Epikurs Lustbegriff

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Sensualistisch nennt man Epikurs Begründung der Lust als Lebensziel, weil er wie Aristipp von Kyrene (Begründer des Hedonismus) die sinnlichen Begierden (sinnliche Lust = griech. hedon) und deren Erfüllung als ideales Ziel (eines gelingenden Lebens) ansieht. Doch im Unterschied zu Aristipp kann nur eine bestimmte Art der Lust zu einem gelingenden und gesunden Leben führen. Epikur unterscheidet zwischen „vernünftigen“ und „unvernünftigen“ Begierden. Die „vernünftigen“ Begierden sind solche, die unserer Natur entsprechen, dementsprechend keinen Schaden nach sich ziehen und leicht zu erreichen sind. Ein Mensch mit einem gemäßigten Verlangen, welches nur auf das Notwendigste gerichtet ist, wird dauerhaft die höchste Lust erfahren. Die Erfüllung „unvernünftiger“ Begierden führt zwar kurzfristig zu einem Lustzuwachs im Sinne von dynamischer Lust, zieht aber auf lange Sicht Schmerzen nach sich. Zu dieser Kategorie gehören Schlemmereien und orgiastisches Verhalten jeder Art. Um für sich eine vernünftige Lust zu verwirklichen, befleißigte sich Epikur einer fast asketischen, tugendhaften Lebensweise. Es ist für Epikur nicht möglich, lustvoll zu leben, ohne dass man klug, schön und gerecht lebt. Ein Mensch mit einem gemäßigten Verlangen, welches nur auf das Notwendigste gerichtet ist, wird dauerhaft die höchste Lust erfahren. Die sah er in der Ataraxie, der vollkommenen Seelenruhe, der völligen Freiheit von Schmerzen, von Beunruhigung. Die Philosophie spielt hier insofern eine Rolle, als Epikur die Übereinstimmung von lustvollem Verhalten mit den Prinzipien der Vernunft als ideal ansieht. „Empirisch“ kann man diese Erkenntnisse Epikurs nennen, weil sie offensichtlich nicht durch theoretische Betrachtung, sondern durch Erfahrung gewonnen worden sind.

Vielleicht lässt sich der Unterschied zwischen Empirismus und Rationalismus an den beiden Gegenspielern Epikur und Platon gut klarmachen. Für Epikur ist die Erfahrung die Basis unserer Weltinterpretation und Begriffe und damit angestellte logische Verknüpfungen und Theorien müssen sich immer wieder an der Erfahrung messen lassen, da sich im kulturellen Gebrauch erhebliche Differenzen zwischen Erfahrungen und unseren Begrifflichkeiten und Theorien darüber ergeben können. Für Platon ist es genau umgekehrt, die Ideen, die idealen Begrifflichkeiten sind die unendlichen Wahrheiten und unsere Erfahrung, die reale Welt nur eine schlechte Kopie.

Hier gibt es einen großen Unterschied in der Herleitung des "höchsten Gutes". Für Platon ist es die Spitze der logischen Begriffsherleitungen, die als Letztbegründung alle anderen aussticht. Epikur in diesem Sinn ein höchstes Gut zu unterstellen, z.B. die Lust, ist der Versuch, der Erfahrung eine rationalistische Herleitung überzustülpen.

Epikur sagt es viel einfacher: Ob Tier oder Kind oder Erwachsener, die Natur hat uns einen Seismographen mitgegeben, der uns durch gute Gefühle anzeigt, dass wir auf positivem natürlichem Weg des Überlebens sind oder durch negative Gefühle, dass wir unser Überleben gefährden. Das Leben, auch bei Menschen, wählt zuerst einmal instinktiv, was für sein Überleben am förderlichsten ist. In unserer Begriffswelt nennen wir das Positive das Gute, das Natürliche und empfinden dabei Freude, Lust, Genugtuung usw.. Negativ empfinden wir Schmerzen, Unwohlsein, Traurigkeit.

Hier gibt es wieder einen großen Unterschied zwischen den Rationalisten und Epikur als Empirist. Für die Rationalisten ist die Seele der Hort der Begriffswelt, der der Welt der Ideen am nächsten ist. Für Epikur ist die Seele eine Art Ummantelung des Körpers mit feinsten Atomen und unser Verstand die Verrechnungsmaschine aller sinnlichen Wahrnehmungen. Selbst unsere Erinnerungen wie unsere Hoffnungen greifen auf sinnliche Erfahrungen, Empfindungen zurück. Wir können uns keine künftige Freude vorstellen, wenn wir noch nie Freude erfahren haben. Der Unterschied zwischen körperlicher Lust und geistigen Freuden ist deshalb nicht so groß, weil beide in der direkten Erfahrung fest gemacht sind.

Wir sind in die Welt geboren mit der sicheren Aussicht, sie wieder zu verlassen. Dazwischen liegt unser Leben mit vielen Möglichkeiten, mit freudvollen Erfahrungen, wenn wir es gut anstellen und mit Leid, wenn wir daneben liegen. Da wir als Menschen die Welt nicht nur im Jetzt erfahren sondern uns als gesellschaftliche Wesen mit Kommunikation von Begriffen und Theorien ein gutes Leben in dieser Welt suchen, kann auch aus falschen Vorstellungen über das Sein der Welt ein Leben misslingen. Für Epikur ist die Philosophie wie eine Lebensmedizin. Sie soll uns helfen, zu möglichst richtigen Vorstellungen über die Welt (uns eingeschlossen) zu kommen und so zu einem gelingenden Leben.

Epikur greift nicht nur in seiner Seinstheorie auf Parmenides zurück mit dem Satz dass nichts aus Nichts entstehen und etwas Existierendes sich nicht in Nichts auflösen kann. Er folgt in seinen Einstellungen auch der Empfehlung des Parmenides, sich nicht in einem polaren, einem Denken in Gegensätzen zu verkürzen. Eine beleuchtete Kugel hat nicht nur eine kleine schwarze Seite und eine klein weißhelle, sondern der größte Teil der Kugel ist eine von dunkel nach hell übergehende Grauzone mit großen Differenzierungen und viel Platz, sich zwischen den Extremen zu positionieren. Wenn man das bedenkt, leuchtet schnell ein, warum bei Epikur für ein gutes Leben das Leben in der Grauzone, in der ruhigen Seele zwischen den Extremen zu finden ist. Es ist bezeichnend, dass für uns meistens das Wort „Grauzone“ negativ besetzt ist, wir ständig zwischen Extremen hin und hergetrieben werden. Für Epikur ist die seelenberuhigte Grauzone mit viel Platz für ganz individuelle „gute Leben“ etwas Positives und die Philosophie hat die Aufgabe, Weisheit zu sammeln, sich nicht in den Extremen verheizen zu lassen.

Du musst deine Texte lesen, die du vom Lehrer bekommen hast. Da steht das drin. Ich habe dir einen DH gegeben, weil ich dir glaube, dass du mit Google gesucht haben könntest und die erste Seite von Ergebnissen dir nicht direkt weitergeholfen haben könnte (im Gegensatz zu allen anderen bis jetzt die behauptet haben, dass googlen nichts gebracht hat).