Imaginäre Zeit - Stephen Hawking
Die Frage ist eigentlich ganz einfach: Was ist das?
So wie ich das bisher verstehe geht es in erster Linie darum in Formeln, die von der Zeit abhängig sind, die Zeit mit der imaginären Zahl i zu multiplizieren, um dann auf irgendwelche anderen Formeln zu kommen, aus denen das i dann einfach wieder weggestrichen wird. Benutzt Stephen Hawking das wirklich nur als einen "Rechentrick" oder hat er sich dabei vielleicht doch etwas mehr gedacht? (wovon ich mal ausgehe^^)
Folgt aus einer Existenz von imaginärer Zeit dann auch komplexe Zeit, quasi eine Art Zeitebene? Wenn dem so ist, wie kann man sich das vorstellen, welche Konsequenzen hätte das?
Tut mir Leid, ich interessiere mich rein privat dafür und habe keinen wissenschaftlichen Hintergrund in der Physik. Wenn mir das jemand also leihengerecht erklären könnte, wäre ich sehr dankbar :)
5 Antworten
ohne mich konkret in der kosmologie auszukennen (oder mr. hawking persönlich gefragt zu haben was er sich dabei gedacht hat) beziehe ich mich hierauf:
Als Stephen Hawking in seinem Buch Eine kurze Geschichte der Zeit über „imaginäre Zeit“ schrieb, bezog er sich auf die Wick-Rotation
(von http://de.wikipedia.org/wiki/Wick-Rotation#Sonstiges)
und die wick-rotation ist ein reiner rechentrick, dem ich keine physikalische relevanz zuordnen würde. es ist ein "trick" um z.B manche integrale einfacher lösen zu können (die man vl. mit anderen methoden ebenso lösen könnte) und besteht eben darin, die zeit über die imaginäre achse zu integrieren (wenn bestimmte voraussetzung erfüllt sind dass man das machen kann) so dass man das integral dann in einer euklidischen metrik lösen kann.
vielen Dank für so eine schnelle Antwort :)
Dann ist es also tatsächlich "nur" eine mathematische Lösungsmethode. (natürlich trotzdem unglaublich beeindruckend)
Dadurch, dass die imaginäre Kompenente rein durch eine Substitution ins Spiel kommt, wird mir auch glaub ich ein bisschen klar, wieso man es am Ende nicht mit komplexen Zeitwerten zu tun hat.
So eine Funktion konkret mal zu sehen wäre echt interessant, ich kann dir aber nicht versprechen, dass ich es verstehe, auch wenn mir jetzt durchaus das Prinzip klar ist.
Man kann ja auch komplexe Zahlen benutzen um reelle Nullstellen von Polynomen dritten Grades zu bestimmen ohne dieses Rumgerate, von da kenn ich das bisher :)
Nun, bei Polynomen ist das etwas anders. Sollte ein Polynom eine rein komplexe Nullstelle besitzen, so lässt sich diese nicht ins Reelle übertragen. Komplexe Nullstellen stellen also zusätzliche Nullstellen dar, die es ermöglichen, das im Reellen "unzerlegbare" Polynom in Linearfaktoren zu zerlegen.
Ein Beispiel für eine im komplexen sehr leicht integrierbare Funktion wäre zb. die Funktion x^2 / (1 + x^4)
Man definiert daraus die komplexwertige Funktion z^2 / (1+z^4), dann berechnet man alle ihre komplexen Nullstellen, danach die entsprechenden Residuen und benutzt die Integralformel des Komplexen.
Ja mein Vergleich hakt da ein bisschen, aber es ist halt auch eine gute Methode hierfür die komplexen Zahlen zu verwenden, auch wenn man sich nur die die reellen Nullstellen interessieren sollte.
Die komplexe Integralformel (du meinst vermutlich die cauchysche Integralformel?) kenne ich leider noch nicht, werd mich aber in ein paar Semestern damit noch auseinandersetzen glaub ich :) Trotzdem danke für dieses Beispiel, ich werd mich mal damit noch genauer auseinandersetzen und probiern, ob ich das dann konkret mal durchrechnen kann. Mein Interesse wurde geweckt :)
wobei das jetzt nicht wirklich eine wick-rotation ist. wick-rotation sieht z.B so aus:
Int[-Inf,+Inf] Int[-Inf,+Inf] dx dy 1/(x²-y² + ie)
also eine minkowski-metrik mit x²-y² im nenner, wobei e>0 infinitesimal
die polstellen in der komplexen x ebene liegen bei x= +/- (y - ie), sodass man in der komplexen ebenen eine art acht schließen kann (relle achse von -Inf bis +Inf, viertelkreis im undendlichen, imaginäre achse von +iInf bis -iInf, viertelkreis im unendlichen), sodass das gesamte ringintegral 0 ist. da die beiden viertelkreise im unendilch nichts beitragen da die funktion schnell genug abfällt, liefert also die integration über die relle achse dasselbe wie die integration über die imaginäre achse. wenn man das ausnützt erhält man
-i * Int[-Inf,+Inf] Int[-Inf,+Inf] dx dy 1/(x²+y²)
jetzt steht also eine euklidische norm x²+y² im nenner und man kann das ganze ganz einfach in sphärischen koordinaten lösen
-2 * Pi * i Int[0,+Inf] dr/r
(das integral ist zwar divergent, aber das ist ein anderes problem...)
du meinst vermutlich die cauchysche Integralformel
um exakt zu sein, meinte ich den Residuensatz. Das ist der wichtigste Satz, der mir im Studium der Funktionentheorie begegnet ist. Aber mit der Cauchyschen Integralformel bist du auf dem guten Weg, den genannten Satz herzuleiten.
werd mich aber in ein paar Semestern damit noch auseinandersetzen glaub ich :)
das würde ich dir sehr empfehlen! Funktionentheorie ist eins meiner Lieblingsfächer.
Jo, das bezieht sich wohl auf die wick-Rotation. Es gibt aber auch ein ganz einfaches Argument, warum das "mit i zu multiplizieren" nur ein Rechentrick seien kann: Der Komplexe Körper ist ungeordnet.
Vielleicht benutzt er einen ganz einfachen mathematischen Trick und verletzt dabei keine Gesetze der Mathematik - was von einem Wissenschaftler auch zu erwarten wäre . Also es wäre wirklich übertrieben, daraus ein Drama zu machen.
Hallo, es ist zwar schon etwas Zeit seit deinem Post vergangen aber falls du noch Interesse hast, hier ein Video.
https://youtube.com/watch?v=RwEIlww673I
mfg
Wär eine gute Frage an Herrn Hawking. Kein anderer kann es dir sagen. Denn er behauptet, es ist ein Rechentrick.
Eben. Viele reelle Funktionen lassen sich im komplexen viel einfacher lösen, deshalb nutzt man diesen Trick aus: man überträgt das Integral ins Komplexe, wendet dort die entsprechenden Methoden an und berechnet so das Integral auf eine "einfache" Weise. Dabei werden keine mathematischen Gesetze verletzt, und das Ergebnis ist reell und vor allem korrekt. Für Interessierte könnte ich solche Funktionen hier angeben.