Centaurenstaat?

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Kentauren bzw. Centauren (griechisch: Κένταυροι [Kentauroi] bzw. Κενταυρίδες ; Singular: Κένταυρος bzw. Κενταυρις; lateinisch: Centauri; Singular: Centaurus) sind in der griechisch-römischen Mythologie vierbeinige Mischwesen aus Mensch und Pferd. Der Kopf und zumindest ein Teil des Oberleibes einschließlich der Arme sind menschlich, darunter befinden sich Rumpf und Beine eines Pferdes.

Typische Kentauren sind ziemlich rauh und wild. Sie betreiben Jagd und essen Fleisch roh. Kentauren sind schnell, stark und wagemutig. Animalische Aggressivität ist mit menschlichem Verstand gepaart. Kentauren sind naturverbunden und eher zivilisationsfern. Kentauren möchten das Leben genießen, sind stark von natürlichen Bedürfnissen und Trieben bestimmt. Sie sind dafür anfällig, unbändig, zügellos, unbeherrscht und gewalttätig zu werden, besonders wenn sie übermäßig alkoholische Getränke getrunken haben.

Ein Kentaurenstaat bzw. Centaurenstaat wäre ein Staat von Kentauren bzw. Centauren. Was mit dem Ausdruck gemeint, kann aber aus einem Zusammenhang erklärt werden.

In der Soziologie hat es eine Verwendung der Bezeichnung als »Centaurenstaat« gegeben, die damit den neoliberalen Staat als Mischung aus einem liberalen Kopf und einem autoritären Körper darstellt. Dieser Staat ist ein hybrider (gemischter/aus mehreren Bestandteilen gebildeter) Staat, wie ein Kentaur bzw. Centaure ein gemischtes Lebewesen ist.

Beim neoliberalen Staat gibt es eine Spitze, die in einer ideologischen Rhetorik von einer »Freiheit des Marktes« redet und Rahmendingungen nach den Interessen eines weltweit tätigen Kapitalismus von großen Unternehmen und Finanzeinrichtungen schaffen möchte, andererseits wird ein starker Staat benötigt, der die Möglichkeiten von Veränderung und Empörung neutralisiert, kontrolliert, diszipliniert, abwehrt und notfalls bekämpft. Der autoritäre Körper geht dabei gegen Störungen und Unruhen durch die gesellschaftlich unten Stehenden hart vor.

 

Loïc Wacquant, Bestrafen der Armen : zur neoliberalen Regierung der sozialen Unsicherheit. Aus dem Französischen von Hella Beister. 2., durchgesehene Auflage. Opladen ; Berlin ; Toronto : Budrich, 2013, S. 62 – 63: „Die USA, so die These, tasten sich zu einem hybriden Staat neuer Art vor, der weder „Beschützerstaat“ im Sinne der Alten Welt ist, noch ein „minimalistischer“ oder nicht-interventionistischer Staat wie in der ideologischen Mär der Marktfanatiker. Seine soziale Seite und die Leistungen, die er vergibt, werden zunehmend von den Privilegierten vereinnahmt, vor allem über die „Fiskalisierung“ der staatlichen Unterstützung (für Bildung, Krankenversicherung und Hauseigentum), während seine Kontrollfunktionen hauptsächlich bei den unteren Schichten und untergeordneten ethnischen Gruppen zum Zuge kommen. Dieser Centaurenstaat, der sich von einem liberalen Kopf auf einem autoritären Körper leiten lässt, praktiziert in den oberen Regionen, wenn es um soziale Ungleichheit und die sie erzeugenden Mechanismen geht, die Doktrin des „laisser-faire, laissez-passez“ (Freizügigkeit des Kapitals, Aushöhlung des Arbeitsrechts und Deregulierung der Beschäftigung, Aushöhlung oder Abschaffung kollektiver Schutzbestimmungen), und erweist sich weiter unten, wenn es heißt, mit den Folgen umzugehen, die daraus tagtäglich entstehen, als brutal paternalistisch und strafwütig.“

Rainer Mausfeld, Angst und Macht : Herrschaftstechniken der Angsterzeugung in kapitalistischen Demokratien. Frankfurt/Main : Westend, 2019 S. 72:

„Der Neoliberalismus produziert im Übermaß ökonomisch Überflüssige, also Menschen, die nicht mehr für kapitalistische Verwertungsprozesse von Nutzen sind, da ihm die Korrektur- und Anpassungsmechanismen des klassischen Kapitalismus in der globalen Konkurrenz um höchste Profitraten abhanden gekommen sind. Diese wachsende Masse der Überflüssigen muss politisch neutralisiert, also diszipliniert werden, wozu nun alte Techniken intensiviert, verfeinert und angepasst werden müssen. Der französische Sozialanthropologe Loïc Wacquant bezeichnet den neoliberalen Staat daher als »Centaurenstaat«, »ein liberaler Kopf auf einem autoritären Körper«. »Die ›unsichtbare Hand‹ des Marktes für unsichere Arbeitsverhältnisse findet ihre institutionelle Entsprechung in der ›eisernen Hand‹ des Staates, der bereitsteht, die Unruhen, die aus der zunehmenden Verbreitung sozialer Unsicherheit resultieren, unter Kontrolle zu halten.«“

Ein Verbund Trinkender Halbpferde/Halbmenschen.

Ein Staat der von Zentauren gemanaged wird. Zentauren sind kreaturen von annähernd menschlicher Intelligenz