Geschichte Solon?
Im 4. Jh. v. Chr. wurde Solon von den Athener als „Vater der Demokratie“ angesehen. Ist dieser Beiname gerechtfertigt?
2 Antworten
Guten Tag,
in gewisser Weise ist es das. Er hat ein Rechtssystem eingeführt und somit ein Element der modernen Demokratie verwirklicht. Begonnen hat das allerdings schon unter Drakon, der die Gesetze verschriftlicht hat, bevor Solon dem griechischen Staatssystem seinen Stempel aufgedrückt hat. Außerdem hat er neue politische Institutionen als Gegengewicht zum Areopag, dem Adelsrat, gegründet. So zum Beispiel den Rat der 400, durch den das Volk erste politische Mutbestimmungsmöglichkeiten erhielt. Er hat außerdem die Schuldknechtschaft (Schulden-->Verkauf in Sklaverei) verboten und alle Schulden getilgt. Außerdem hat er festgelegt, dass jeder Bürger politische Pflichten UND Rechte hat.
Das ist natürlich nur kurz angerissen. Falls Sie noch weitere Reformen des Solon oder eine Übersicht der Reformen, die nach Solon kamen, erfahren möchten, melden Sie sich einfach unter dieser Antwort.
Ich hoffe, dass ich Ihnen helfen konnte.
Mit freundlichen Grüßen
Ein Beiname „Vater der Demokratie“ für Solon ist von der Sache her nicht berechtigt, weil damit übertreibend Solon als Begründer der Demokratie in Athen bezeichnet wird.
Solon hat zu einer Entwicklung hin in Richtung Demokratie beigetragen, aber er gehört in die Vorgeschichte der athenischen Demokratie. Gerechtfertigt ist daher bei Verwendung einer Metapher aus dem Familienbereich höchstens eine Bezeichnung als „Großvater der Demokratie“.
Ein sachlicher Kern eines Hinweises auf Solon bei der Geschichte der athenischen Demokratrie ist also eine unter den damaligen Umständen verhältnismäßige volksfreundliche Politik, die aber in den Maßnahmen begrenzt war und einen Mittelweg mit einer gleichfalls stattfindenden Berücksichtigung des Adels einschlug, und eine Förderung einer in eine Richtung verlaufenden Entwicklung. Eine Bezeichnung als „Vater der Demokratie“ geht zu weit.
Es gibt Belege ab ungefähr der Mitte des 4. Jahrhundert v. Chr. für eine Darstellung, Solon sei der Begünder der athenischen Demokratie gewesen. Dies beruht aber ungenauen Darlegungen, die Unterschiede verwischen bzw. verschleiern.
Isokrates, 7 (Areopagitikos) 16 behauptet, Solon habe die Demokratie in Athen begründet, nach einer Tyannenherrschaft Kleisthenes sie wiederhergestellt.
Aristoteles, Athenaion Politeia 41, 2 erzählt, durch eine Änderung der Verfassung durch Solon sei die Demokratie entstanden.
Aristoteles, Politik 2, 12, 1273 b 35 – 1274 a 22 wird Solons politische Tätigkeit erörtert und eine Aussage wiedergegeben, er habe die väterliche/von den Vorfahren herrührende/herkömmliche Demokratie (πάτριος δημοκρατία) begründet/geschaffen/hergestellt und auf schöne Weise eine gemischte Verfassung herbeigeführt, dem aber entgegengehalten, Solon habe nur vorhandene aristokratische und oligarchische Elemente nicht beseitigt und dem Volk die notwendigste Macht gegeben, Personen in Ämter zu wählen und mittels Rechenschaftsablegung zu kontrollieren (sonst wäre das Volk unfrei und feindselig gewesen), die Ämter aber aus den Vornehmen und Wohlhabenden besetzt.
Aristoteles, Politik 6, 4, 1319 b 21 – 22 wird behauptet, Kleisthenes habe die Demokratie vermehrt, was eine in gewissem Ausmaß schon einmal in Athen verwirklichte Demokratie voraussetzt.
Solon wurde in Athen im frühen 6. Jahrhundert v. Chr. zum Vermittler/Schlichter und Gesetzgeber bestimmt, in der Rolle eines Schiedsrichters zwischen gegensätzlichen Gruppen und ihren Forderungen. Nach seinem Selbstverständnis hat er den Weg eines Kompromisses beschritten. Solon hat eine Politisierung gefördert und die Entwicklung eines Bürgerstaates vorangetrieben. Solon hat sich als jemand verstanden, der eine ausgewogene Ordnung schuf, allen die ihnen zustehenden Rechte gab, aber nicht mehr, ein Mittler zwischen Vornehmen und Reichen (dem Adel) und dem einfachen Volk/den Armen, beide Seiten schützend und an Überheblichkeit und Zügellosigkeit hindernd. Seine Leitvorstellung war die Eunomia (griechisch: εὐνομία; Wohlordnung, gute Ordnung). Solon hat weder beabsichtigt noch behauptet, das einfache Volk mit dem Adel gleichzustellen.
Es hat durch Solon keine Schaffung einer Demokratie (die es damals weder als Sache noch als Begriff gab) gegeben, sondern Abhängigkeit politischer Rechte vom Besitz/Einkommen, Abstufung politischer Rechte (darunter Zugang zu Ämtern und Wahlrecht für verschiedene Einrichtungen) und Pflichten nach Vermögensklassen, also nach Menge des Einkommens/Besitzes (gemessen an dem jährlichen landwirtschaftlichen Ertrag [Getreide, Wein und Oliven]). In die höchsten Ämter (z. B. die Archonten) waren nur die Reichsten wählbar, die Ärmsten (die sogenannten Theten) waren in keine Ämter wählbar. Eine solche Verfassung ist in der Antike später als Timokratie (τιμοκρατία [timokratia]) bezeichnet worden. In ihr gab es keine Gleichheit der politischen Rechte.
Solon erreichte eine Stabilisierung und Beruhigung der Lage durch einen für beide Seiten akzeptablen Ausgleich (einerseits Erleichterungen für arme Bauern, andererseits ziemlich weitgehende Beibehaltung der Besitzverhältnisse, indem es keine völlige Umverteilung gab, sondern die adligen Großgrundbesitzer ihr eigenes Land behielten). Maßnahmen gegen Misstände waren:
- allgemeine Schuldentilgung, als „Lastenabschüttelung“ (Seisachtheia [griechisch: σεισάχθεια]) bezeichnet (von Solon als Befreiung von Abhängigen aus schmachvoller Knechtschaft verstanden)
- Abschaffung der Versklavung aufgrund von Schuldknechtschaft (Verbot dieser Form des Zugriffsrechts auf Person des zahlungsunfähigen Schuldners)
- Freikauf von Athenern, die in andere Länder als Sklaven verkauft worden waren
- straflose Rückkehrmöglichkeit (durch eine Amnestie) für flüchtige Schuldner
- Teilnahmerecht an der Volksversammlung (griechisch: ἐκκλησία [ekklesia]) für alle erwachsenen männlichen athenischen Bürger
- Teilnahmerecht an der Heliaia (griechisch: ἠλιαία) – ein Volksgericht, offenbar ein Berufungsgericht, wenn jemand gegen eine Rechtsprechung Einspruch einlegte - für alle erwachsenen männlichen athenischen Bürger
- Einrichtung der Popularklage (öffentliches Klagerecht; (Eisangelia [griechisch. Εἰσαγγελία]): Alle Bürger, auch nicht Betroffene, konnten gegen die Urteile der Thesmotheten (oberste Gerichtsherren) und der Beamten klagen. So hatte jeder athenische Bürger Anspruch auf ein Gerichtsverfahren, wenn ihm selbst oder einem anderen Bürger Unrecht geschehen war. Vorher gab es kein öffentliches Klagerecht für alle athenischen Bürger und keine Möglichkeit einer Berufung an das Volksgericht gegen Entscheidungen oberster Richter.
- Rechtssicherheit durch vollständige schriftliche Aufzeichnung seiner Gesetzgebung (die teils alte übliche Regeln, teils Neuordnungen enthielt) und öffentlicher Aufstellung mit Hilfe von drehbar aufgehängten langen Holzbalken und bronzenen Pfeilern (Stelen) auf dem Marktplatz (Agora), wo alle Zutritt hatten und sie einsehen konnten
- Förderung der Wirtschaft
Eher passend ist die Bezeichnung „Vater der Demokratie“ für Kleisthenes. Zuerst (5. Jahrhundert v. Chr.) galt bei den Athenern Kleisthenes als Begründer der athenischen Demokratie.
Herodot 6, 131, 1 τούτων δὲ συνοικησάντων γίνεται Κλεισθένης τε ὁ τὰς φυλὰς καὶ τὴν δημοκρατίην Ἀθηναίοισι καταστήσας, ἔχων τὸ οὔνομα ἀπὸ τοῦ μητροπάτορος τοῦ Σικυωνίου·
„Aus ihrer Heiratsvereinigung wurde Kleisthenes erzeugt, der den Athenern die Phylen und die Demokratie einrichtete und seinen Namen von seinem Großvater mütterlicherseits, dem Sikyonier [Kleisthenes von Sikyon] hatte.“
Beispiele weiterer Nennungen:
Isokrates 16 (Rede Über das (Pferde)-Gespann), 26 - 27
Isokrates 15 (Antidosis), 232
Aristoteles, Athenaion politeia 29, 3; 41, 2
Die von Kleisthenes geschaffene politische Ordnung ist später als Isonomie (griechisch: ἰσονομία [isonomia]) bezeichnet worden. Diese kann als eine Frühform der Demokratie verstanden werden.
Das ist wieder der typische spannende Lesestoff, der dich hier einzigartig macht.