Idolenlehre von Francis Bacon?

2 Antworten

Francis Bacon hat eine empiristische Grundhaltung (Experiment und Induktion sind nach sehr Erkenntnistheorie sehr wichtig) und ist ein Vertreter des Nominalismus.

empfehlenswerte Textgrundlage:

Francis Bacon, Neues Organon : lateinisch – deutsch. Teilband 1: 2. Auflage. Herausgegeben von Wolfgang Krohn. Hamburg : Meiner, 1999 (Philosophische Bibliothek ; Band 400 a). ISBN 3-7873-0757-5 Teilband 2: 2. Auflage. Herausgegeben von Wolfgang Krohn. Hamburg : Meiner, 1999 (Philosophische Bibliothek ; Band 400 b). ISBN 3-7873-0758-3

Das Novum Organum enthält die Theorie der Trugbilder/Idole/Fehlerquellen (englisch: idols; lateinisch: idola) in den Aphorismen 38 – 69.

Thema ist die Irrtumsanfälligkeit des Verstandes. Durch Antizipationen (Vorwegnahmen; möglichst schnelles Vorstoßen zu abstrakten Begriffen und Verharren bei ihnen aufgrund des argumentativen Verfahrens der Verallgemeinerung) entstehen falsche Begriffe und Urteile. Vorurteile und falsche Begrifflichkeit (notiones falsae) stehen einer wissenschaftlichen Erkenntnis faktisch, aber nicht prinzipiell, entgegen und können unter Zuhilfenahme einer richtigen Methode durch den wachen und aufmerksamen Verstand vermieden werden können.

Francis Bacon nennt unter dem Gesichtspunkt ihrer Genese (Entstehung) 4 Arten/Klassen der Idole/Trugbilder, die den wahren Zugang zur Natur verhindern:

1) Idole/Trugbilder des Stammes (idola tribus)

2) Idole/Trugbilder der Höhle (idola specus)

3) Idole/Trugbilder des Marktes (idola fori)

4) Idole/Trugbilder des Theaters (idola theatri)

Idole/Trugbilder des Marktes

Bei den Idolen/Trugbildern des Marktes geht es um den Umgang und Austausch von Menschen in gesellschaftlichen Bezügen und Rahmenbedingungen.

Hier handelt es sich vor allem um (im Rahmen eines gesellschaftlichen Umfeldes stattfindende) Sprache und Kommunikation unter den Menschen. Die Fehlerquelle ist durch soziale Beziehungen bedingt.

Sprache sei für praktische Zwecke des Alltags geschaffen worden, bei denen vage Ausdrücke meistens sogar vorteilhaft seien, weil bei der Festlegung eindeutiger Bedeutungen wiederum die Bedeutung der in der Definition vorkommenden Wörter zu klären sei und dies letzten Endes nur durch Hinweise auf bestimmte besondere Fälle möglich sei. Die Verwendung ungenauer Wörter der Alltagssprache im wissenschaftlichen Zusammenhang ohne zusätzliche Präzisierung sei dagegen eine Gefahr. Mit dem Erlernen von Sprache werden sozial geprägte Erfahrungen übernommen, die individuelle Erfahrung beeinflussen. Die Übernahme sprachlicher Gewohnheiten kann bei den Unterscheidungen durch Wörter zu Behinderung von Erkenntnissen führen, da wichtige sachliche Unterschiede möglicherweise gar nicht in den Blick geraten. Es drohen Streitigkeiten um bloße Worte und Benennungen, die keinen sachlichen Ertrag ergeben.

Durch die Sprache geschieht eine Verwirrung des Geistes:

a) Benennungen für Dinge, die es nicht gibt (z. B. in der Schicksalslehre; „Schicksal“ ist nur eine Benennung; ebenso „erster Beweger“ – nicht durch Erfahrung bestätigt - , „das Element des Feuers - - Zuschreibung eines elementaren Zustandes der Materie aus theoretischen Systemzwängen, die sich aus der Zuordnung der Elemente zu den Grundqualitäten warm-kalt, feucht-trocken ergeben -)

b) schlechte Abstraktionen (aufgrund von oberflächlichen Ähnlichkeiten werden Analogien zwischen Dingen oder Eigenschaften gebildet)


Albrecht  30.10.2013, 23:51

Idole/Trugbilder des Theaters

Diese Trugbilder werden durch Dramatik der Theorien/weltanschaulicher Systeme herbeigeführt. Lehrmeinungen der philosophischen Theorien (als Fabeln tituliert) beeinflussen. Menschen haben eine Neigung, unkritisch an kollektiv oder individuell entstandenen, anerkannten Aufsaugungen festzuhalten, sie nicht in Frage zu stellen oder sogar gegen Einwände zu verteidigen.

Die Idole/Trugbilder hätten aus der Welt eine Dichtung und eine Schaubühne gemacht. Bacon greift dogmatische Lehren und verkehrte Regeln der Beweisführung an. Er wendet sich gegen drei Gruppen:

a) sophistische und rationalistische Ansätze

b) bloß blindlings herumsuchende, sich auf wenigen Versuchen beschränkende empiristische Ansätze

c) abergläubische Ansätze

Bei den sophistischen Ansätzen meint er rein rationalistisch durchgeführte Ableitungen (Deduktionen) ohne echte Erforschung der Dinge, also von Erfahrung abgetrennte Deduktionen über die Erscheinungswelt. Gegner ist die Scholastik, vor allem eine an Aristoteles anknüpfende Tradition. Bacon richtete sich gegen Aristoteles, der seiner Meinung nach häufig bloß formale Logik verwende und aus allgemeinen Ursachen und Prinzipen ableite.

Einem bloß zufälligen empirischen Herumsuchen ohne Plan und Theorie, das auf sehr wenige Versuche beschränkt ist und alles andere nicht in den Blick nimmt, stimmt Bacon auch nicht zu.

Sehr deutlich verworfen werden abergläubische Auffassungen, mit Beimischungen aus der Theologie, der Überlieferungen und Phantasiegebilden.

Ein allgemeiner Vorwurf gegen dogmatische Ansätze ist, willkürlich erst noch nachzuweisende nötige Verbindungen zwischen den einzelnen Dingen und höchsten Prinzipien zu überspringen.

Bacon verlangt, auf ausreichender Erfahrungsgrundlage aufzubauen.

kurze Darstellung des Lebens und der Hauptwerke:

Jean-Chistophe Merle, Francis Bacon. In: Großes Werklexikon der Philosophie. Herausgegeben von Franco Volpi. Stuttgart : Kröner, 1999. Band 1: A – K, S. 130 – 134

Artikel in Nachschlagwerken zu den Iolden/Trugbildern bei Francis Bacon:

Herbert R. Ganslandt, Idolenlehre. In: Enzyklopädie Philosophie und Wissenschaftstheorie. Herausgegeben von Jürgen Mittelstraß. Band 3: G – Inn. 2., neubearbeitete und wesentlich ergänzte Auflage. Stuttgart ; Weimar : Metzler, 2008, S. 543 – 544

Alfons Reckermann, Idol, Ido(lo)atrie In: Historisches Wörterbuch der Philosophie. Band 4: I – K. Basel ; Stuttgart: Schwabe, 1976, Spalte 189 – 190

gute Einführung mit einem Literaturverzeichnis:

Wolfgang Krohn, Francis Bacon. Originalausgabe. 2., überarbeitete Auflage. München : Beck, 2006 (Beck'sche Reihe : Denker ; 509). ISBN 978-3-406-54113-1 (zum Werk: S. 63 – 183)

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Neben Wikipedia "Francis Bacon" und "Novum Organum", die beide gute Anhaltspunkte bieten, empfehle ich noch:

http://www.philolex.de/baconfr.htm

Wichtig ist zu beachten, wann Bacon gelebt hat. Er ist ein Vertreter der modernen, empirischen Wissenschaften, für die ein Giordano Bruno zu Bacons Lebzeiten in Rom öffentlich verbrannt worden ist. Bacon ist Zeitzeuge, dass sein Zeitgenosse Galileo Galilei solange im Gefängnis landete, bis er seiner Auffassung eines heliozentrischen Kosmos abschwörte, weil dieses der Bibel widersprach. Bacon hatte das Glück, in England in Sicherheit zu sein.