Irrationale Angst oder nicht?
Mit fällt es schwer, in einem konkreten Fall vernünftig zu unterstützen. Zum Thema "Rationale vs. irrationale Ängste" finde ich nur Extrem-Beispiele wie "Wenn du nicht rausgehst, weil du Angst hast, angegriffen zu werden, ist das irrational, aber wenn du jetzt gerade überfallen wirst, ist die Angst rational".
Was ich nicht finde, ist eine Einordnung beispielsweise der Situation " Du bist schon mehrfach überfallen worden, hast deswegen Angst, dass das wieder passieren könnte" mit den Möglichkeiten "Weil du Angst hast, gehst du nicht mehr raus" und "Du hast Angst, gehst aber trotzdem weiter raus" bzw. "Du hattest schon die Ahnung, dass das wieder passieren kann, bist trotzdem rausgegangen und überfallen worden - selber schuld".
Eine mir nahestehende Person befindet sich derzeit in einer psychosomatischen Reha und kommt nicht gut klar mit einem Vortrag zum Thema "Ängste", weil da wohl davon ausgegangen wurde, dass man keinerlei Vermeidungsverhalten entwickeln sollte, bloß weil irgendwas schon mehrfach passiert ist. Von der Polizei war ihr aber genau zu Vermeidungsverhalten geraten worden.
Gibt es eine Möglichkeit, wie ich dieser Person sinnvoll beistehen kann, ohne sie womöglich in irrationalen Ängsten zu bestätigen?
2 Antworten
Was eine "rationale" oder "irrationale" Angst ist, unterliegt der Bewertung.
Die einhellige Bewertung wäre 2019 gewesen, dass eine Angst vor Corona irrational ist. Und alles, was jetzt "dagegen" gemacht wird, einen ausgesprochenen Wahn anzeigt.
Und jetzt gilt es als normal.
Ich unterlasse seit jeher das Bewerten der Gefühle anderer.
Ängste sind keine Norm. Gefühle können weder befohlen noch überhaupt gewollt werden.
Ich unterlasse es, zu bewerten, ob deine Angst "rational" oder "irrational" ist. Der eine hat grosse Angst vor Corona, der andere überhaupt keine. Keinem steht es zu, die Gefühlslage des anderen für "krank" oder "gesund" zu erklären.
Danke schön! So hatte ich es auch empfunden, war aber nicht sicher, ob ich meine eigene Meinung so weitergeben sollte.
Was mich aber mehr beunruhigt hat, war, dass meine nahestehende Person - die echt nicht dazu neigt, sich jeden hingehaltenen Schuh anzuziehen - sich durch den Vortrag so angegriffen gefühlt hat. Bloß weil die bekannten Problemsituationen gemieden wurden.
Ich denke, dass dieser Vortrag nicht hilfreich war. Der Mensch kann nicht jedes "Vermeidungsverhalten" abschalten. Sein Leben besteht aus Erfahrungen und Lernen. Kein Vermeidungsverhalten haben zu wollen, wäre ein Nicht-Lernen-Wollen. Was nicht möglich ist.
Im Regelfall lernen wir Vermeidungsverhalten an. Wenn ein Kind einmal auf eine heisse Herdplatte fasst und sich gehörig verbrennt, lernt es, das nie wieder zu tun. Und das soll es nicht?
Wenn der Vortrag nicht mehr differenziert hat, ist das mal wieder eine dieser Verhaltenstherapeuten-Schnapsideen m.M.
Meistens lernen wir Vermeiden, manchmal ist das Vermeiden nicht lebbar. Milliarden lernen das gerade im Kampf gegen Corona, wo ein Vermeiden Staatsideologie ist und jedem aufgezwungen wird.
Man muss für sich entscheiden, ob man um sein Leben für immer zu retten, für immer zuhause sitzen bleiben will oder vor dem Tode auch noch ein Leben haben möchte.
So einfach mit immer oder nie ist das nicht.
Was ich nachträglich gern noch erwähnen möchte: dein Beispiel mit dem Kind und der Herdplatte war nicht nur MEIN "Ach ja, klar, NATÜRLICH!"-Moment, sondern hat, als ich dieses Beispiel weitergegeben habe, genau den gleichen Effekt bei der Person gehabt, um die es ging.
Manches ist anscheinend so unfassbar naheliegend, dass man selbst nicht drauf kommen kann, wenn angebliche Experten was anderes behaupten - bis ein Unbeteiligter von außen draufschaut und sagt, was er sieht. Wie bei "Des Kaisers neue Kleider"...
Vielen Dank noch einmal!!!
Versuch vielleicht, der Person zu beweisen das sie keine irrationalen Ängste zu haben braucht. Sei am Besten für die Person da und beschütze sie erstmal auch ein wenig, wenn sie in Szenarien kommt, vor denen sie momentan Angst hat. Versuche aber, sie dabei nicht zu bedrängen.
Viel Erfolg!
Ich bin nicht sicher, ob ich das richtig verstehe. Ist damit gemeint "Wer noch nicht selbst überfallen worden ist, kann die Angst eines mehrfachen Opfers nicht verstehen und hält diese Angst für unbegründet" oder "Eine Angst zur Norm zu machen, bloß weil es schon Überfälle gegeben hat, ist kontraproduktiv"?