Ehrlich gesagt, ist Deutschlands Vergangenheit und Gegenwart sehr ähnlich wie die Chinas?
Die Parallelen zwischen Deutschland zur Zeit des Wilhelminismus und China in der heutigen geopolitischen Situation sind bemerkenswert. Wie du sagst, hatte Deutschland unter Wilhelm II. eine Expansionstendenz, die durch die Notwendigkeit einer breiteren Markterschließung und den Drang nach Ressourcen bedingt war. Dies führte zur imperialen Außenpolitik, die in den Ersten Weltkrieg mündete.
China steht heute in einer ähnlichen Situation, wenn auch in einem anderen historischen Kontext. Der riesige Binnenmarkt und das enorme Produktionspotenzial von China kollidieren mit externen Einschränkungen und geopolitischen Spannungen. Die starke Betonung auf maritime Kräfte und die Entwicklung einer globalen Präsenz, vor allem in Asien und darüber hinaus, spiegelt einen ähnlichen Drang wider, den China wie Wilhelm II. mit einer „Oberhoheit auf den Weltmeeren“ assoziiert.
Chinas Handelsrouten sind extrem verletzlich, was durch die „Malacca-Dilemma“-Theorie noch verstärkt wird – die Abhängigkeit von Engpässen wie der Straße von Malakka für den Öl- und Warentransport. Diese geopolitische Anfälligkeit könnte Chinas außenpolitische Strategie stark prägen und hat zu einer zunehmenden Militarisierung des Ost- und Südchinesischen Meeres geführt.
Ein weiterer interessanter Punkt ist die Abhängigkeit Chinas von Importen, nicht nur bei Lebensmitteln, sondern auch bei fortgeschrittenen Industriegütern und Maschinen, was es in gewisser Weise auch auf der wirtschaftlichen Ebene anfällig macht. Dies erinnert an die frühe industrielle Phase Deutschlands, das auf strategische Ressourcen angewiesen war und in zunehmendem Maße im Ausland nach neuen Märkten und Kolonien suchte.
Die Beziehungen zu Nachbarländern wie Japan und Südkorea sind ebenfalls angespannt, ähnlich wie die diplomatischen Herausforderungen, mit denen Deutschland im Vorfeld des Ersten Weltkriegs konfrontiert war. Chinas Bestrebungen, stärkere politische und wirtschaftliche Bindungen mit Russland und anderen Staaten zu entwickeln, dürften die geopolitische Dynamik weiter verkomplizieren.
Allerdings gibt es auch entscheidende Unterschiede, insbesondere im internationalen System. Heute existieren viele Mechanismen zur Vermeidung von großflächigen militärischen Konflikten, was die Gefahr eines Weltkriegs zwar mindert, aber nicht unbedingt die geopolitischen Spannungen und Rivalitäten vermindert. Trotzdem zeigt die heutige geopolitische Situation Chinas, dass ähnliche wirtschaftliche Zwänge und machtpolitische Ambitionen nach wie vor globale Spannungen befeuern können.
5 Antworten
Nein China wurde ordentlich durchgereicht während Deutschland meistens eine sehr mächtige und aggressive Position hatte.
Nun bei allen Fehlern hat China eine viel ältere und größere Kultur
Hallo,
zwischen dem "Reich der Mitte" und Deutschland,
gibt es gut wie gar keine Parallelen.
Hansi
Nein. Da gibt es keine oder kaum Ähnlichkeiten. Und vieles aus deinem Text sehe ich auch anders, bzw. findet man im Internet auch andere Informationen.
Ein paar Gedanken:
China ist keineswegs von anderen Ländern so stark abhängig. Im Gegenteil. Viele Länder sind von China abhängig. Sowohl was günstige Materialien betrifft, einige Lebensmittel und auch fertige industrielle Produkte.
Und ob die Beziehungen zu den Nachbarländern wirklich alle so angespannt sind, bin ich mir auch nicht sicher. Auch hierzu lassen sich in einigen Berichten mittlerweile Informationen finden, dass China sich bemüht, die Beziehungen zu Japan und Südkorea zu verbessern. Und Russland ist nicht so ein starker Kandidat für bessere politische und wirtschaftliche Beziehungen. Andere Länder sind da im Gesamten wichtiger. Russland dient eher als Art Pufferzone, wodurch man sich mehr auf andere Grenzen konzentrieren kann.
Angesichts der schweren Wirtschaftskrise in China verfolgt die Regierung eine pragmatische Politik, die hauptsächlich auf unverantwortlicher Verschuldung und hohen Investitionen beruht, um die Wirtschaftskrise zu dämpfen. Derzeit liegt der Fokus vor allem auf staatlichen Investitionen, um die Geschwindigkeit des wirtschaftlichen Rückgangs zu verringern. Gleichzeitig versucht China, seine Beziehungen zu den wichtigsten Auslandsmärkten zu verbessern, die Politik zu lockern und den Außenhandel zu fördern, um die innere Krise zu mildern. Diese Strategie ist nur eine kurzfristige Maßnahme der chinesischen Regierung, um eine Eskalation der nationalen Krise zu
vermeiden. In diesem Kontext wirkt Chinas Außenpolitik ziemlich lächerlich, da das Land sich selbst als Verteidiger und führenden Akteur des vergangenen Globalisierungssystems darstellt, obwohl dieses System auf Chinas Ausbeutung und den relativ niedrigen Gewinnmargen für ausländische multinationalen Unternehmen basierte.
Als Chinese kann ich nicht unbedingt zustimmen, dass China in Bezug auf fortschrittliche Industriemaschinen – insbesondere in der Stahlproduktion – sowie bei Halbleiterchips (Rohmaterialien für hochwertige Wafer), selbstständigen Produktionskapazitäten, benötigten Ätzmaschinen und oft diskutierten Lithografiegeräten fast vollständig vom Ausland abhängig ist.
China importiert etwa 50 % seines Erdöls, bei Erdgas sind es fast 20 bis 30 %, und nur bei Kohle ist das Land nahezu autark. Auch die Bemühungen der chinesischen Regierung, die Produktionsstruktur in ländlichen Gebieten hin zu einem stärker zentralisierten, staatlich regulierbaren Modell umzuwandeln, waren nicht erfolgreich. Nach wie vor dominiert in Chinas Landwirtschaft kleinbäuerliche Familienwirtschaft mit dezentraler Produktion. Die Einführung großflächiger, industrieller Agrarstrukturen war in China bisher wenig erfolgreich, auch wenn es in den letzten Jahren verstärkte Ansätze gibt.
Genau deshalb halte ich die derzeitige grundlegende soziale Struktur der ländlichen Gebiete Chinas – kombiniert mit der Abhängigkeit von Agrarimporten – im Falle eines Totalen Krieges für eine potenzielle Schwachstelle.
Ich sehe kaum Ähnlichkeiten
Den koloniale Drang des Deutschen Reiches übertreibst Du stark. Unter Bismarck war man aus guten Gründen sehr zurückhaltend und Märkte waren Kolonien kaum.
Sie nahmen Bevölkerungsteile und Investitionen auf aber dort wurden doch kaum Produkte verkauft, jedenfalls in den deutschen Kolonien. Wer sollte die denn kaufen?Die meisten Kolonien brachten Verluste und kosteten mehr als sie einbrachten. Eine Ausnahme war Indien.
Im Wesentliche war Kolonialismus eine Frage des Prestiges nicht der Ökonomie.
Die maritime Aufrüstung war ja gerade NICHT auf die Kolonien ausgerichtet. Man baute ja keine Kreuzerflotte, um die Wege zu den Kolonien zu sichern, wie es Caprivi wollte. Man baute eine Schlachtflotte mit kurzer Reichweite, die nicht außerhalb der Nordsee agieren konnte, wie es Tirpitz wollte.