Frage zur Bindigkeit von Stickstoff?

N2O - (Chemie, Lewisstruktur)

2 Antworten

Vom Beitragsersteller als hilfreich ausgezeichnet

Moin,

Ziel eines Atoms in einer Atombindung ist doch, dass es in Bezug auf seine Elektronen im äußeren Hauptenergieniveau (Schale) eine Edelgaskonfiguration erreicht, also eine Elektronenanzahl und -verteilung, die dem eines Edelgases entspricht (Edelgasregel). Bei Elementen der 2. Periode im Periodensystem der Elemente (PSE) wird das erreicht, wenn die Atome in der Außenhülle auf 8 Elektronen kommen (Oktettregel).

Stickstoffatome haben nun fünf Elektronen in der Außenschale (5 Valenzelektronen). Das heißt, ihnen fehlen drei Elektronen, um auf die "magischen" acht zu kommen. Darum sind Stickstoffatome in Verbindungen mit Atombindungen oft dreibindig, zum Beispiel im NH3 (Ammoniak):

     _
H–N–H
      I
     H

Wenn du in der Lewis-Elektronenschreibweise dieses Moleküls nachzählst, haben alle Wasserstoffatome zwei Elektronen und erreichen so elektronentechnisch gesehen den Zustand von Heliumatomen, während das Stickstoffatom durch die drei bindenden Elektronenpaare zu den Wasserstoffatomen plus dem nichtbindenden (freien) Elektronenpaar auf die erwünschten acht Valenzelektronen kommt.

Soweit, so gut... Aber das nichtbindende (freie) Elektronenpaar kann vom Stickstoffatom für eine weitere Bindung zur Verfügung gestellt werden, ohne dass ihm dadurch seine acht Valenzelektronen abhanden kommen. Das passiert zum Beispiel, wenn ein Ammoniakmolekül als Base reagiert und ein Proton (H^+-Ion) aufnimmt. Dann entsteht ein Ammoniumion:

    H
     I
H–N^+–H
     I
    H

Da aber das nun bindende Elektronenpaar zum ehemaligen Proton ausschließlich vom Stickstoffatom kam, hat dieses Atom nun formal nur noch vier Elektronen (wenn man gedanklich alle bindenden Elektronenpaare gleichmäßig auf die Bindungspartner aufteilt). Das ist im Vergleich mit dem atomaren ungebundenen Zustand eines Stickstoffatoms ein Elektron weniger. Das entspricht der Abgabe eines Elektrons. Darum ist dieses Stickstoffatom nun positiv geladen.
Das geht trotzdem, weil das Ziel eines Atoms in einer Verbindung nicht ist, ungeladen zu bleiben, sondern dass es auf acht Valenzelektronen kommt!

Was nun die Verhältnisse im Distickstoffmonoxid angeht, so ergeben sich in der Elektronenschreibweise zwei Grenzstrukturen, die beide vorstellbar sind, nämlich, die aus deiner Abbildung. Wenn es mehrere formulierbare Grenzstrukturen gibt, sagt man dazu, dass das betroffene Molekül mesomeriestabilisiert sei. Je mehr Grenzstrukturen du formulieren kannst, desto stabiler ist das Molekül.

Im vorliegenden Fall kannst du dir das so vorstellen, dass der mittelständige Stickstoff zunächst einmal zwei seiner drei ungepaarten Valenzelektronen für die Ausbildung der Doppelbindung zum Sauerstoff verwendet hat. Das letzte ungepaarte Elektron hat es benutzt, um eine Bindung zu einem weiteren Stickstoffatom herzustellen. Dieses zweite Stickstoffatom vereinte seine zwei eigenen ungepaarten Elektronen zu einem weiteren freien Elektronenpaar, während die so entstandene Elektronenlücke durch eine weitere Bindung zu dem mittleren Stickstoffatom gefüllt wurde. Fazit: Alle beteiligten Atome haben dadurch acht Valenzelektronen und somit Edelgaszustand erreicht. Der Stickstoff links hat zwei freie Elektronenpaare und zwei bindende, also acht Elektronen insgesamt. Der mittlere Stickstoff hat vier bindende Elektronenpaare (also auch acht insgesamt) und der Sauerstoff hat ebenfalls acht, nämlich zwei bindende Elektronenpaare und zwei freie...
Wenn du nun aber (gedanklich) die bindenden Elektronenpaare wieder aufteilst, stellst du fest, dass nun der linke Stickstoff sechs Elektronen hätte, während der mittlere nur auf vier kommt. Das entspricht formal einer Elektronenaufnahme beim linken Stickstoffatom und einer Elektronenabgabe beim mittleren. Deshalb bekommt der linke Stickstoff eine negative Formalladung, der mittlere eine positive. Beide Formalladungen heben sich gegenseitig auf, so dass das Gesamtmolekül ungeladen ist.

Analoges passiert in der zweiten mesomeren Grenzstruktur. Hier besteht eine Dreifachbindung zwischen den Stickstoffatomen und eine Einzelbindung zwischen dem mittleren Stickstoff- und dem Sauerstoffatom. Das mittlere Stickstoffatom hat quasi sein freies Elektronenpaar dem Sauerstoffatom zur Verfügung gestellt, während das Sauerstoffatom seine sechs Valenzelektronen zu drei freien Elektronenpaaren vereinigte. Auch hier haben alle Atome acht Valenzelektronen und damit Edelgaszustand. Und auch hier kommt es zur Ausbildung von zwei sich gegenseitig aufhebenden Formalladungen.

Aber wie gesagt, den Atomen kommt es darauf an, in ihren Elektronenzuständen eine Edelgaskonfiguration zu erreichen und nicht darauf, ungeladen zu bleiben. Das ist der Grund, warum Stickstoffatome auch hin und wieder vier Bindungen ausbilden...

LG von der Waterkant.


sArAhcAke 
Beitragsersteller
 11.02.2017, 16:01

Danke! Könnte man das rein theoretisch von jedem Element behaupten? Also es muss nicht unbedingt sein, dass O zwei Bindungen eingeht, gehen auch 4 oder 3? Und kann Stickstoff auch 5-bindig sein, solange er die Oktettregel erfüllt ist?

DedeM  11.02.2017, 16:37
@sArAhcAke

Jein,

also dreibindigen Sauerstoff gibt es (formal), nämlich zum Beispiel im Oxonium-Ion H3O^+:

     _
H–O^+–H
      I
     H

aber Sauerstoff ist sehr elektronenaffin, was bedeutet, dass er gerne Elektronen aufnehmen bzw. in Form von bindenden Elektronenpaaren zu sich heranziehen möchte. Dementsprechend ist er "weniger gern bereit", freie Elektronenpaare zur Verfügung zu stellen. Wie du siehst, geht das, aber andere Bindungsoptionen werden vom Sauerstoff bevorzugt (wenn möglich).
Darum gibt es einen vierbindigen und damit (formal) zweifach positiv geladenen Sauerstoff eher nicht mehr.

Was den fünfbindigen Stickstoff angeht, so gibt es den auch nicht, weil du dann die Oktettregel eben nicht erfüllen kannst, die für Atome der Elemente aus der 2. Periode aber streng gilt. Daher ist folgende Lewisformel für Salpetersäure nicht korrekt:

 _         _
IO=N=OI
       I
     IO–H
      ¯

Das kommt zwar (rein theoretisch) hin, wenn du nur davon ausgehen würdest, dass die fünf Valenzelektronen des Stickstoffatoms bindende Elektronenpaare ausbilden könnten. Aber die Formel passt nicht, wenn berücksichtigt werden muss, dass Stickstoffatome nur acht Valenzelektronen gebrauchen können (Edelgasregel).
Darum ist die korrekte Lewisformel von HNO3 folgendermaßen:

 _            _                        _  _            _
IO=N^+–O–H                     IO–N^+–O–H
       I       ¯            <--->        ¯   II
     IOI^–                                   IOI
      ¯

Hier bleibt die Oktettregel bei allen Atomen erfüllt. Außerdem ist das Molekül mesomeriestabilisiert.

LG von der Waterkant.

Jedes N hat normalerweise 5 Elektronen um sich.
Wenn du dir aber das N mit dem - ansiehst, das hat 6 Elektronen, und das mit dem + hat 4. Das hängt damit zusammen, dass das N mit + dem N mit - ein Elektron abgegeben hat.
Daraus resultieren dann auch die unregelmäßig verteilten Elektronenpaarbindungen.


jf20011  11.02.2017, 16:23

Es kommt immer darauf an, mit wem ein Element eine Bindung eingeht und wie elektronegativ es ist bzw. auch, die wievielte Schale die "Valenzelektronenschale" ist. Bei Stickstoff ist es unwahrscheinlich, weil es nur die 2. Schale ist und der ENW relativ hoch. Das ist halt nicht so einfach zu erklären und kommt auch auf die chemische Verbindung an. Weitere Beispiele, die mir gerade einfallen, wären z.B. HN3 (Stickstoffwasserstoffsäure) und O3 (Ozon). Meines Wissens muss ein Element jedoch ein Elektronenpaar behalten.

sArAhcAke 
Beitragsersteller
 11.02.2017, 15:09

Danke! Könnte man das rein theoretisch von jedem Element behaupten? Also es muss nicht unbedingt sein, dass O zwei Bindungen eingeht, gehen auch 4 oder 3?

sArAhcAke 
Beitragsersteller
 11.02.2017, 15:14
@sArAhcAke

Und kann Stickstoff auch 5-bindig sein, solange er die Oktettregel erfüllt?