Brauche Hilfe bei Gedicht Interpretation von Bertolt Brecht „Exil“?
Es geht speziell um den II. Teil. Den ersten hab ichbezogen mit eingefügt weil es zusammen gehört . Bitte helft mir. Was bedeuten die drei letzte Verse?
I
Nur was sie zu ihrem Unterhalt brauchen
Nehmen sie von der fremden Umgebung. Sparsam
Geben sie die Erinnerung aus.
Sie werden nicht angerufen. Sie werden nicht angehalten.
Niemand schilt sie und niemand lobt sie.
Da sie keine Gegenwart haben
Suchen sie sich Dauer zu verleihen. Nur um an ihr Ziel zu kommen
Das weit entfernt ist
Suchen sie sich zu verbessern.
Achtlos fischt der Beschäftigte
Nach einem Bissen Essen. Der Schlaflose
Braucht keine Lagerstatt.
Mit ihren Vorfahren
Haben sie mehr Verbindung als mit ihren Zeitgenossen
Und am gierigsten blicken sie
Die ohne Gegenwart scheinen
Auf ihre Nachkommen.
Was sie sagen, sagen sie aus dem Gedächtnis
Sie bewegen sich ohne Paß und Ausweis.
II
Ihr seid wie Leute, die an den Meerstrand kommen
Wollen hinüber und haben nur einen Löffel
Das Meer auszuschöpfen. Oder wie Leute
Die aus einem Turmhaus fallen und im Sturze nachdenken
Wie sie höher zu bauen wären.
So als lebtet ihr in großer Zeit. - Und so ist es auch.
Danke
1 Antwort
Die Fortsetzung ist auch wichtig:
III
Sie sägten die Äste ab, auf denen sie saßen
Und schrieen sich zu ihre Erfahrungen
Wie man schneller sägen konnte, und fuhren
Mit Krachen in die Tiefe, und die ihnen zusahen
Schüttelten die Köpfe beim Sägen und
Sägten weiter.
Zu deiner Frage:
Der Fall aus einem Turmhaus ist nicht mehr zu beeinflussen, das Aufschlagen unvermeidlich. Die Situation des Exilierten ist also verzweifelt, ein glücklicher Ausgang ausgeschlossen. Die Fallenden reagieren nicht auf die gegenwärtige Lage, sie schreien nicht, sind nicht in Panik etc. Sie reagieren rückwärtsgewandt mit Überlegungen, wie bei einem Sturz das Aufschlagen auf dem Boden hätte hinausgezögert werden können (höherer Turm). Das ist eine unsinnige, törichte Überlegung. Sie zeigt, dass die Exilierten in fruchtlosen Debatten befangen sind über irrelevante Fragen. Sie überlegen nicht selbstkritisch, was zum Sturz geführt hat (= falsche Reaktion auf den aufsteigenden Faschismus), sondern suchen die Schuld bei anderen, also an den falschen Stellen. Insgesamt sind sie zwar Opfer, aber wirkliches Mitleid stellt sich nicht ein, sie wirken eher lächerlich.
"So als lebtet ihr in großer Zeit": Merkwürdig ist das "als", man erwartet "also". "Große Zeit": Zeit mit großen Herausforderungen, die ein kleines Geschlecht vorfand, das versagte.
Dasselbe: Sie suchen kein Boot/Schiff, sondern denken an einen Löffel, der aber völlig ungeeignet ist, ein Meer auszuschöpfen. Exilanten sind also töricht, verwirrt, erkennen die Situation nicht richtig, verfallen auf falsche Methoden etc. Wieder sind sie lächerlich, närrisch.
Würdest du sagen dass Bertolt Brecht sie in diesem Fall „auslacht „ oder“ erniedrigt“? Wie würdest du es beschreiben ?
Er war ja auch Exilant? Meint er vielleicht auch sich ? Oder schließt er sich da aus
Ich denke, er schließt sich auch ein. Es ist also auch Selbstkritik.
Eine andere Seite ist: Es ist eine tragische Situation, in der es ein richtiges Verhalten gar nicht mehr geben kann. Nachdem die Gewaltherrschaft am Ruder ist, können Exilanten fast nichts mehr tun. Wenn sie es doch versuchen, wirken sie schnell grotesk. Vielleicht hat er im Hinterkopf: Nur die militärische Macht von SU, USA und GB kann helfen, nicht die ganzen Projekte und Luftschlösser der Exilanten.
danke ! Das kst Wircklcih hilfreich ! Eine letzte Sache wo ich ganze Zeit am überlegen bin: auf welche Situation könnte sich das denn beziehen mit dem Meer und dem Löffel und dem Turmhaus ? Das kst ja eine Metapher : und womit könnte man das assoziieren oder wie kann man das genau im Zusammenhang mit dem exilgang betrachten?
Es geht um die Naziherrschaft, vor der die Exilanten geflohen sind und die sie bekämpfen wollen. Die Turmmetapher zeigt ihre verzweifelte Lage: Sie sind "losgelöst", haben "den Halt verloren", fallen ins Nichts. Exil = Hilflosigkeit, Ausgesetztsein.
Das Meer ist riesig, endlos. So erscheint die Macht der Nazis. Diese Macht kann nicht mit Resolutionen, Diskussionen und Streitereien in Emigrantenzirkeln "trockengelegt" werden.
Super vielen Dank , hat mir weiter geholfen . Und was genau meint Brecht mit dem Löffel und den meer?