Eure Erfahrungen mit Freikirchen?

4 Antworten

Es ist nicht alles Gold was glänzt, auch bei den Freikirchen nicht. Freikirche bedeutet ja, dass die Kirche frei vom Staat ist. Man könnte auch unabhängig sagen, auf jeden Fall ist sie an keine Regeln gebunden und kann im Prinzip machen was sie will. 

Mit Luther und Zwingli hat alles angefangen, danach haben sich Tausende von Gemeinden abgespalten, meistens mit dem Anspruch neue Erkenntnisse gewonnen zu haben. Heute präsentiert sich das evangelische Spektrum sehr unterschiedlich, es gibt traditionelle, ruhige Gemeinden. Es gibt aber auch lebendige, laute, unterhaltsame oder vielleicht auch überdrehte Gemeinden auf dem Markt. Ich schreibe extra Markt, da manchmal ein Pastor oder Gründer von der Gemeinde lebt und alles dafür macht, dass Du genau in SEINE Gemeinde kommst. 

Meine Erfahrung ist die: Es gibt trockene, langweilige Gemeinden in welchen Du kaum Anschluss findest. In den lebendigen Gemeinden geht es meistens sehr familiär zu, man wird aber früher oder später ein gewisses Verhalten von Dir erwarten. Wenn Du das nicht bringen kannst oder willst wird man Dich fallen lassen mit der Begründung, dass Du abtrünnig bist oder Dich vom Teufel zu sehr beeinflussen lässt. 

Besonders in freien Pfingstgemeinden werden Mitglieder immer wieder geistlich missbraucht. Die Leitung oder die anderen Mitglieder versuchen Dich zu kontrollieren und wenn Du nicht spurst werden sie Dich fallen lassen (siehe oben). 

Aber es kann, dass Du eine tolle Gemeinde in Deiner Umgebung findest, in welcher Du geistig wächst und viele Freunde findest. Das wäre natürlich super, ich wünsche Dir das. Ich habe die Zeilen oben ein wenig als Warnung geschrieben, damit Du aufmerksam die Gemeinden und Kirchen studieren kannst.  

Du fragst, ob es Gemeinden gibt, welche streng nach der Bibel leben. Wenn Du im evangelischen Sektor bleibst werden alle Gemeinden sich ausschliesslich auf die Bibel gründen. Die Auslegung mag unterschiedlich sein, jeder hat eigene Erkenntnisse. Für mich scheint es wichtig, dass Du in eine Gemeinde gehst, welche DIR gefällt, sei es wegen einem guten Gemeindeleben oder wegen eines Lobpreises, der Dir besonders gefällt oder ganz einfach, weil Menschen dort verkehren, welche Dir Freunde geworden sind. 

Wenn ich an Deiner Stelle wäre würde ich verschiedenartige Gemeinden mal ausprobieren, damit Du die Unterschiede kennen oder schätzen lernst. Ich meine das ungefähr so :

- Freie evangelische Gemeinde (traditionell, eher ruhig). Zu dieser Gruppe gehören auch Baptisten, Mennoniten oder Methodisten. 

- Pfingstgemeinde, Vineyard oder charismatische Gemeinden. "Wort des Glaubens" (lebendig, ansprechend, unterhaltsam aber eben manchmal auch "gefährlich", siehe oben).

Die Gemeinschaften, welche unterhalb dieses Satzes aufgeführt werden gelten als Sekte, weil sie Lehren haben, welche von den traditionellen Christen abgelehnt werden. Sie sind aber nicht gefährlich sondern einfach anders und es wäre für Dich sicherlich sehr wertvoll, wenn Du sie kennenlernen könntest, sofern Du Dich vom Begriff "Sekte" nicht abschrecken lässt.

- Neuapostolen (ruhig, familiär, gutes Gemeinschaftsgefühl). 

- Adventisten (auch ruhig, sehr bibelorientiert, halten einen Teil des mosaischen Gesetzes ein, was mir persönlich sehr gefällt. Schätze diese Gruppe seit über 30 Jahren. 

- Mormonen (Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage). Man kennt auch die jungen amerikanischen Missionare dieser Kirche. Diese Kirche ist speziell, da sie nicht evangelisch und auch nicht katholisch ist. Sie hat sich auch nirgendwo abgespalten. Ein Besuch lohnt sich, da es keinen Pastor gibt und die Mitglieder ihren Glauben sehr ernst nehmen. (Grosses Gemeinschaftsgefühl, unzählige Aktivitäten, nicht nur religiöser Natur auch Tanzen, Theater, Feste oder Sport, tolle Menschen). 

Vielleicht hast Du es schon gemerkt, ich bin seit knapp 25 Jahren ein Mitglied der Mormonen, vorher war ich Pfingstler. Ich habe es nie bereut, dass ich mich damals den Mormonen angeschlossen habe, ganz im Gegenteil, durch diese Kirche kam ich näher zu Gott als je zuvor. 


Zhuzha01 
Beitragsersteller
 15.02.2017, 11:29

Vielen Dank für die Antwort :) Ja, Ich war bereits bei denn Zeugen Jehovas. Da hat es mir auch gut gefallen. Klar, die Lehre unterscheidet sich ,,leicht" von der Christlichen. Da bin ich aber noch am entdecken. Ansonsten habe ich auch mal vor die Apostel zu besuchen :) Freut mich immer zu hören wenn jemand so lange und glücklich dabei ist. Weiterhin alles Gute :D

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Ich habe keinerlei negative Erfahrungen gemacht. Das sind letztendlich nicht mehr als christliche Kirchen, die sich in einigen Aspekten der Auslegung anders fokussieren. Ich stimme in der Hinsicht mehr mit manchen Freikirchen überein ein als mit der evangelischen Kirche. 

Wie die Gottesdienste im Schnitt ablaufen und wo besonders relevante Punkte liegen, kannst du auf den jeweiligen Websites nachlesen. Mittlerweile gibt es die zu jeder Freikirche. 

https://de.m.wikipedia.org/wiki/Baptisten

Und natürlich spielt die Kirche für gewöhnlich auch im Privatleben eine (mehr oder weniger große) Rolle. Nur einmal in der Woche in die Kirche zu gehen und dann wieder alles schleifen zu lassen, geht etwas am Thema vorbei. Das ist allerdings nicht nur bei Freikirchen der Fall. 

Es lohnt sich auf jeden Fall, mal über den eigenen Tellerrand hinauszuschauen.

Meine persönlichen Erfahrungen waren bisher fast durchweg positiv - wobei ich hinzufügen muss, dass ich nur eine kleine Auswahl kennengelernt habe und in der Mehrzahl der Fälle eine Gemeinde auf persönliche Empfehlung hin besucht habe. (Namentlich "Brüdergemeinde" - meine Herkunft, Baptisten, Methodisten, Freie Evangelische Gemeinden, Freie Pfingstgemeinden (Wahlheimat meiner Frau und mir), Adventisten, vermutlich noch andere, hab mir nicht alles gemerkt).

Die Unterschiede von Gemeinde zu Gemeinde innerhalb einer Gruppe - auch innerhalb der Evangelischen Landeskirche - sind meistens deutlich größer als die Unterschiede zwischen den einzelnen Gruppen. Gemeinden, die ich mir als Wahlheimat vorstellen könnte, habe ich bei allen genannten Gruppen gefunden. Es hängt sehr viel von den Menschen ab, die in einer Gemeinde Verantwortung tragen und übernehmen.

Meinst du mit "streng" nach der Bibel gehen eine sehr - sagen wir mal "traditionsverbundene" / "wörtliche" - Auslegung der Bibel und entsprechendes Handeln? Das ist etwas, wofür "Brüdergemeinden" berühmt und berüchtigt sind (es hat eben alles seine Vor- und Nachteile). Ähnlich ausgeprägt bei den Adventisten, die ich kenne.

In der Tradition der Brüdergemeinden, aus der ich komme, ist es kein Problem, verschiedene Lehrmeinungen nebeneinander stehen zu lassen, solange sie sich nicht gegenseitig vorwerfen, die Bibel nicht ernst zu nehmen oder absichtlich falsch zu interpretieren. Allerdings schwankt das ziemlich stark - auch innerhalb einer Gemeinde im Laufe von Jahrzehnten (auch bis dahin, dass eine sehr konservative Gruppe sich durchsetzt, die ihre eigene Auffassung der Verbalinspiration für alleinseligmachend hält - solange sie aber damit Gott gefallen wollen und nicht ihrer eigenen Rechthaberei, habe ich Hoffnung). - Umgekehrt gibt es in anderen Richtungen auch den "Ausverkauf an den Zeitgeist", der ebenso gefährlich ist und die Kirche zu nichts weiter als noch einem weiteren Mainstream-Club zusammenfallen lässt.

Was mir bei unserer jetzigen Gemeinde gefällt, ist die Gottesdienstzeit am Nachmittag - da kann man doch echt mal ausschlafen. Gibt's leider viel zu selten.

Einmischung ins Privatleben: Bisher hatte ich den Eindruck, dass ich ziemlich selbst entscheiden kann, wie weit ich andere sich einmischen lasse. In den Gemeinden, die mir nicht so gut gefallen haben, wird man meistens in Ruhe gelassen, solange man sich nicht offensichtlich den jeweiligen Regeln entgegen verhält, die Gemeinden, die mir gefallen, achten sehr darauf, dass jedes Gemeindemitglied einer kleinen, persönlichen Gruppe angehört, wo man sich gegenseitig unterstützt, auch in den kleinen und großen Problemen des Alltags. (Auch dies gilt ebenso für Landeskirchen)

Gottesdienstgestaltung: Die ist bei Kirchen mit festgeschriebener Liturgie natürlich einheitlicher als bei anderen, aber überall bildet sich ziemlich schnell eine Tradition heraus, sodass man sich ziemlich darauf verlassen kann, dass nichts allzu überraschendes geschieht. (Welche Gruppen eine geschriebene und welche eine nur traditionelle Liturgie haben, müsste ich selbst nachsehen.) - Was ich in anderen Gemeinden am ehesten vermisse, ist die "Anbetungsstunde" in den "Brüdergemeinden", wo jedes Gemeindemitglied aufgerufen ist, einen Beitrag (freies Gebet, Liedvorschlag, kurzer Bibelabschnitt mit kurzer Betrachtung dazu u. ä.) einzubringen. Auch die Bibelbetrachtung bei den Adventisten würde ich mir anderswo wünschen (weiß gerade nicht, wie das offiziell heißt). - Die Abläufe im Einzelnen zu beschreiben würde den Rahmen hier sprengen.

Ich möchte dir auf jeden Fall Mut machen, einige andere Gemeinden zu besuchen, am besten jeweils mehrere Wochen hintereinander, um einen Eindruck zu bekommen. (Meine Frau und ich haben dies nach unserer Hochzeit gemacht, um eine gemeinsame Heimat zu finden.)


Zhuzha01 
Beitragsersteller
 12.02.2017, 23:16

Vorab, Vielen Dank für diese Ausführliche Antwort ;) Ja ich meine eine Gemeinde sprich Freikirche die sich die Inhalte der Bibel zu Worte nimmt. Im inneren als sowohl auch danach zu handeln. Das wäre mir z.B. wichtig(da ich nach der Bibel leben möchte) Du hattest auch Gemeinden erwähnt welche dir nicht gefallen. Welche wären die ? 

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PWolff  12.02.2017, 23:28
@Zhuzha01

Namen einzelner Gemeinden werde ich hier nicht nennen. Außerdem wüsste ich es im Einzelnen auch erst wieder, wenn irgendein Punkt angesprochen würde, der hier eine Rolle gespielt hat.

Ein Beispiel ist eine Gemeinde der EKD Rheinland, die einen Pfarrer verordnet bekommen hat, der die Bibel sehr liberal ausgelegt hat, bis dahin, dass Gott und die Bibel letztlich nur noch als Dekoration für eine Art Humanismus.

Ein anderes eine Gemeinde, deren jüngstes Mitglied Mitte 40 war und damit mehr als 20 Jahre unter dem Altersdurchschnitt. Sehr nette Menschen, hab mich wohlgefühlt, aber keine Zukunftsperspektive, die Gemeinde hat sich praktisch aufgegeben

Oder auch "Brüdergemeinden", die der Tradition mehr verpflichtet waren als dem Wort.

Wenn du eine Gemeinde suchst, die sich wirklich nach der Bibel richtet, bleibt dir m. E. kaum etwas andere übrig, als dir mehrere Gemeinden selbst anzuschauen und über deine Eindrücke zu beten. Die Gefahr, eigene Traditionen über den Geist und das Wort Gottes zu stellen, ist so groß, dass jede Gemeinde davon betroffen sein kann, egal welcher Denomination sie angehört. Umgekehrt wirkt Gott in seiner Souveränität auch in Gemeinden aus Denominationen, die eher für das Gegenteil bekannt sind.

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Ich bin noch nicht allzulange in einer Freikirche kann aber gerne meine Erfahrungen teilen.

Also ich bin zum ersten mal in den Gottesdienst, ohne zu wissen dass es eine Freikirche ist. Ich habe die Leute sehr freundlich und offen erlebt. Der Gottesdienst war abwechslungsreich, es wurde viel gesungen (alles sehr moderne lieder die nicht so nach kirche klingen, ausser der text), Jesus und Gott waren sehr Zentral. Die meisten waren relativ jung ca. 20-35 Jahre alt, Leute verschiedener Herkunften und alle waren gleich willkommen.

Zudem fand ich es sehr positiv, dass ich so angenommen wurde wie ich bin (spreche wenig, verschiedene psychische Erkrankungen welche man bemerkt).

Die Predigt war sehr leicht zu verstehen und nicht so lange. Teilweise kommen andere Leute die uns etwas zeigen 1 mal zum Beispiel Ukrainischen Frauen die mit uns so (traditionelle?) Tänze gemacht haben.

Die Gottesdienste finden nicht am Sonntag morgen statt sondern zu zwei verschiedenen Zeiten abends. Zusätzlich gibt es ganz verschiedene Gruppen die an verschiedenen Tagen und Zeiten stattfinden zb. Kreativ, Bibel, Wald, Kaffe und Kuchen, gemeinsam Abendessen und chillen.

Ich finde sie sind nicht extrem streng nach der Bibel, es wurde erwähnt dass es für sie nicht wirklich eine Rolle spielt ob man die bibel wie evangelisch sieht (also eher locker) oder wie die evangelikalen Christen (sehr streng). Sondern das was uns verbindet ist der Glaube an Jesus. Ich war bisher ca. 6-7 mal an Gottesdiensten oder in Gruppen und sie wissen eigentlich sehr wenig über mein Privatleben, ich muss nichts preisgeben.

Mit einem von der Gemeinde hab ich sehr ausführlich über meine Persönliche Situation gesprochen und er war sehr offen, hilfsbereit, Verständnisvoll. Also m.M.n eine sehr positive Erfahrung. (Ich würde hier ergänzen falls sich das ganze ins Negative ändert)

Bisher weiss niemand dass ich Queer bin, falls es zum Thema wird, wäre ich sehr gespannt auf ihren Umgang damit. Wenn sie mich "heilen" wollen, mich als schlechter mensch sehen etc. Wäre ich schnell wieder weg. Würde ihnen jedoch auch meine Meinung sagen.

Wenn ich vor dem ersten Besuch gewusst hätte, das es eine Freikirche ist, wäre ich nicht hingegangen. Da ich ganz ehrlich einige Vorurteile und Ängste davor gehabt hätte... Am besten ohne viel "Vorwissen" hingehen. (Wichtig: nicht irgendwelche Sachen unterschreiben ohne sich gut informiert zu haben!)

Hoffe das hilft, bei Fragen gerne melden

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung