Gibt es Kritik am Hedonismus?

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Es ist in der Philosophie nicht nur ein einziger Standpunkt vertreten worden.

Es gibt zu ethischen Theorien gegensätzliche Überzeugungen, die mehr oder weniger weitgehend Kritik an ihnen enthalten.

Grundsätzlich erscheint es nachvollziehbar, Angemehmes wie Lust, Freude, Vergnügen, Genuss als erstrebenswertes Gut zu beurteilen. Das Gegenteil, Leid und Schmerz, ist offenkundig kein wirklich erstrebenswertes Gut.  

In einer weiten Bedeutung bezeichnet Hedonismus (von griechisch ἡδονή [hedone] = Lust, Freude, Vergnügen, Genuss) eine Auffassung, Lust sei höchtes Ziel des Handelns und Lust (bzw. Freude, Vergnügen, Genuss, Angenehmes oder Ähnliches; die genaue sprachliche Bezeichnung ist nicht entscheidend) der einzige grundlegende Wert.

Eine engere Bedeutung hat Hedonismus, wenn die Bezeichnung abwertend für eine platte und grobe Spielart verwendet wird, die ausschließlich egoistisch orientiert und ganz auf materielle Genüsse ausgerichtet ist. Dann ist ein Handeln nach dem Lustprinzip gemeint, wobei vor allem einfach allen sinnlichen Begierden nachgegangen wird.

In der Ethik gibt es nicht eine einzige einheitliche Theorie des Hedonismus, sondern eine Vielfalt an hedonistischen Richtunge, die einen Kern gemeinsam haben.

Es kann der platten und groben Spielart Eigensüchtigkeit vorgeworfen werden.

Bedenken können z. B. sein, ob das angenehm Erscheinende oder die persönliche Lustbilanz geeignet sind, tatsächlich Glück zu erreichen und andere möglichst nicht zu schädigen bzw. schlecht zu behandeln, ob Hedonismus eine Selbstvervollkommnung bzw. eine möglichst vielfältige und harmonische Entfaltung von Anlagen gewährleistet und ob ausreichend berücksichtigt ist, dass das Lustvolle bzw. die Handlung aufgrund einer Begierde nach Lust auch etwas scheinbar gutes, aber nicht wirklich Gutes sein können

Es wird eingewendet, die Lebenseinstellung sei oberflächlich, bringe oft nicht eine Verwirklichung von echtem Glück und sei zu beschränkt, um ein individuelles Leben und eine Gemeinschaft insgesamt zu tragen.

Kritisiert wird vor allem die Gleichsetzung des Lustvollen mit dem Guten.

Was kurzfristig lustvoll erscheint, kann langfristig überwiegend unangenehm und nicht gut sein.

Mit der Lust als Maßstab hat die Ethik eine subjektive, nicht objektive Grundlage.

Hedonismus ist stark an die Sinneswahrnehmung gebunden, die Beuretilung dadurch täuschungsanfällig. Das Lustvolle ist ein anscheinendes Gut, das ein wirkliches Gut oder nur ein täuschendes Scheingut sein kann

Der Mensch hat eine Vielfalt an Fähigkeiten, die in ihm angelegt sind. Eine Beschränkung auf ein Leben der sinnlichen Lust ist primitiv und vernachlässigt die Entfaltung wertvoller Fähihkeiten, z. B. der Vernunft. So wird das Potential zu einem vollen Glück nicht ausgeschöpft. Dies ist beispielsweise ein Standpunkt von Aristoteles, Nikomachische Ethik: Lust (ἡδονή) ist ein Glücksbestandteil. Das Gute und die Lust gehören zu dem, was um seiner selbst willen liebenswert ist. Die Lust ist aber nach Auffassung vonAristoteles nicht das höchste Gut. Nicht jede Form der Lust ist an sich wählenswert. Nicht jede Lust gilt Aristoteles als ein Gut

Es kann bei hedonistischer Grundlage Schwierigkeiten beim Umgang mit anderem und dem Leben in einer Gemeinschaft geben. Der „klassische“ Utilitarismus (z. B. von Jeremy Bentham und John Stuart Mill vertreten) vertritt neben Nützlichkeitsprinzip und einem hedonistischen Grundsatz auch einen universalistischen Grundsatz, nach dem Lust und Schmerz aller Betroffenen gleichberechtigt zählen, also ein bedeutender Anteil Altruismus enthalten ist. .

Die Frage der Gerechtigkeit bereitet allerdings Schwierigkeiten. Bei der Verteilung des Gesamtnutzens auf Individuen ist eine offensichtlich faire Verteilung nicht gewährleistet. Beim Utilitarismus können individuelle Rechte, wenn Betroffene in der Minderheit sind, auf der Strecke bleiben. Denn wie die durch eine Handlung ausgelöste Menge an Freude/Lust und Leid/Schmerz/Unlust auf alle von einer Handlung betroffenen Individuen verteilt werden, ist für den Gesamtnutzen oft in beträchtlichem Umfang unerheblich. Was den gesellschaftlichen Nutzen in einem Kalkül schlichter Nützlichkeit maximiert, ist nicht unbedingt sittlich und etwas, das intuitiv lobenswert erscheint (Unterdrückung und Verstöße gegen Menschenrechte werden nicht absolut ausgeschlossen). Der bloße Maßstab des Gesamtnutzens enthält noch keine Sicherung, Ungerechtigkeiten stets zu vermeiden.

Nach Aufassung von Immanel Kant ist Glück und damit auch ein Hedonismus als Grundlage einer Ethik ungeeignet.

Das höchste Gut besteht nach Kants Auffassung in der Übereinstimmung von Glückseligkeit und Glückswürdigkeit.

 Kant versteht Glück(seligkeit) als ein empfundenes Wohlbefinden, als besonders hohe subjektive Zufriedenheit (kein objektives Wohlergehen). Glück stellt zwar nach seiner Auffassung ein Ziel dar, aber nach seiner Überzeugung ist Glück als Grundlage der Ethik ungeeignet. Sein Glück zu fördern, geschehe schon ganz natürlich aus Selbstliebe. Beim Erreichen des Glücks gelten Gebote der Klugheit. Diese stellen nur hypothetische Imperative dar. Die Bestimmungsgründe beim Prinzip der Selbstliebe wären nur subjektiv gültig und empirisch (einer zufälligen Erfahrung zu entnehmen), nicht objektiv und notwendig. Bestimmungsgründe sind Wünsche, Begierden, Neigungen und Ähnliches (Streben nach Annehmlichkeit, Gefühle der Lust, erwartetes Vergnügen).

Gründe, warum für Kant Glück nicht das oberste Gut sein kann:

  • Kants Begriff des Glücks/der Glückseligkeit als subjektive Zufriedenheit/Befriedigung von Wünschen und Neigungen 
  • Kants Begriff des an sich Guten als etwas allein formal/der Form nach Bestimmten (nämlich von der Form moralischer Gesetzlichkeit, die praktische Vernunft aufstellt und einsieht)

Kant trennt damit das an sich Gute und die Glückseligkeit. An die Stelle des Strebens nach einem inhaltlichen Ziel, das zu Glück beiträgt, tritt die Erfüllung der Pflicht.

Glück/Glückseligkeit erfüllt unter diesen Voraussetzungen die Anforderungen an ein oberstes Gut nicht:

  • kein uneingeschränktes Gutsein (Wünsche/Neigungen/Begierden, die zu etwas führen, das schlecht/unangenehm/schädlich ist)
  • keine Allgemeingültigkeit, sondern Vielfältigkeit und Veränderlichkeit mit aus der zufälligen Erfahrung stammenden Motiven/Bestimmungsgründen
  • keine Ojektivität
  • kein unbedingtes Gebot (von Zwecken bedingt und nur aus Klugheit gebotem, wenn diese Zwecke verfolgt werden; die Zwecke sind nicht Prinzipien eines Vernunftwesens, sondern werden vom Menschen als bloßes Naturwesen verfolgt