Iphigenie auf Tauris - Menschenbild der Klassik bei Orest und Thoas?

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Zu König Thoas hast du schon das Nötige gesagt. In der Tat scheint es schwierig, auch in Orest das humane Menschenbild zu erkennen, das Iphigenie mit ihrem Bekenntnis zur Wahrheit und ihrem Geständnis des Verrats in Thoas hat entstehen lassen (Goethe sagte später, seine Iphigenie sei doch „verteufelt human“, womit er m.E.  die Möglichkeit, ein solches humanes Licht in einem Barbaren zu entzünden, relativiert hat).

Orest Ist durch Iphigenies Gebet zur Göttin Diana von seinem Fluch erlöst worden („…so lös ihn von den Banden jenes Fluchs…“- Vers 1330) und Orest: „Es löset sich der Fluch, mir sagt’s das Herz. Die Eumeniden (Furien, Erinnyen) ziehn, ich höre sie, zum Tartarus (Unterwelt) und schlagen hinter sich die ehrnen Tore fernabdonnernd zu. Die Erde….  ladet mich auf ihren Flächen ein, nach Lebensfreud und großer Tat zu jagen.“ (Verse 1358 ff).

Thoas wird vor allem durch „die Wahrheit dieser hohen Seele“ bewogen, der Bitte Iphigenies zu entsprechen. Auch das Gebot des Gottes Apoll („Bringst du die Schwester… nach Griechenland…“ Verse 2085 ff) und die Entscheidung der Göttin Diana, Orest vom Fluch zu erlösen (sie ist die Schwester Apolls und wird auf Tauris verehrt), bewegen Thoas zum Absehen von Gewalt.

Dann verbürgt sich Iphigenie für ihren Bruder („…und lass durch diese Rede aus einem graden treuen Munde dich bewegen!“ – Verse 2121 ff). Für Thoas ist dieses Sich-Verbürgen Iphigenies für den Bruder mit das Entscheidende; es zeigt ihm, dass auch Orest durch Iphigenies humanes Wirken auf die Höhe der Menschlichkeit und des Anstands gehoben wurde. Insofern kann man – durch Iphigenies „Beglaubigung“ -  auch in Orest ein humanes Menschenbild erkennen.

Zur Vorgeschichte der dramatischen Ereignisse: siehe Google (Wikipedia) "Iphigenie auf Tauris - Charakterisierung Thoas, Orest..."