Gibt es Säugetiere ohne Wirbel oder Rippen?

6 Antworten

Säugetiere gehören ausnahmslos zum Unterstamm der Wirbeltiere.

Die verblüffende Antwort ist: ja!

Aber man muss dafür ein bisschen um die Ecke denken. Und wir müssen uns ein kleines bisschen mit Krebs befassen. Nicht mit Krebs im Sinne von Hummern, Langusten oder Krabben, sondern im Sinne von Tumorerkrankungen.

Bei Krebs gerät der natürliche Vorgang der Apoptose, der programmierte Zelltod, von Zellen durcheinander und die Zellen beginnen, sich unkontrolliert zu teilen. Krebszellen zapfen das Blutsystem an, denn für ihr Wachstum benötigen sie große Menge an Nährstoffen und Energie. Je nach Krebsart bildet sich so eine Geschwulst, ein so genannter Tumor. Doch Krebszellen sind immer noch körpereigene Zellen und werden deshalb vom Immunsystem nicht entdeckt, darum können sie sich so unkontrolliert vermehren. Wenn ich aber Krebszellen aus einem Tumor entnehme und einer fremden Person spritze, wird das Immunsystem dieser Person die Zellen identifizieren und sofort unschädlich machen. Krebs ist also in der Regel nicht ansteckend. Oder?

Es gibt einige Krebserkrankungen, die sind höchst ungewöhnlich, denn sie sind ansteckend. Die meisten wissen sicherlich, dass beispielsweise Gebärmutterhalskrebs von bestimmten HP-Viren übertragen wird, weshalb gegen diese Virus-Stämme die ständige Impfkommission eine Impfung sowohl bei Mädchen als auch bei Jungen empfiehlt. Doch es gibt auch Krebsarten, die weder durch Bakterien noch durch Viren übertragen werden, sondern durch die Krebszellen selbst. Eine dieser Krebserkrankungen ist CTVT.

CTVT (canine transmissible venereal tumor, übertragbarer venerischer Hundetumor) oder auch Stricker-Sarkom genannt, ist eine Krebserkrankung, welche bereits 1876 beschrieben wurde. Beim CTVT werden durch oralen oder sexuellen Kontakt die Krebszellen selbst übertragen und können im neuen Wirtsorganismus, also dem neu infizierten Hund, die Erkrankung auslösen. Genetische Studien haben gezeigt, dass sämtliche CTVT-Zellen auf der Welt auf eine einzige Krebszelle zurückgehen, die irgendwann vor rund 500 Jahren v. Chr bis 9300 Jahren v. Chr. entartete und sich bis heute weltweit ausbreiten konnte. Bei CTVT handelt es sich damit um die älteste bekannte tierische Zellkultur. Man kann es jedoch auch wie Zrzavý et al. (2913) ausdrücken:

"Oder noch anders, wir können sie als eine neue, sich ungeschlechtlich fortpflanzende, einzellige und parasitische Art der hundeartigen Raubtiere (Canidae) bezeichnen, die andere hundeartige Raubtiere befällt. Säugetiere müssen nicht unbedingt vielzellig sein." (S. 232)

Wir können noch weiter gehen. Eine der am weitesten in allen Laboren der Welt verbreiteten Zellkulturen ist die der so genannten HeLa-Zellen. Diese stammen von Henrietta Lacks, einer Amerikanerin, die an Gebärmutterhalskrebs infolge einer HPV18-Infektion erkrankt war. Rund acht Monate nach der Entnahme starb Henrietta Lacks, die aus dieser Gewebeprobe gewonnenen HeLa-Zellen leben jedoch in vielen Laboren über den gesamten Globus verteilt noch heute. Zrzavý et al. (2013) schreiben hierzu:

"Man braucht nicht viel Phantasie, um sich die Tatsache zu vergegenwärtigen, dass eine HeLa-Zellkolonie offensichtlich kein Mensch im üblichen Sinn ist: Sie hat eine ganz andere Morphologie, Physiologie und Ökologie (da es sich um einzellige Organismen handelt, die in Laborgefäßen leben) – und besitzt doch ein Primatengenom. Vor unseren Augen entstand ein einzelliges Säugetier, ein einzelliger Primat, ein einzelliger Mensch – also klar ein neuer „Bauplan“ – und das nicht im Kambrium, sondern vor sechzig Jahren." (S. 230)

Im herkömmlichen Sinn jedoch existiert kein Säugetier, welches keine Wirbel oder Rippen besäße und deine Ausgangsfrage muss mit nein beantwortet werden. Interessant ist, dass bei sämtlichen Säugetieren (von wenigen Ausnahmen unter den Sirenen und Faultieren abgesehen) die Halswirbelzahl immer exakt sieben beträgt. Egal, ob es sich um einen Menschen, eine Zwergmaus oder eine Giraffe handelt.

Literatur
Zrzavý, Jan; Burda, Hynek; Storch, David; Begall, Sabine; Mihulka, Stanislav (2013). Evolution. Ein Lese-Lehrbuch (2. Aufl.). Berlin Heidelberg: Springer Verlag.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Biologiestudium, Universität Leipzig

Dawn06  11.03.2019, 19:42

Das alles ist theoretische Musik. Das sind Zellen eines Säugetiers, mehr nicht. Angefangen dabei, dass (Säuge)Tiere per Definition vielzellige, heterotrophe Metazoa sind. Da es Zellen sind, brauch ich auch gar nicht erst mit Autapomorphien wie sekundärer Gaumen, Haare, vierkammriges Herz und Facialismuskulatur etc. anfangen. Es sind und bleiben Zellen, die einfach nur ihre normale Wachstumsfähigkeit verloren haben und nun auch übereinander wachsen. Da daraus NIE wieder ein Tier werden kann, ist es auch kein Säugetier.

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Darwinist  11.03.2019, 23:30
@Dawn06

Diese Krebszellen haben einen eigenen Stoffwechsel, wachsen, vermehren sich. Der Definition nach sind es vollständige Lebewesen. Und ihr Genom weist sie eindeutig als Säugetiere aus. Ich sehe daher keinen berechtigten Einwand, diese Zellen nicht als stark abgeleitete Säugetiere zu betrachten; Autapomorphien hin oder her (aber wenn du schon die apomorphen Merkmale ins Spiel bringst, es reicht völlig aus, dass apomorphe Merkmale in der Stammesgeschichte auftraten, sie müssen sich nicht zwingend am lebenden Individuum äußern - sonst würden Wale, die bekanntlich kein Fell mehr besitzen, wohl auch als Säugetiere durchfallen und kein ernsthafter Taxonom zweifelt heute an der Zugehörigkeit der Cetaceen zu den Mammalia).
Diese Sichtweise mag vielleicht radikal sein, aber es ist stimmig und logisch. Der Evolution ist es egal, wie komplex ein Lebewesen (scheinbar) aufgebaut ist. Alles, was zählt, ist die Fähigkeit, zu überdauern. Und sieht man sich die Zeitdauer an, die CTVT schon überdauert, scheint es kein evolutionär unerfolgreiches Modell zu sein.

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Da Säugetiere Wirbeltiere sind, ist es wohl logisch, dass es kein gesundes Säugetier ohne Wirbel gibt... ;)

Säugetiere sind per Definition (soweit ich weiß) - Wirbeltiere. Also, nein.

Woher ich das weiß:Recherche

Nein, denn die Wirbel sind ja ein typisches Merkmal von Säugetieren