Moral will weder diskutiert noch verändert werden, da beides die Angst aktiviert.


Sonja66  05.08.2016, 13:01

Hallo :-)

Also ich gebe dir schon recht. Prägungen prägen uns mitunter stark und es ist mühsam, diese zu überprüfen und gegebenenfalls zu ändern.
In Sachen Angst gebe ich dir sowieso recht....  ;-)

Aber man hat doch auch so eine innere Stimme, das eigene Gewissen, das einem sagt, was richtig oder falsch wäre. Diese trägt doch zu einer menschlichen Moral bei - oder?

Kinder wissen meines Erachtens ganz genau, was angebracht wäre. Gut, sie halten sich nicht immer daran, weil sie neugierig sind, sich und das Leben ausprobieren wollen, aber ich dachte schon, dass sie immer eine Moral in sich tragen. Wie eine leise Stimme, die zu uns spricht....., natürlich unterstellt, man wächst unter einigermaßen humanen Bedingungen auf.

Was wäre denn, würde man einem Kind nie von gut oder böse erzählen? Gäbe es da kein angeborenes gutes oder schlechtes Gewissen?

Würde sich auch ohne "Erziehung" Moral bilden?
Trägt man nicht sein Gewissen immer in sich?

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ColonZero  05.08.2016, 21:01
@Sonja66

Zuerst eine Klarstellung: Das Gewissen und die Moral sind zwei vollkommen unterschiedliche Dinge, die erst durch die Ethik in Relation gesetzt werden. 

Wie richtig von dir erkannt: Man hat eine innere Stimme, ein Gewissen. Allerdings ist dieses - sofern man in einer zivilisierten Gesellschaft aufwächst - stark durch die Moral beeinflusst. Daher würde ich zwischen dem "Urgewissen" und dem "Moralgewissen" differenzieren. 

Das "Urgewissen" ist die natürliche, unbehandelte Form der inneren Stimme, die dem Menschen intuitiv entscheiden lässt, was falsch und richtig ist. Dahingegen ist das "Moralgewissen" eine künstlich erzeugte innere Stimme, die Entscheidungen auf ethischer oder moralischer Basis fällt. Das Moralgewissen entsteht durch das "Einflößen" von Moral.

Beide Begrifflichkeiten gibt es mitnichten, möchte ich sie jedoch gerne zum weiteren Erklären nutzen.

Aber man hat doch auch so eine innere Stimme, das eigene Gewissen, das einem sagt, was richtig oder falsch wäre. Diese trägt doch zu einer menschlichen Moral bei - oder?

Das Urgewissen kann selbstverständlich Einfluss auf das Moralgewissen nehmen. Allerdings in einem eingeschränkten Rahmen. Durch die Erziehung und unsere moralisierte Umwelt, steht das Moralgewissen stets im Vordergrund und bestimmt die meisten unserer Empfindungen, die wir bezüglich moralischer Entscheidungen haben. Das Urgewissen nehmen wir bisweilen kaum noch wahr.

Kinder wissen meines Erachtens ganz genau, was angebracht wäre. Gut, sie halten sich nicht immer daran, weil sie neugierig sind, sich und das Leben ausprobieren wollen, aber ich dachte schon, dass sie immer eine Moral in sich tragen. Wie eine leise Stimme, die zu uns spricht....., natürlich unterstellt, man wächst unter einigermaßen humanen Bedingungen auf.

Eben das ist der Punkt. Humane Bedingungen oder Bedingungen im Allgemeinen. Dies ist ein bestimmender Faktor, wenn es um die Beschaffenheit der Moral geht. Ein Mensch, der unter keinen zivilisierten oder humanen Bedingungen aufwächst, hat ein dementsprechendes Wertesystem. Oder halt keines. Sein Moralgewissen unterscheidet sich von dem unseren. Sein Urgewissen ist hingegen ohnehin einzigartig.

Daher bin ich nicht der Meinung, dass Kinder von sich aus wissen, was gut oder richtig ist. Denn auch sie besitzen bereits ein Moralgewissen, wenn es auch noch nicht derart ausgeprägt ist wie das eines Erwachsenen. Auf ihr intuitives Gewissen, ihr Urgewissen können sie zwar hören, doch verstehen sie es noch nicht. Wie du sagtest: Kinder sind neugierig und müssen sich erst entwickeln.

Was wäre denn, würde man einem Kind nie von gut oder böse erzählen? Gäbe es da kein angeborenes gutes oder schlechtes Gewissen?

Die Frage ist bereits indirekt beantwortet: Wenn dem Kind kein Wertesystem auferlegt wird (etwa durch die Erziehung), entsteht auch kein Moralgewissen. Es bleibt nur die natürliche Intuition des Kindes, die innere Stimme, die verrät, was gut oder schlecht wäre. 

Ein angeborenes Urgewissen gibt es (aber kein Moralgewissen).

Würde sich auch ohne "Erziehung" Moral bilden?

Ja, denn aus dem Urgewissen heraus entsteht eine eigene Moral, eine Ordnung, der man sich selbst unterwirft. Und das wiederum resultiert in einem Moralgewissen, dass man sich auferlegt. Ohne Fremdeinwirkung und Beeinflussung von Außen sind in diesem Fall das Urgewissen und das Moralgewissen jedoch nahezu identisch.

Trägt man nicht sein Gewissen immer in sich?

Das Urgewissen, ja. Das Moralgewissen erst nach einiger Zeit.

Fazit: Das Gewissen liegt in zwei Formen vor. Einer natürlichen und einer künstlichen. Letztere Form wird durch die Moral, einem von Menschenhand erschaffenen Wertesystem, bestimmt. Die erstere Form steht somit in keinem direkten Zusammenhang zur Moral. Erst das künstliche Gewissen erschafft eine Brücke.

Ich hoffe, meine Erklärung ist einigermaßen verständlich.

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Sonja66  06.08.2016, 10:40
@ColonZero

Ganz verständlich beschrieben! Vielen Dank dafür!
Also ja, so dachte ich mir das schon auch. Aber in meiner Antwort kommt das nur sehr ungenau zum Vorschein.  ;-)))

Sicherlich (mindestens) auch für den Fragesteller sehr interessant und informativ!
Ich denke, die Worte von Machtnix53 nicht richtig verstanden zu haben.

Dann wäre wohl die korrekte Antwort auf die Frage von BatmanZer:
Beides. ;-)
Moral ist eingeflößt und angeboren zugleich.

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Machtnix53  06.08.2016, 20:03
@Sonja66

Ich denke, es gibt da nicht nur eine innere Stimme, sondern mehrere.

Die eine, die sagt, mach das nicht, weil es sonst Ärger gibt, da man das nicht macht. Das ist die Moral bzw gesellschaftliche Norm und die ist anerzogen.

Dann ist da aber noch eine andere, die sagt, tu ihm das nicht an, denn es würde ihm weh tun. Das ist Mitgefühl, und das ist angeboren. Daraus entwickelt sich eine persönliche Ethik, aber keine Moral.

Es gibt ja auch Situationen, wo sich Moral und Mitgefühl widersprechen. Zum Beispiel ein verwundeter "Feind", der Hilfe braucht. Das Mitgefühl sagt, das ist ein Mensch wie du, in seiner Situation wärst du auch für jede Hilfe dankbar. Die Moral sagt, das ist ein Feind, der uns schaden will, und wenn du ihm hilfst, bist du ein Vaterlandsverräter.

Egal, wie man sich in dem Fall entscheidet, es ergibt sich daraus sowohl ein gutes als auch ein schlechtes Gewissen. Eins gegenüber der Moral und eins gegenüber dem Mitgefühl bzw der eigenen Ethik.  Entsprechend gibt es auch zwei Arten von Scham und Stolz.

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Sonja66  06.08.2016, 20:37
@Machtnix53

Ja, du hast richtig verstanden, was ich nicht verstanden habe.  ;-)

Aber jetzt...., jetzt weiß ich, was du meinst. Ich denke jetzt auch, dass dem so ist.
Danke dir!

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Jede konkrete Ausformung der moralischen Vorstellungen eines Menschen ist im Wesentlichen kulturell bedingt - das klingt heutzutage schon wie eine Binsenweisheit. Das macht aber die Frage nicht überflüssig, ob es auch beim Menschen einzelne angeborene instinktive Verhaltensdispositionen gibt. Dass es sie bei Tieren gibt, gilt ja allgemein als wahr. Wenn es sie beim Menschen gibt, dann dürften sie sich äußern als Hemmungen, die gegen eine bestimmte Verhaltensweise gerichtet, dem Menschen allgemein zu eigen und weder direkt noch indirekt anerzogen sind. Das heißt natürlich nicht, dass sie nicht eventuell aberzogen werden können. Aber wenn der intensive Versuch einer solchen Aberziehung häufig scheitert, dann ist das ein Indiz für das Vorliegen einer solchen Disposition. Man wird sie wahrscheinlich auch kaum finden, wenn man nicht bewusst und gezielt nach ihnen sucht. Wie man an der Mehrheit der Antworten sehen kann, ist die Modestimmung einer solchen Suche zur Zeit nicht gerade förderlich. Als Kandidatinnen für solche Dispositionen, die in die Moral eingeflossen sind, könnte ich auf Anhieb drei nennen: - die Tötungshemmung gegenüber Menschen - die Inzesthemmung - die Sexualscham besonders bei pubertierenden Mädchen. Ich bin mir nicht so sicher, ob ich eingehendere wissenschaftliche Untersuchungen zu diesen Themen noch erleben werde. Aber spannend wär's.

Sie wird dir eingehaemmert, von deinen Eltern, von der Schule und von unserem Prediger, dem Fernsehen. Die Glotze ist unsere Moral schlechthin, natuerlich nicht zu vergessen, dich hinterruecks wieder des Nachts zu verfuehren, wenn einsame Damen oder Herren grosse Versprechungen machen.

Die Kiste (TV) ist Moral und der Brecher derselben, damit du immer in einer Art Schwebezustand zwischen Absolution und Verdammnis zerissen wirst.

Dann wird Angst und Unwohlsein dein Leben bestimmen, vielleicht auch Depressionen deinen Weg pflastern.

Die Moral haelt ganze Voekler zusammen und sie muss auch hinhalten, wenn es dazu kommen sollte, dass andere hinweggeschlachtet werden, nur damit es uns besser geht. Wir mussten es tun aus moralischen Gruenden, naja, es gibt immer einen Grund und Gott ist unser Zeuge!

Wenn Moral angeboren waere, dann wuerden schon Babies das Handtuch hinruecken um ihre Scham zu bedecken.

Das ist alles nur gemacht, nicht echt, alle leiden darunter und die am meisten, die diese Moral predigen, sie leiden und brechen ihren Moralkodex am haeufigsten.

Wie sagte noch jemand neulich: Alles wir schlechter, nur eins wird besser, die Moral wird schlechter!

Angeboren nur indirekt über die Ausstattung, die man mitbringt. Da wir gesellschaftliche Wesen sind ist uns schon in die Wiege gelegt, dass wir uns anpassen und nach Lob, Liebe und Zuwendung sehnen, mühen. Eltern, die zwei und mehr Kinder großziehen machen oft die Erfahrung, dass jedes Kind anders auf die Erziehung reagiert. Zwischen natürlicher und kultureller Umwelt und Kind gibt es ein Resonanzverhältnis. Kinder sind keine Spiegel oder reine Knete, die sich widerstandslos formen lässt. Einflößen lässt sich Moral nur bei sehr ängstlichen, angepassten Typen. Spätestens seit der Pubertät gibt es nicht nur Widerstand sondern auch den Versuch, dem Vorgegebenen eigene Gedanken entgegenzusetzen, das Vorgesetzte zu prüfen. Die rein passive Abbildungstheorie ist falsch.

Die Moral entwickelt sich über die Lebensspanne, vor allem natürlich über die ersten Jahre bis in die Pubertät und bis zum frühen Erwachsenenalter. Dabei ist eine Komponente davon angeboren, das ist die Orientierung an dem, was man "richtig" und "falsch" nennt. Was das inhaltlich ist, verändert sich aber abhängig davon, was man als "richtig" und "falsch" zu bezeichnen lernt.

Babys verfügen über keine Lebenserfahrung. Sie empfinden Schmerz und Freude. Weil sie zwischen sich und dem Rest der Welt anfangs noch nicht unterscheiden können, ist Schmerz im Baby auch Schmerz im Rest der Welt. Schmerz ist "falsch", Freude ist "richtig". Das ist die Basis vom Mitgefühl, auf das Machtnix53 Bezug nimmt.

Mit dem Älterwerden lernt ein Kleinkind, dass die Perspektive vom Gegenüber und die eigene Perspektive sich unterscheiden können. Schmerz im Kleinkind ist Schmerz im Kleinkind, im Rest der Welt könnte es aber anders aussehen. Diese neue Perspektive ersetzt die alte nicht, sondern ergänzt sie. Die Wahrnehmung wird komplexer. Nach und nach kommen mehr Perspektiven dazu, etwa eine dritte Perspektive, aus der man sich selbst mit den Augen eines anderen sehen kann und schließlich auch eine "gesamtgesellschaftliche" Perspektive, aus der man ein gesellschaftliches Interesse und Individualinteressen gegenüberstellen kann. Das Mitgefühl bleibt also grundsätzlich erhalten, wird aber durch neue Perspektiven relativiert.

Ein recht einflussreiches (Stufen-)Modell der Moralentwicklung geht auf Kohlberg zurück. Während andere Theoretiker die Entwicklung der Perspektivübernahme als Voraussetzung für Kohlbergs Stufen sehen, sind sie seiner Auffassung nach vielmehr Bestandteil der moralischen Urteilsfähigkeit. In der ersten, präkonventionellen Phase orientiert sich ein Kind in seinen moralischen Urteilen zunächst an Lob und Strafe (das ist die eingetrichterte Moral der Eltern) und dann an persönlichen Kosten und Nutzen. Das konventionelle Stadium enthält zunächst eine Orientierung an Gleichheit für alle und dann an gesellschaftlichen Konventionen (z.B. Gesetze). Im postkonventionellen Stadium orientiert sich ein Mensch an den Idealen, die hinter dem gesellschaftlichen Vertrag stehen (zum Beispiel Menschenrechte) und auf der höchsten Stufe an universellen ethischen Prinzipien (zum Beispiel die Achtung von Leben).

Die Moral entwickelt sich also von einer persönlichen Empfindung von Schmerz und Freude über übernommene Wertesysteme der Eltern und eine Infragestellung derselben hin zu einer elternunabhängigen ethischen Orientierung.

Normalerweise.

Man kann aber auch die Moralentwicklung behindern, überlagern und bestrafen, sodass eine Entwicklung über die vierte Stufe (gesellschaftliche Konvention) hinaus nicht stattfindet. In der Schule wird eine moralische Urteilsfähigkeit bis zur konventionellen Stufe der Orientierung an Gesetze gefordert, darüber hinaus aber nicht. In vielen Elternhäusern wird versucht, Kinder bis zu ihrem 18ten Lebensjahr gehorsam auf der ersten oder zweiten Stufe der Moralentwicklung (Lob/Strafe bzw. Kosten/Nutzen) zu fixieren. So etwas führt dazu, dass eine Orientierung an "universellen ethischen Prinzipien" misslingen muss. Woher sollte man sie auch lernen?

Wenn Eltern ihre Kinder respektvoll dafür aufziehen, selbst eine postkonventionelle Moral beherrschen, liefern sie ihnen also übergangsweise eine Hilfestellung. Moral wird zunächst eingetrichtert, aber gleichzeitig wird das Selbstständigwerden von Moral gefördert, sodass die eingetrichterte Moral überwunden und durch eine persönliche Ethik ersetzt oder ergänzt werden kann. 

Angeborene soziale Orientierung und eine angeborene Präferenz für Kooperation können Antrieb für eine persönliche Ethik werden oder sein. Die konkreten Inhalte der persönlichen Ethik hängen aber von der Lernerfahrung ab. Dabei unterscheidet sich von Mensch zu Mensch, wie frei diese Lernerfahrungen erworben wurden. Während die einen ab Pubertät eigenständig und freiheitlich lernen, denken und urteilen können und dürfen und sich somit ethisch weiterentwickeln (sich selbst finden), werden andere in dieser Eigenständigkeit behindert und können sich dementsprechend von der eingetrichterten Moral der Eltern nicht mehr befreien. Sie bleiben oft Jahrzehnte oder gar lebenslang die Sklaven ihrer elterlichen Moral, genau das, was Machtnix53 eine Diktatur des "man" nennt.