Gibt es neben dem Alltags Ego ein spirituelles Ego?

2 Antworten

Nach der Ich-Auflösung bleibt Leere oder Nichts. Aber eigentlich bleibt auch nicht nichts. Es bleibt weder Etwas, noch Nichts, da jede Form von konzeptionellem Verständnis oder Verständnis im Allgemeinen aufhört. Genauso auch die Instanz die verstehen könnte. Jede Trennung hebt sich auf, so auch die Trennung zwischen "Ich" als Subjekt und "andere oder anderes" als Objekt oder andere Subjekte. Alles wird Eins, oder besser, Nicht-Zwei. Im Prinzip könnte man sagen, dass was bleibt ist Einheit. Was das heißt? Was siehst du wenn du dich umschaust? Einen Raum? Einen PC? Boden, Häuser, Menschen. Das ist alles nicht du. Du bist nur das Ich hinter deinen Augen. Aha. Wenn diese Instanz wegfällt, was bleibt? Was bleibt ist das was passiert, ohne Benennung. Und du erkennst ganz klar, dass das was ich bin, alles ist was passiert. Du bist die Bäume, der Raum, die Menschen. Das ist das einzige ungetrennte Ich das überhaupt existiert. Und du als die Gesamtheit erfährst dich dort als eine kleine unbedeutende Person.

Das spirituelle Ego ist im Prinzip das ganz normale Alltagsego. Warum man es das spirituelle Ego nennt liegt daran, dass in dem Moment wo versucht wird, sich selbst aufzulösen, man genau die Bereiche stärkt die versuchen aufgelöst zu werden.

Wenn ich sage ich will frei von meinem Ego werden, warum will ich das? Um dem Leid zu entkommen? Um genauso wie Buddha erwacht zu sein? Zum angeben? Höher zu sein? Einfach nur um Einheit zu erfahren? Es sind so oder so alles Gründe um sich zu verbessern, um mehr zu werden, um jemand zu sein, besonders, oder überhaupt einfach irgendeinen Zweck daraus ziehen zu wollen. Das ist ungefähr so als würdest du versuchen wollen, die Spitze deines linken Zeigefingers mit deinem linken Zeigefinger zu berühren, oder Feuer mit Feuer zu löschen.

Das heißt, um Satori, Moksha, Erwachen oder einfach, Ich-Auflösung zu erlangen, müsste man einfach aufhören irgendwas zu wollen. Sich selbst loslassen, sich voll und ganz hingeben. Aber warum willst du das? Wozu gibst du dich hin? Warum aufgeben? Du merkst, dass der Grund warum du aufgeben willst der einzige Grund ist warum du immer noch das Gefühl hast ein begrenztes Ich zu sein - weil du versuchen willst irgendetwas daraus zu ziehen oder zu gewinnen oder zu erreichen.

Wenn du jetzt also sagst, du bist spirituell, und du meditierst ganz viel, beschäftigst dich mit Advaita, dem Zen, Buddhismus, Daoismus oder was auch immer und versuchst, dein Ego aufzulösen, und glaubst "ja man so krieg ich das, ich bin auf dem richtigen Weg, genau so löst man sein Ego auf", dann spricht man vom spirituellen Ego, weil man sich genauso im Kreis dreht wie alle anderen.

"Ich Auslöschung" / "Ego Tod" höre ich öfters im Internet.

Aber das Konzept ist völlig lachhaft. Wie soll das funktionieren?

Ein Mensch muss ständig für sein Überleben sorgen/kämpfen.

Jeder Atemzug ist eine Inanspruchnahme von Ressourcen.

Selbst wenn du nur rumsitzt, kämpft dein Immunsystem ständig gegen eine Umgebung, die dich zersetzen und deine Ressourcen haben will.

Wenn du dein Ego auflösen willst, müsstest du wohl sterben ^^


Philipp3141  17.01.2022, 02:56
Aber das Konzept ist völlig lachhaft. Wie soll das funktionieren?

Tatsächlich ist es das einzige, was keinem Konzept unterliegt. Wenn alle Konzepte und Bilder aufhören, davon, wie die Welt wohl ist, wie sie funktioniert, was sie ist, dann löst sich auch die Idee einer Person im Kopf auf, weil sie genauso ein Konzept war wie alles andere.

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Philipp3141  17.01.2022, 02:36

ja genau, man müsste sterben. der egotod wird auch als tod empfunden. Wir müssen differenzieren zwischen "ich als der organismus" und "Ich als Person". Der Organismus mit all seinen funktionen ist physikalisch real. Das "Ich" als Person hingegen ist ungefähr genauso real wie Euro, Kilogramm oder der Äquator.

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rnmrn 
Beitragsersteller
 17.01.2022, 02:34

Ich glaube es geht darum sein Ego kurzzeitig aufzulösen und die Fähigkeit aufzubauen hinter sein Ego blicken zu können. Ein schärferes und ein viel realistische Einschätzung über seine Alltagsgedanken zu haben und sich nicht über unnötige Kleinigkeiten aufzuregen. So würde ich das jetzt beschreiben.

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ernstgemeint777  17.01.2022, 02:45
@rnmrn

Also ich hab den Nihilismus.

Der neutralisiert bei mir im Kopf jeden Gedanken, wenn ich will.

Bis zu dem Punkt, an dem auch mein Ich und meine Persönlichkeit verschwinden.

Aber da bin ich nicht stolz darauf, das zu können, ist eher schmerzhaft ^^

Und ich habe es immer als Fluch gesehen, das zu können.

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Bannanenesser  17.01.2022, 02:30

Genau, ist nichts weiter als eine dumme Irrlehre. ^^

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Philipp3141  17.01.2022, 02:33
@Bannanenesser

nope ich auflösung gibt es. körper funktioniert ohne konstruiertes ich. es ist tatsächlich genauso illusionär wie wir sternenbilder am himmel sehen. Das gehirn erkennt muster wo eigentlich keins ist.

es gibt etliche literatur dazu, und es macht auch nur sinn wenn man sich mehr damit beschäftigt. Der zustand ist extrem interessant, da er im gegensatz zum gegenwärtigen Zustand die wirklichkeit genau wiedergibt

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Bannanenesser  17.01.2022, 04:08
@Philipp3141

Ich meinte eher diese ganze Erleuchtungssache. Ist klar das es so etwas wie eine ich Auflösung gibt, z. B. unter psychedelischen Drogen. Doch echte Erleuchtung ist das nicht. Es ist daher auch unnötig nach diesem Zustand zu streben.

Außerdem wer sagt, dass das Ich nicht existiert? Würde es nicht existieren, dann würde ich es ja wohl nicht wahrnehmen. Ergo ist es real.

Ein Mensch mit seiner ganzen Geschichte und Persönlichkeit ist real. Er braucht daher nicht danach zu streben, diese Dinge abzulegen. Das ergibt nicht den geringsten Sinn.

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Philipp3141  17.01.2022, 04:55
@Bannanenesser
Ich meinte eher diese ganze Erleuchtungssache. Ist klar das es so etwas wie eine ich Auflösung gibt, z. B. unter psychedelischen Drogen. Doch echte Erleuchtung ist das nicht. Es ist daher auch unnötig nach diesem Zustand zu streben.

Echte Erleuchtung ist das nicht, da hast du recht. Es ist aber ok danach zu streben, genauso wie Leute nach Pornokonsum, Drogen, Geld, Frauen oder Online Games streben. Aber es ist auf einer anderen Ebene wertvoll. Du siehst dass du auch existieren kannst ohne zu existieren. Es klingt paradox, aber genau deswegen ist es so interessant wenn man merkt dass es möglich ist.

Außerdem wer sagt, dass das Ich nicht existiert? Würde es nicht existieren, dann würde ich es ja wohl nicht wahrnehmen. Ergo ist es real.

Genau das ist ja die Ich-Illusion. Es wirkt als würde "Ich" wahrnehmen dass "Ich" da bin. Ich meine hier bin ich ja. Ich nehme wahr, schreibe, denke, fühle. Aber tatsächlich sind all diese Sachen auch möglich, ohne dass da ein Ich ist. Hier sind Wahrnehmungen, aber niemand der wahrnimmt, Gedanken und Gefühle, aber niemand der sie denkt oder fühlt. Das klingt dann so leer oder tot, aber eigentlich bringt einem so ein Zustand näher an die Realität als jemals und macht lebendiger als jemals, denn alles was in einer Ich-Auflösung übrig bleibt, Wahrnehmung, Gedanken, Gefühle wirst du dann gewisser Maßen.

Ein sehr interessanter versuch zu schauen ob da wirklich ein "Ich" ist, welches Dinge macht und Gedanken denkt, ist zu versuchen die Gedanken anzuhalten. Wenn da wirklich ein Ich wäre welches alles kontrollieren kann, dann könnte es ja auch einfach ne halbe Stunde aufhören zu denken. Wenn du das dann aber versuchst, dann merkst du dass Gedanken von sich heraus auftauchen, du kannst sie nicht stoppen. Die denken genauso allein wie das Herz schlägt.

Ein Mensch mit seiner ganzen Geschichte und Persönlichkeit ist real. Er braucht daher nicht danach zu streben, diese Dinge abzulegen. Das ergibt nicht den geringsten Sinn.

Das ist das interessante an Erleuchtung. Es ist möglich, sowohl die Illusion des Ichs zu durchschauen und aufgelöst zu sein, während man gleichzeitig immernoch Zugriff auf alle Persönlichkeitsanteile hat und normal funktioniert, auf seinen Namen reagiert, und alles genauso macht wie jeder andere.

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