"Ausnahmen bestätigen die Regeln" - Wer kann mir das mal erklären?

6 Antworten

Diese Redensart besagt eigentlich nur, dass es im Leben immer wieder Fälle gibt, bei denen unsere gewohnten Erklärungen nicht so ganz passen. Unsere Erfahrungen geben uns einen gewissen Bezugsrahmen, mit dem wir unseren Alltag meistern. Dann aber gibt es immer wieder mal ein Ereignis, ein Erlebnis, das sich eben nicht so nahtlos in unser Erklärungsmuster einfügt, das sich im Großen und Ganzen ja durchaus bewährt hat und das in sich ja auch stimmig ist. Und so erklären wir dann oft ein solches ungewohntes Erlebnis, eine solche ungewohnte Erfahrung zur "Ausnahme, die die Regel bestätigt". Also: Unser Bezugsrahmen - oder mit anderen Worten - unser Erfahrungshintergrund ist nicht falsch, weist aber hier und da Lücken auf. Und so könnte man auch anders formulieren: Statt: "Dies ist eine Ausnahme, die ..." ließe sich auch sagen: "Dieses Ereignis zeigt, dass mein Erklärungsmuster weiter greifen muss, dass es noch zu eng gedacht wird." Mit anderen Worten: Meine "Regel" ist nicht falsch, aber ungenau formuliert und erfasst nicht alle Möglichkeiten.

An einem Beispiel kann man das aufzeigen: Jemand verfolgt auf einer einsamen Insel mit Hilfe eines in den Boden gesteckten Stabes im Laufe eines Jahres die Sonnenauf- und -untergänge. Und er kommt durch seine Beobachtungen zu der durchaus richtigen Schlussfolgerung:

Die Sonne geht unterschiedlich auf und unter, dadurch sind Tag und Nacht immer ungleich lang. Mit zwei Ausnahmen: Am 21. März und am 21. September sind Tag und Nacht gleich lang.

Das sind ihm eben jene "Ausnahmen“, die seine ansonsten ja richtige Regel „bestätigen“. Nun wissen wir ja, dass diese unterschiedlichen Tages- und Nachtlängen in einen rhythmischen Zusammenhang eingebunden sind, bei dem diese "Ausnahmen" (Tag und Nacht sind gleich lang > 21.3. und 21.9.) durchaus ihre Stimmigkeit haben als Durchgang von dem einen Extremwert (längster Tag und kürzeste Nacht > 21. 6.) zum anderen Extremwert(kürzester Tag und längste Nacht > 21.12.). Und so sehen wir, dass die Regel nicht falsch, aber eben nicht umfassend genug formuliert ist, um auch jene Ereignisse zu erfassen, die uns dann als "Ausnahmen" erscheinen.

Unser Inselbewohner müsste also genauer beobachten und die unterschiedlichen Längen von Tag bzw Nacht exakt messen und aufzeichnen. Dann könnte er seine Ergebnisse miteinander vergleichen und käme zu einer umfassenderen Regel, die die beiden "Ausnahmen" eben als Bestandteil dieser neuen und umfassenderen Regel erfassen würde. Aber wie gesagt: Seine Regel ist nicht falsch, nur ungenau!

Und so zeigen Ausnahmen, die die Regel zu bestätigen scheinen, nur an, dass die Regel noch genauer erfasst und präziser formuliert werden müsste.

Wenn es für bestimmte Dinge eine eingefahrene Regel gibt, dann kann es auch mal entgegengesetzt laufen und ist dann die Ausnahme der bekannten Regel...

Der Redewendung ist ein paradoxer Satz.

Zunächst erscheint erst vor dem Hintergrund einer Regel etwas als Ausnahme. Ein Fall wird durch eine aufgestellte Regel als Ausnahme bestimmt, wenn er in das Gebiet fällt, auf das sie sich bezieht, und von ihr abweicht. Die Ausnahme bestätigt insofern bloß die Existenz der Regel, aber nicht ihre Gültigkeit. Dies führt zu der Überlegung, ob eine Ausnahme eine Regel in Frage stellt, verletzt oder sogar außer Kraft setzt und widerlegt. Dabei ist zu berücksichtigen, um welche Art Regel es sich handelt. Eine Regel im Sinn eines strengen und genauen Gesetzes (wissenschaftliche Exaktheit) verträgt keine Ausnahme. Eine Hypothese (Annahme) wird durch das Feststellen einer Ausnahme falsifiziert (als falsch nachgewiesen). Die Frage ist dann, ob die Hypothese völlig falsch oder nur teilweise falsch ist. Wenn die Hypothese durch eine Einschränkung (nur noch auf einen bestimmten Geltungsbereich bezogen, gilt nur unter bestimmten Bedingungen) verändert wird, kann sie unter Umständen gelten. So etwas ist zum Beispiel bei Gesetzmäßigkeiten der klassischen Physik geschehen.

Eine Regel kann aber auch nur ein überwiegend geltender Zusammenhang sein. Die sprichwörtliche Redensart geht auf das römische Recht zurück (vgl. Lutz Röhrich, Lexikon der sprichwörtlichen Redensarten. 7. Auflage. Freiburg [Breisgau] ; Basel ; Wien : Herder (Herder-Spektrum ; Bd. 5400 ), 2006m Band 1: A – Hampelmann, S. 120). Dort heißt sie in lateinischer Form: „exceptio confirmat regulam“. Ein möglicher Ausnahmefall verdeutlicht wieder die Grundlagen, von denen her die Regel aufgestellt worden war, und ihren (ursprünglichen) Sinn. Sie bestätigt die allgemeine Regel in den Fällen, die nicht unter die besonderen Ausnahmen fallen, weil die Verhältnisse im Normalfall ganz anders sind. Auf manchen Gebieten gibt es eine große Mannigfaltigkeit von Erscheinungen und ständige Veränderungen. Auf dem Gebiet herrscht Unbestimmtheit, weil kein Prinzip es als ihm eigentümlicher systematischer Zusammenhang restlos durchdringt. Die Seinsweise einer Sache bestimmt ihre Erkennbarkeit.

Es gibt auf solchen Gebieten nur etwas, das gewöhnlich zutrifft, meistens der Fall ist. Das Allgemeine, mit dem versucht wird, alles in das Gebiet Fallende unter einer bestimmten Idee zusammenzufassen, geht dann zu sehr ins Einzelne, hat einen zu geringen Allgemeinheitsgrad.

In der Ethik können Regeln wie „Alle Menschen sollen Gute tun und Schlechtes unterlassen“, der kategorische Imperativ von Immanuel Kant oder die „goldene Regel“ ohne Ausnahme aufgestellt werden. Dabei ist allerdings nicht ohne Erfahrung und Denkleistung deutlich, was in konkreten Handlungssituationen gefordert ist. Wenn die ethischen Regeln näher ausgeführt werden, wird es ab einem gewissen Punkt schwierig, Ausnahmen zu vermeiden.

Im Recht können dabei Sinn und Buchstabe eines Gesetzes/einer Vorschrift/eines Erlasses auseinanderfallen. Näher ausgeführte Bestimmungen verdeutlichen, was gefordert ist, und schaffen dadurch und durch den geringeren Auslegungsspielraum bei richterlichen Entscheidungen mehr Rechtssicherheit, können aber im Einzelfall auch von der ursprünglichen Absicht stärker abweichen und nicht mit den grundlegenden Rechtsprinzipien übereinstimmen.

In der Sprache gibt es Regeln für sprachliche Erscheinungen, zum Beispiel das Bilden von Formen nach einem bestimmten Muster, wobei aber Ausnahmen vorkommen. Die allgemein formulierten Regeln können trotzdem für das Lernen erst einmal helfen, weil dies übersichtlicher ist.

Auf solche Gebiete bezieht sich das Sprichwort „keine Regel ohne Ausnahme“ (lateinisch: „nulla regula sine exceptione“ oder „omnis regula patitur exceptionem“), das in einer absoluten Form natürlich selbstwidersprüchlich ist.

Eine Bestätigung der Regel sind Ausnahmen insofern, als sie sehr besondere, selten auftretende Fälle betreffen und ihre Besonderheiten sehr offensichtlich für die weitaus meisten Fälle nicht gelten.

Für den Umgang mit dem Sprichwort ergibt sich:

1) Bei genauen Gesetzen ist eine Ausnahme (widersprechender Sachverhalt) eine Widerlegung. Eine Berufung auf den Ausspruch als Verteidigung ist nur eine Verlegenheitsfloskel. Das formulierte Gesetz war ganz oder teilweise falsch.

2) Bei Regeln für Gebiete mit unbestimmter Vielfältigkeit ist ein Bewußtsein ihrer begrenzten Gültigkeit (nur die überwiegende Anzahl der Fälle betreffend) nötig, um das Auftreten abweichender Fälle zu berücksichtigen und unzulässige Verallgemeinerungen zu unterlassen.

3) Regeln werden durch viele Ausnahmen fragwürdig. Es ist nachzuweisen, daß es sich bei den abweichenden Fällen wirklich um selten auftretende Ausnahmen handelt. Sonst können Ausnahmen nicht die überwiegende Gültigkeit der Regel bestätigen, indem sie den Blick auf den Normalfall erhellen.

Warum so lange Antworten? Ist doch ganz einfach: Wenn es eine Ausnahme geben kann heisst dass, das eine Regel existieren muss. Solange es keine Regel gibt, gibt es auch keine Ausnahme. Das muss nicht heissem, dass es eine Ausnahme geben muss damit die Regel bestätigt werden kann, das bedeutet bloss, dass es theoretisch eine Ausnahme geben könnte, da es eine Regel gibt. > Somit bestätigt eine (mögliche) Ausnahme die (Existenz der) Regel.

Es gibt Gesetze und Regeln.
Unterschied: Ein Gesetz gilt immer und absolut, eine Regel aber nur häufig und nicht immer.
Beispiel:
Wenn du einen Gegenstand in der Hand hältst und ihn loslässt, fällt er auf den Boden. Das ist ein Naturgesetz, das Gesetz der Schwerkraft.
Wenn du lernst, machst du an der Prüfung eine gute Note. Das ist eine Regel und kein Gesetz. Es stimmt nur häufig, aber nicht immer.
Ausnahmen kommen nur bei Regeln vor aber nicht bei Gesetzen. Deshalb beweist die Ausnahme, dass etwas eine Regel ist (und kein Gesetz).