Habt oder Hattet ihr schon mal Erfahrungen mit Häuslicher Gewalt?

Das Ergebnis basiert auf 13 Abstimmungen

NEIN 69%
JA 31%
JA immer noch 0%

3 Antworten

Vom Beitragsersteller als hilfreich ausgezeichnet
JA

Früher gab es das auch schon, es galt aber vielerorts als "normal", dass der harte Arbeitsmann nach dem "Schaffen" heimkommt, erst mal rumpöbelt, dann das Essen mitsamt dem Teller zum Fenster raus schmeißt, weil's dem Herrn nicht schmeckt, die Kinder zur Sau macht, weil sie sich nicht wehren können, und zuschlägt bis das Blut spritzt - ehe er wie ein herzkranker Mistkäfer japsend auf der Breitcord-Couch unter dem röhrenden Hirsch das Quartier bezieht, sich bedienen lässt, sich betrinkt und dann beim ZDF-Magazin mit Gerhard Löwenthal oder alternativ "Monitor" in der ARD mit Klaus Bednarz einen Brass auf "die da oben" kriegt, erneut alles besser weiß, sich in Rage pöbelt und der Frau ein blaues Auge verpasst, weil sie nicht schnell genug das Bier beibringt, oder, "nicht pariert" und ER das ja als Arbeitsmann und Geldbringer auch "dürfe".

Genau so lief das in meiner Heimat noch in den 90ern und frühen 2000ern ab, ich war einer der Wenigen, der nicht aus so einer Arbeiterfamilie stammte und bin mir heute erst als Erwachsener im Klaren darüber, was es mir erspart hat und wie gut es mir ging.

Arme Leute waren das übrigens nicht; die hausten in "sauber gepflegten" Doppelhaushälften und anderweitigen Eigenheimen mit Gartenzwerg und Zierrasen sowie Nutzgarten und Vogelhäuschen, hatten einen vom Vater penibel jeden Samstag gewienerten neu gekauften Stufenheckwagen der Mittelklasse, Opel Vectra oder Ford Sierra oder so was oder diesen furchtbaren 190er Mercedes, wenn man "ja wirklich was Gescheites war und weil mir keine armen Schlucker net sind, net" -----> die hatten alles und auch gute Einkommen, waren oft sehr sparsame Leute, katholisch bis zur Bigotterie; klassisches CDU-Publikum der späten Bonner Republik, seit Schröder in der Regel politik(er)verdrossen und mitunter fast NPD-nah oder mit Sprüchen wie "damals beim Adolf hätte es das nicht gegeben, net". Wohlgemerkt: Frühe 2000er, nicht späte Siebziger.

Es haben alle weggeschaut, es war allen egal und das Problem war bekannt - zumal es Väter gab, die am Elternabend im Brustton der Überzeugung sagten, sie schlagen ihre Kinder "selbstverständlich" und der Lehrer solle ruhig auch drauf hauen, wenn der Bub "aufmuckt" oder das Mädchen "rumzickt", daheim gebe es dann erst richtig "Haue", bis das Blut spritzt. In den Augen dieser Arbeiterväter war Gewalt "immer eine Lösung", der Vater eines Mitschülers hat auch nach außen hin so was gesagt; ein bulliger Typ, vor dem ich mich auch mit 15/16 noch fürchtete, weil er auch andere Kinder schlug und trat, wenn er meinte, sei seien "frech" gewesen oder "zu schnell mit dem Fahrrad gefahren".

Wenn damals Kinder mit Striemen und blauen Augen in die Schule kamen, war es allen egal und auch der netteste und humanste Lehrer hat sich nix dabei gedacht, wenn er so was sah, weil klar war, woher das kommt und weil es normal war bzw. weil das System resigniert hatte. Bevor am Abend der Papa ausrastete, hatte es am Nachmittag die Mama sowieso schon mit dem Kochlöffel oder dem Teppichklopfer getan oder Kopfnüsse verteilt - ich hatte auch einen Mitschüler, der als er acht Jahre alt war, "weil er nicht brav" war, von seiner Oma die Steintreppe runtergeschubst wurde und sich dabei böse am Bauch verletzt hat - das geschah in den Sommerferien, der war noch im neuen Schuljahr gehandicapt und hatte länger eine Art Gipspanzer. Natürlich will so was hinterher keiner gewesen sein oder ist man so selbstherrlich dass man sagt, geschieht dem Buben recht, weil er nicht brav war.

XXX

Heute ist die Situation generell noch genauso schlimm mit dem Unterschied, dass man statt Löwenthal und Bednarz heute Maischberger oder Klamroth (der geht gar nicht, das musste sein) konsumiert, aber das Bewusstsein hat sich geändert und man spricht im Gegensatz zu "früher" drüber; man weiß, dass es nicht okay ist, dass auch Kinder und Tiere Gefühle haben und geht die Sache an - und die Generation, die damals bei uns so drauf war wie diese Arbeiterväter, hat gesellschaftlich nicht mehr viel zu melden, zumindest nicht da, wo es wichtig wäre. Das ist alles, was ich dazu zu sagen habe und es beruht alles auf eigenen Erlebnissen, die ich selbst gesehen und gehört habe in den Jahren ca. 1992 bis 2009.

Urheber bzw. Täter waren so typische kleinkarierte Spießer aus den Reihenhäusern, die im Handwerk oder der Industrie, ausübten. Verbale Gewalt beherrschten die auch ganz gut, vor allem Kindern, Frauen oder Ausländern oder aber den eigenen betagten Eltern / Schwiegereltern gegenüber, denen man "Haue" angedroht hat und ggf. sogar umsetzte - alles schon gesehen. Ich habe es mal erlebt, dass einer einen Freund von mir vom Fahrrad gepackt und angebrüllt hat, weil er auf einem angeblich "nur für Anlieger" gedachten Fahrradweg fuhr (als solcher ausgeschildert war der Weg bis zu meinem Wegzug rund 20 Jahre später aber nie) - da war mein Freund vielleicht zehn Jahre alt. Ich werde bis heute den Verdacht nicht los, dass dieser pöbelnde Mann derjenige war, der zehn Jahre später mit Anfang 50 an Alzheimer erkrankte und jämmerlich im Pflegeheim gestorben ist, optisch könnte es hingekommen sein. Dann gab es noch so einen Typen, der Zeitungsausträger (damals waren das in der Regel Jugendliche, die er eher einschüchtern konnte als einen Erwachsenen, der wohl gekontert und was gesagt hätte) am frühen Morgen um halb vier abfing, erstmal beschimpfte und ihnen dann erklärte, wie sie die Zeitung richtig zu falten hätten. Das war nur die Spitze des Eisbergs. Ich wohne da glücklicherweise nicht mehr, aber ich denke, dass es heute nicht viel anders ist. Viele "jüngere" auch in meinem Alter haben vor Jahren schon und teilweise auch letztes Jahr bei Vorbereitung und Durchführung eines Klassentreffens Tendenzen gezeigt, diese Verhaltensweisen ihrer Eltern und Großeltern zu übernehmen oder übernommen zu haben. Denn niedrige Bildung, ein Geltungsbedürfnis solcher Wüteriche, ihr geringes Ansehen und der Wunsch nach Beachtung, aber auch die Erziehung (die Eltern machen es den Kindern vor) sowie die auf dem Land oder in der Vorstadt oft ruppige Mentalität mit dauerhaft mehr pöbelndem als sachlichem oder frechem und aggressivem Umgangston sind hier maßgebend - zumindest meiner Erfahrung nach.

XXX

Ich denke bei häuslicher Gewalt sofort zumeist an einen nach außen hin relativ bieder auftretenden, unauffälligen Mann, deutlich über 40 oder auch schon etwas über 50. Er wohnt in einem sauberen Einfamilienhaus oder einer Doppelhaushälfte, ist der Inbegriff eines "arbeitsamen tüchtigen Schaffers", wirkt gesellig, trinkt gern mal einen über den Durst ohne jedoch Alkoholiker zu sein. Er hat eine Frau, die nicht arbeitet und zwei Kinder. Er ist ein kleiner Arbeiter und arbeitet irgendwo im Handwerk, ist allgemein kein "Freundlicher", aber auch nicht direkt unfreundlich; er ist kein sehr attraktiver Mann, aber auch nicht eklig und pflegt sich so halbwegs d.h. er hat kein Problem damit, an Familienfeiern oder in der Kirche den Anzug anzuziehen. Er ist etwas dicklich, aber nicht fett; er lacht am Stammtisch am lautesten über Witze. Beim Bier am Stammtisch taut er auf und weiß auf alle Fragen eine Antwort, während "die da oben" nicht drauf kommen. Gern geht er neben dem Stammtisch auch eventuell zum Sportverein oder in den Gesangverein usw. und womöglich auch in die Kolpinggruppe, in der er sich als tüchtiger Handwerker und gläubiger Christ auch vielleicht sogar engagiert oder als Jugendlicher engagiert hat. Er ist einfach "der nette Herr Nachbar", der einfach nur da ist. Es mag ihn keiner so wirklich, weil irgendwas an ihm komisch ist, aber es gibt objektiv auch keinen Grund, ihn zu hassen oder ihn komplett blöd zu finden oder den Kontakt zu vermeiden.

Richtig leicht hatte er es zwar nie, das Elternhaus war nicht das Beste, aber asozial waren die Verhältnisse auch nicht; nach der Volksschule hat er irgendwas im Handwerk gelernt und blieb seinem Lehrbetrieb treu. Am Haus hat er, sofern es nicht von den Eltern übernommen wurde, viel selber gemacht und es wirkt sehr gepflegt - genauso wie der akkurat gehegte Garten und der praktische Mittelklassewagen einer eher preiswerten Marke, den er sehr penibel wienert.

Hinter Gartenzwerg, perfekt getrimmter Hecke, Ziergehölzen, dem schmucken Haus und der Garage mit Warmwasseranschluss brodelt es jedoch: Die Kinder werden beschimpft, gemaßregelt und vielleicht sogar verdroschen; bei der Frau fliegt schon mal der Teller mit dem Essen aus dem Fenster, wenn's dem Herrn nicht schmeckt. Ihm rutscht immer wieder und nicht eben selten wegen Kleinigkeiten die Hand aus, ist doch klar, der Vater war schon genauso zur Mutter und es scheint ja auch völlig in Ordnung zu sein und der Herr im Haus darf das ja, immerhin rackert er sich in der Fabrik ab und will am Abend in Ruhe gelassen oder seine Wünsche erfüllt bekommen. Wie es der Familie geht, ist egal, nur da draußen muss alles perfekt wirken, obwohl vielleicht der Nachbar aus Hausnummer 37 schon lang ganz offen weiß, was los ist und der aus Nummer 33 es zumindest ahnt.

Die Frau trägt das mit, weil ihr keine andere Wahl bleibt; sie hält immer felsenfest zu ihm, den sie vor 25-30 Jahren geheiratet hat, und die Kinder "werden schon zu Recht eine gebatscht bekommen", die seien ja auch so frech zum Papa gewesen, der ja ein Recht drauf hat, zuschlagen zu dürfen, es hat ja den Kindern nie geschadet und die Kinder von heute haben es ja ohnehin so gut, wie man selber es nie gehabt hat.

Wenn man älter wird und die Kinder aus dem Haus sind, wird unter Tränen im kleinen Kircherl auf einem umliegenden Dorf die Goldene Hochzeit gefeiert "weil es doch so schön war" und ein Zeitungsredakteur einbestellt, der ein Foto der Eheleute im immer noch geschniegelten Garten macht oder unter der Hollywoodschaukel, "ja aber bitte" schreiben soll, dass man seine Enkelchen so lieb hat und die Familie so viel Kraft schenkt und eine Flasche Sekt geschenkt bekommt "von ordentlichen Leuten, weil man das so macht". Wenn eine Woche später der zehnjährige Enkel zu Besuch kommt und nicht pariert, schlägt der Opa ihn grün und blau und die Oma sagt wie damals, ha ja, der Kleine hatte halt auch ein freches Maul, damit hat er rechnen müssen.

XXX

Das ist leider nicht erfunden, sondern eine wahre und sehr traurige Begebenheit aus meiner Heimatstadt und ich werde mein Leben lang dieses Bild vor Augen haben, was häusliche Gewalt angeht. Glücklicherweise wurde der Mann eines Tages aus dem Verkehr gezogen, weil seine Tochter ihn angezeigt hat fürs wiederholte Verprügeln der Enkelkinder. Inzwischen ist er fast blind, wie ich gehört habe; er müsste jetzt so Mitte 80 sein und als ich 2018/19 letztmals auf ihn traf, hieß es aus der Nachbarschaft, dass er zeitweilig immer noch die Suppenteller aus dem Fenster wirft und die Frau (um die 80) immer wieder mit merkwürdigen blauen und roten Flecken morgens klammheimlich auf den Markt huscht.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung
Von Experte DianaValesko bestätigt
JA

Hallöchen

Ich war mit einem narzzistischen Mann verheiratet , der auch schlug

Es gab nur noch einen Ausweg ....Trennung ( Scheidung )

Es war Horror pur . Und w e r einmal schlägt , schlägt auch immer wieder

Innerhalb der Familie gab es auch Gewalt ,- meine Tante wurde von ihrem Mann geschlagen . Sie blieb aber bei ihm , griff irgendwann zur Flasche , und nahm Psychopharmaka . Die Frau starb einsam , und ohne jegliche Liebe ihres Mannes

Meine Mutter und ich waren immer für sie da gewesen . Ich denke , in vielen Familien gibt es Gewalt. Vieles wird auch verschwiegen .

LG. Angel


DianaValesko  15.06.2024, 17:20

Das tut mir sehr leid das sind ja furchtbare Erfahrungen.

1
Angel1112  15.06.2024, 17:57
@DianaValesko

Danke Dir ,- es waren furchtbare Jahre . Aber die haben mich auch stark gemacht

Ich war auch blauäugig , und dumm und sehr jung damals ...

LG 💝Angel

1
DianaValesko  15.06.2024, 17:57
@Angel1112

Das war wirklich schlimm, zum Glück geht es Dir jetzt gut liebe Grüße

1
Angel1112  15.06.2024, 17:59
@DianaValesko

Ja ,- das ist auch schon sehr viele Jahre her . Ich weiss , wie schlimm es ist , wenn Menschen geschlagen werden . Gewalt in der Partnerschaft ist was Furchtbares

Oder an Kinder , oder auch Tieren .

1