Der Vorleser - Michaels Verrat? (Deutsch)
Hallo! Am Mittwoch schreiben wir eine Klausur über den 1. Teil von der Lektüre "Der Vorleser". Was ich nicht verstehe, ist Michaels Verrat an Hanna. Er meint ja selber, dass er seinen Freunden nichts von ihr preisgegeben hat, sie nicht bloßgestellt hat usw. Aber trotzdem hat er sie verraten, weil seine Freunde nichts über sie wissen? Ich versteh das irgendwie nicht.
Danke im Voraus!
2 Antworten
Hallo Meli113, der Verrat besteht darin, dass Michael seine Geliebte im Gerichtssaal fallen lässt. Er hat nicht den Mut, preiszugeben, dass sie gar nicht lesen kann und damit zumindest für den SS-Bericht nicht verantwortlich ist. Das mindert zwar in keiner Weise ihre Schuld, aber sie würde vielleicht nicht anders beurteilt werden, als ihre Mitangeklagten. Michael setzt sie damit einer sehr hohen Strafe aus und man könnte sogar soweit gehen zu sagen, er verurteilt sie genau genommen selbst zum Tode, denn Hannah kann nach zwanzig Jahren nicht mehr ins Leben zurückkehren und nimmt sich lieber vorher das Leben. Michael muss sich dafür eine Mitschuld anlasten.
Hallo Melii, wo genau ist denn von "Verrat" die Rede? Ich habe den Film gesehen, die Lektüre jedoch nicht gelesen. Im Film kommt egentlich kein Verrat von Michael zum Ausdruck.
Kapitel 15 Dann habe ich begonnen, sie zu verraten. Nicht daß ich Geheimnisse preisgegeben oder Hanna bloßgestellt hätte. Ich habe nichts offenbart, was ich hätte verschweigen müssen. Ich habe verschwiegen, was ich hätte offenbaren müssen. Ich habe mich nicht zu ihr bekannt. Ich weiß, das Verleugnen ist eine unscheinbare Variante des Verrats. Von außen ist nicht zu sehen, ob einer verleugnet oder nur Diskretion übt, Rücksicht nimmt, Peinlichkeiten und Ärgerlichkeiten meidet. Aber der, der sich nicht bekennt, weiß es genau. Und der Beziehung entzieht das Verleugnen ebenso den Boden wie die spekta-kulären Varianten des Verrats. Ich weiß nicht mehr, wann ich Hanna erstmals verleugnet habe. Aus der Kameradschaft der sommerlichen Nachmittage im Schwimmbad entwickelten sich Freundschaften. Außer meinem Banknachbarn, den ich aus der alten Klasse kannte, mochte ich in der neuen Klasse besonders Holger Schlüter, der sich wie ich für Geschichte und Literatur interessierte und mit dem der Umgang rasch vertraut wurde. Vertraut wurde er bald auch mit Sophie, die wenige Straßen wei-ter wohnte und mit der ich daher den Weg zum Schwimmbad gemeinsam hatte. Zunächst sagte ich mir, die Vertrautheit mit den Freunden sei noch nicht groß genug, um von Hanna zu erzäh-len. Dann fand ich nicht die richtige Gelegenheit, die richtige Stunde, das richtige Wort. Schließ-lich war es zu spät, von Hanna zu erzählen, sie mit den anderen jugendlichen Geheimnissen zu präsentieren. Ich sagte mir, so spät von ihr zu erzählen, müsse den falschen Eindruck erwe-cken, ich hätte Hanna so lange verschwiegen, weil unsere Beziehung nicht recht sei und ich ein schlechtes Gewissen hätte. Aber was ich mir auch vormachte ich wußte, daß ich Hanna ver-riet, wenn ich tat, als ließe ich die Freunde wissen, was in meinem Leben wichtig war, und über Hanna schwieg.
;)