Inwiefern unterscheidet sich die Deutsche von der Italienischen Einigung im 19. Jarhhundert?

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Die nationale Einigung in Deutschland und Italien im 19. Jahrhundert weist eine Reihe von Parallelen auf.

  • Die Nationalstaatsbildung wird in der Gesellschaft sehr stark von einer Elite liberaler und gebildeter Bürger getragen, die sich auch organisierte („Deutscher Nationalverein“ in Deutschland, „Società Nazionale" in Italien“).
  • 1848/9 scheiterten Revolutionen.
  • Kriege spielten eine wichtige Rolle beim Erreichen der Einheit.
  • Das Vollziehen der Einigung ging aus von einem modernen Machtstaat im Norden (Königreich Preußen und Königreich Sardinien-Piemont).
  • Fähige Staatsmänner mit Sinn für geschickte Realpolitik (die Ministerpräsidenten Bismarck und Cavour).
  • Staatsführung und liberale Nationalbewegung waren nach der Staatsgründung zunächst durch eine verhältnismäßig große Übereinstimmung verbunden.

Trotz beträchtlicher Gemeinsamkeiten gibt es einige Unterschiede:

  • Wirtschaftsstruktur: Deutschland war zu der Zeit der Einheit ein stark industrialisiertes Land, Italien mehr agrarisch geprägt (Landwirtschaft überwiegend), vor allem im Süden.
  • Verhältnis zu Westeuropa als Verfassungsvorbild: In Italien wurden Großbritannien und Frankreich in einem stärkeren Ausmaß als Verfassungsvorbilder betrachtet als in Deutschland.
  • eigener Anteil des Volkes: In Italien gab es auch die von dem Republikaner Giuseppe Garibaldi angeführten Freiwilligenverbände, die Süditalien gewannen („Zug der Tausend“ 1860). Nach dem Krieg gegen Österreich (1859) gab es im Mittelitalien Volksaufstände und in Volksabstimmungen entschied sich eine deutliche Mehrheit für einen Anschluss.
  • Rolle Österreichs: Österreich war für die italienische Einigung eine ausländische Macht, die aus Italien vertrieben werden sollte (zuerst wurde die Lombardei gewonnen, 1866 auch Venetien aufgrund der Niederlage Österreichs gegen Preußen; 1870 kam Rom mit dem Rest des Kirchenstaates hinzu, als Frankreich im Krieg gegen Preußen stand). In Deutschland gab es einen Dualismus zwischen Preußen und Österreich, wobei sich die kleindeutsche Lösung (Deutschland mit preußischer Vorherrschaft ohne Österreich) durchsetzte.

Geschichtsguru 
Beitragsersteller
 02.11.2009, 09:00

Klasse! Vielen Dank!

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SevenErven  24.01.2022, 14:17
  • eigener Anteil des Volkes: In Italien gab es auch die von dem Republikaner Giuseppe Garibaldi angeführten Freiwilligenverbände, die Süditalien gewannen („Zug der Tausend“ 1860). Nach dem Krieg gegen Österreich (1859) gab es im Mittelitalien Volksaufstände und in Volksabstimmungen entschied sich eine deutliche Mehrheit für einen Anschluss.

Hallo, könnte mir jemand diesen Punkt erklären? Ich bin gerade verwirrt was damit gemeint ist. Und was war in Deutschland? Hatte das Volk keinen Anspruch auf Entscheid?

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Albrecht  24.01.2022, 15:26
@SevenErven

Bei der nationalen Einigung Italiens 1860 wurde diese nicht nur von einem Monarchen, seiner Regierung, seinen Soldaten und Beamten erreicht, sondern es war auch das Volk in einem gewissen Ausmaß eigenständig beteiligt.

In Deutschland wurde die Einigung ganz von oben, durch Monarchen, Regierungen mit ihren Machtapparat aus Soldaten und Beamten durchgeführt, während das Volk nicht mit eigenständiger politischer Gestaltung beteiligt war.

Die Staatsgründung 1871 ist durch Kriege (1864 gegen Dänemark, 1866 gegen Östereich und seine Verbündeten; 1870/18171 gegen Frankreich) und wesentlich von oben, durch Fürsten und die Senate der Städte Hamburg, Lübeck und Bremen mit König Wilhelm I. von Preußen (und seiner Regierung mit Otto von Bismarck als preußischer Ministerpräsident und Außenminister) an der Spitze zustandegekommen. Die Grundlage war nicht demokratisch mit einem Prinzip der Volkssouveränität und einer Schaffung der Kaiserwürde durch eine gewählte Nationalversammlung, sondern monarchisch-obrigkeitlich. Parlamente haben aber an der Reichsgründung begleitend mitgewirkt. Der Reichstag des Norddeutschen Bundes und die Landtage der süddeutschen Staaten haben der Verfassung für das Deutsche Kaiserreich zugestimmt. Wirklich politisch gestaltet haben sie diese dabei nicht. Am 18. Dezember 1870 hat eine Delegation von Abgeordneten des Norddeutschen Reichstages (Kaiserdeputation) mit dem Reichstagspräsidenten Eduard Simson an der Spitze König Wilhelm I. von Preußen in Versailles besucht und ihn gebeten, die Kaiserkrone anzunehmen (Kernaussage der am 10. Dezember beschlossenen Adresse: „Vereint mit den Fürsten Deutschlands naht der Norddeutsche Reichstag mit der Bitte, daß es Ew. Majestät gefallen möge, durch Annahme der deutschen Kaiserkrone das Einigungswerk zu weihen“.).

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