Bist du im Laufe des Lebens nachsichtiger geworden?

Ich weiß es nicht. Einerseits ja, andererseits nein. Mir eilt der Ruf voraus, ich sei mit den Jahren härter und unerbittlicher geworden, aber andererseits kein Unmensch und einer mit dem man immer noch reden könne, wenn man mit keinem anderen mehr reden könne. Ich lasse mich gern überzeugen, wenn das Argument stark ist, und bin im Betrieb tatsächlich auch der, der mit vielen als schwierig geltenden Kunden bestens klarkommt.

Es kommt drauf an, um was es geht: Wer mich veralbern will, kriegt heute alle Härte zurück und das intensiver als in jungen Jahren, wo ich mich das nicht getraut hätte; kleine Fehler hingegen und mancher blöde, aber harmlose Lapsus wird von mir hingegen anders als früher einfach nur als Quatsch hingenommen, nach dem die Reise wieder weiter geht und der mich nicht weiter irritiert.

Andererseits hört bei mir der Spaß auf. Wer es probiert, tut das nur einmal und erlebt dann sein blaues Wunder. Einen sehr alten Autofahrer, der letztes Jahr mein Auto rammte und hinterher auf freche Weise versucht hat, mir die Schuld in die Schuhe zu schieben, habe ich zum Fahrtauglichkeitstest schicken lassen. das war über meine guten Kontakte zum Landratsamt eine Sache von wenigen Tagen. Erwartungsgemäß war der Mann mit fast 90 Jahren nicht mehr fahrtauglich wegen etlicher Krankheiten - der ging dann halt zu Fuß bzw. war ans Haus isoliert, weil er kaum mehr laufen konnte. Ich erfuhr hernach, der hat versucht mir die Schuld zu geben, weil er Angst hatte, er könnte den Führerschein verlieren, wenn er einen weiteren Unfall melden würde - so war es dann halt. Ein Anderer hätte das eventuell mit sich machen lassen, ich vor zehn Jahren eventuell auch noch, aber jetzt eben hatte er sich den Richtigen ausgesucht: Das war's dann halt.

Ich muss dazu sagen: In meiner Kindheit und Jugend sowie generell in meiner Heimat, in der ich nicht mehr wohne, hatten es nicht viele gut gemeint mit mir und das trug sicher auch dazu bei, dass ich als Erwachsener in den Dreißigern einer geworden bin, der nicht alles mit sich machen lässt, wenn wieder einer meint, er müsse "reüssieren" im negativen Sinne und es mit mir aufnehmen. Ich kann die Leute durch meine beruflichen Kontakte in Richtung Justiz, Polizei und Verwaltung hochnehmen lassen - und würde das jederzeit wieder tun. Damit rechnen sie nicht, wenn sie mich als den netten biederen Typen wahrnehmen, daher ist es für sie umso schmerzhafter.

Nein, ich bin nicht nachsichtiger geworden.

Das Gegenteil ist der Fall. Ich war früher recht tolerant. Das bin ich zwar immer noch, aber in vielen Dingen nicht mehr und auch nicht mehr in dem Maße wie früher. Besonders wenn es um zwischenmenschliche Dinge geht. Mit den Jahren bin ich seelisch etwas "wundgerieben" und allerlei Dinge trugen dazu bei, dass ich inzwischen auch viele allgemeine Dinge nicht mehr nachsehe.

Es gibt einfach eine Grenze, die Menschen nicht überschreiben sollten. Wir leben in einer Gesellschaft und da gibt es nun mal Regeln an die man sich halten muss, wenn man nicht anecken oder ausgeschlossen werden will.

Ich habe eher strengere Ansichten als früher. Denn ich bin nicht der Meinung (wie scheinbar sehr viele Leute hier), dass jeder alles tun darf, was ihm "Spaß macht" oder wobei er sich "wohl fühlt" - zumindest nicht, wenn diese Person noch Ansprüche an die Gesellschaft stellt. Wenn man den Normen und Werten der Gesellschaft eine Absage erteilt, darf man auch nichts mehr von ihr erwarten.

Ich bin zu der Erkenntnis gekommen, dass nicht nur ich, auch andere viel zu nachsichtig sind, und dadurch Respekt und Moral verkommen sind.

Kommt drauf an. Auf der einen Seite nicht, da sich für mich auch nie jemand gejuckt hat also warum sollte ich mich für irgendetwas interessieren

Aber auch nur wenn keiner zu schaden kommt etc