Fragen an zeitzeugen?

5 Antworten

Für mich war es der Normalfall, dass Deutschland geteilt war.

Der Kalte Krieg war eher etwas für die Großkopferten, beiderseits des Zauns.
Otto-Normal interessierte der nicht so sehr.

Habe die Nachkriegszeit erlebt.. Erlebt wie die US Soldaten zu uns in die Stadt kamen.

Wir waren damals Kinder und bekamen von den GI`s Schokolade, Kaugummi, Milchpulver,Kekse und andere Sachen , was es damals kaum oder gar nicht bei uns gab.

In der Schule bekamen wir täglich ein Essen, gespendet von den Quäkern aus den USA Das Essen hiess "Quäkerspeise" Jeder Schüler hatte einen Henkeltopf und Essgeschirr dabei. Da wurden wir immer satt.

1948 wurde ich eingeschult. Unsere Schule bestand aus einer Hinterrlassenschaft aus dem Dritten Reich, der Hitlerjugend Es waren Holzbaracken Im Winter feuerte der Hausmeister die Öfen in den Klassenzimmern an. Da hatten wir oft mit Rauch Probleme der sich im Klassenzimmer ausbreitete.

Kalte Hände und nur mit Jacken bekleidet, konnte man die Temperatur im Klassenzimmer ertragen.

In diesem Alter interessierte sich niemand von uns Kindern, was politisch ablief.

Ich wurde immer zum Einkaufen geschickt Hatte da diese Marken auf denen aufgedruckt war, wieviel man dafür bekommt. Z. B. 10 Gramm Butter .

Spielsachen gab es da kaum welche . Vielleicht ein altes Schaukelpferd.Unsere Freizeit verbrachten wir oft damit, in Ruinen herumzuklettern. Das war für uns interessant.,weil man da ab und zu noch etwas finden konnte.

Bei uns in der Stadt waren zunächst ca 10 000 US Soldaten stationiert. Täglich kamen mit Zügen der Bahn die Panzer an, die dann ratternd durch die Strassen fuhren.

Probleme mit den GI`s gab es keine. Wir wurden älter und in der Schule begann dann auch der Englischunterricht. Wenn wir da schon ein paar Wörter kannten , war es immer ein Spass mit den GI` s in Kontakt zu kommen.

Wir haben ein Haus mit mehreren Wohnungen. Soldaten die mit ihren Familien kommen wollten, mussten sich eine Wohnung suchen. Wir haben an US Familien vermietet. Lernten da die Sprache, feierten mit denen

Manche der GI?s fuhren damals in die DDR ( sowjetisch besetzte Zone) hiess das damals . Die erzählten nach deren Rückkehr wie es dort aussah. Die fuhren im Auftrag der US Armee in den Osten.Da gab es wahrscheinlich Vereinbarungen.

In den 80er Jahren verliessen dann die bei uns stationierten US Einheiten unsere Stadt.. Viele Bars mussten dann schliessen, weil die GI`s Kunden fehlten.

Ich habe mit einigen dieser Familien gute Kontakte gehabt Wurde in die USA eingeladen und war dort auch mehrmals. Lud die Bekannten zu uns ein, die dann auch kamen. Wir unternahmen Ausflüge.Begeistert waren die von unseren Schlösserrn, den Fachwerkhäusern und den Volksfesten.

Ich heute , nach all den Jahren pflegen wir die Kontakte immer noch Eine weitere Reise in die USA ist geplant .

Erst als ich zur Musterung bei der Bundeswehr kommen musste, hier Runs ein Offizier einen 2 Stunden langen Vertrag, wer unser Feind sei Das war der Ostblock und vorallem Russland.

Mich hat das, was im Ostblock ablief nie besonders interessiert. Auch den Zerfall der UdSSR hat bei uns niemand wirklich beeinflusst. Stalin, Bulganin, Chrustschow und andere waren mir namentlich bekannt Als Stalin starb besuchte ich das Gymnasium Die Nachricht über Stalins Tod kam über das Radio.

Gutes hörte man über Stalin nichts. Da war man eher froh, dass dieser Tyrann weg ist. Was aber danach kam , ausser Gorbatschow, brachte den Russen auch kein besseres Leben.

Ich (Jahrgang 1960) bin im Westen aufgewachsen, kein 40 Kilometer von der "Zonengrenze" entfernt, wie sie damals hieß. Das heißt, ich bin im Kapitalismus aufgewachsen und obwohl meine Eltern einfache Leute waren, hätten sie niemals jenseits des Zaunes im Sozialismus leben wollen. Das ging mir ebenso, vielleicht weil wir das DDR-Fernsehen und Radio empfangen konnten und ich auch den dortigen Blick auf die Dinge kannte.

Für mich war es aber auch als politischer junger Mensch nicht einfach, meine grundsätzliche jugendliche Sympathie für den Sozialismus mit dem in Einklang zu bringen, was aus den dortigen Medien schallte.

Massenaufmärsche, fahnenschwenkende Jugendliche und permanente Lobeshymnen auf den Sozialismus und seine Führung im herzlichen Einklang mit dem großen Bruder Sowjetunion konnten mich nicht begeistern und erinnerten mich viel zu sehr an das Nazisystem.

Menschen einzusperren, nur weil sie das Land verlassen wollten und einen Sperrzaun als antifaschistischen Schutzwall zu bezeichnen, passten so gar nicht in mein kritisches Weltbild, das auch mit dem Weltbild meiner Eltern nicht unbedingt im Einklang stand.

In meiner Heimat gab es Unmengen an Bundeswehr- und Ami-Kasernen und deren Panzer walzten regelmäßig die Straßen meiner Heimatstadt kaputt. War ich als Kind von diesen Ungetümen noch begeistert, wandte ich mich später dem Antimilitarismus und der Friedensbewegung zu, verweigerte den Kriegsdienst und versuchte, dem Wettrüsten ein Ende zu setzen - mit meinen bescheidenen Mitteln.

Die Wende im Jahr 1989, die auf dem wirtschaftlichen Zusammenbruch des DDR-Sozialismus basierte, aber erst durch die Glasnost- und Perestroika-Politik Gorbatschows möglich wurde, hat mich damals tief berührt und ich sehe sie heute noch als Glücksfall der Geschichte, auch wenn das gerade im Osten heute wohl viele Menschen nicht mehr so sehen.

Der Zusammenbruch der Sowjetunion beruhte fast auf den gleichen Ursachen; das Land war wirtschaftlich zerrüttet und von den Amerikanern praktisch totgerüstet worden. Ihr Zerfall brachte für viele Menschen eine neue Freiheit und Nationalität, aber teilweise auch bittere Armut. Gerade in Russland und der Ukraine bildete sich aus den silbernen Resten der SU eine neue Milliardärselite, die mit den Methoden des Raubtierkapitalismus die Volkswirtschaft ausplünderte, die Verluste dem Volk aufhalste und sich mit den Milliarden eine Leben in Saus und Braus gönnte.

Das neue Russland begann hoffnungsvoll, hatte aber mit Boris Jelzin einen zwar jovialen, aber nicht gerade stabilen und gefühlt stets angeheiterten Präsidenten, der das Land nicht in den Griff bekam, was zu einem weiteren wirtschaftlichen Niedergang führte.

Präsident Putin bekam das Land zwar wirtschaftlich ganz gut in den Griff, spielt sich aber seit Jahren zunehmend als Mischung aus Zar und Stalin auf und seine imperialistischen Pläne machen das Land zum ungeliebten großen Nachbarn. Zu groß und zu wichtig, um es ignorieren zu können und die Gefahr, die von ihm ausgeht.


paulklaus  30.01.2024, 17:20

Was für eine hervorragende Antwort - nicht nur wegen des Faktenreichtums !

Chapeau !

Ich, einige "Monate" älter, habe mich zu einer Antwort erst gar nicht aufraffen können......

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das Leben geht weiter :-)

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung