Faust auf heute beziehen?

2 Antworten

Mir fallen spontan 3 Dinge ein:

- das Suchen nach Wissen, das einen zuletzt in die Verzweiflung bzw. in die Arme des Bösen treibt, weil es eben doch keine letzten Antworten gibt (heute noch viel mehr als damals rechtfertigbar durch Gödels große Entdeckung, dass nicht einmal die Mathematik sicher ist: https://de.wikipedia.org/wiki/G%C3%B6delscher_Unvollst%C3%A4ndigkeitssatz)

- der Nerd, der sich in seinem Elfenbeinturm einschließt, und erst überredet werden muss, am "Real Life" teilzuhaben (Osterspaziergang) sowie sich in eine der erstbesten Frauen verliebt, die er trifft (wobei Gretchen ja dann doch bei weitem nicht die schlechtestmögliche Wahl gewesen wäre, wenn Faust es ernst gemeint hätte, aber das war reiner Zufall)

- das Herauswinden bei der "Gretchenfrage" - Faust schlängelt (pun intended) sich geschickt um die Frage herum, ohne sie letztlich zu beantworten. Hierunter 2 Unterpunkte:

 - - heute aktueller denn je (v. a. im protestantischen Bereich): "Ungefähr sagt das der Pfarrer auch. / Nur mit ein Bisschen andern Worten." (Allzuviele Theologen scheuen sich, zuzugeben, dass sie selbst "den ganzen Schmarrn" nicht glauben, bzw. wollen glauben, und müssen es deshalb so umdeuten, dass es zu ihrer eigenen Weltanschauung passt.)

 - - Übertragung auf heute durch etwas, worüber ein eindeutiger Konsens beim weitaus größten Teil der Bevölkerung besteht - ich denke z. B. daran, dass Faust ein strammer Rassist (Herrenrasse / Untermenschen) sein könnte. (Vorher könnte nur ein kleiner unscheinbarer Same davon vorhanden gewesen sein können, der dann aber vom Bösen sorgfältig gewässert und gepflegt worden ist.)

(Übrigens ist Fausts berühmte Bemerkung "Ich habe keinen Namen / Dafür! Gefühl ist Alles! / Name ist Schall und Rauch, / Umnebelnd Himmelsglut." im Kontext eine "faust-dicke" Lüge - einige Zeit vorher fragt Mephisto ihn, wozu Faust, dem es nur um das Wesen der Dinge geht, seinen Namen wissen will, worauf Faust entgegnet, dass man bei den "Herren" aus der Geisterwelt das Wesen sehr wohl aus dem Namen ablesen kann.)

Faust ist zwar ein hochgebildeter Mensch, aber dennoch zweifelnd, ob sein Wissen und sein Handeln richtig ist.

Ein Schlüsselsatz ist:
"Es irrt der Mensch, so lange er strebt"

Das ist heute auch so in Politik und Wissenschaft. Und das ist auch gut so.

Das sind ganz schlechte Ideologie, die meinen, sie wüssten unumstößliche Antworten. Beispiele dafür kennst du sicher.