Argumentationsfigur - Rhetorik?
Ich schaue mir viele Debatten auf Youtube an (es sind keine akademischen Debatten, ich sage mal Debatten, die auf der Straße geführt werden) und oft fällt mir auf, dass Aussagen angeführt und sie mit der Behauptung gestützt werden, dass x Akademiker es so sehen würden. Ist das eine berechtigter Einwand oder möchte man doch nur krampfhaft Glaubwürdigkeit erzeugen? Um mal ein Beispiel zu nennen:
,,Tomaten sind rot! Das sagen unzählige Harvard-Professoren!"
Ich sehe nämlich Überschneidung mit der Argumentationsfigur Argumntum ad populum, bei der auf eine Mehrheit verwiesen wird, nach dem Motto: die Mehrheit könne ja nicht falsch liegen. Mir scheint es so, dass man mit dem Verweis auf Akademiker sich einfach nur Argumentation ersparen möchte, weil man nicht weiß, wie man sich anders behelfen soll.
Selbstreflektierend stelle ich fest, dass ich dieses "Argument" auch schon mal gebracht habe aus dem oben genannten Grund
3 Antworten
Also grundsätzlich kann ein appeal to authority sinnvoll sein, wenn es z.b. darum geht die Konsenslage eines komplexen Themas zusammenzufassen um den eigenen Punkt zu stützen - bestenfalls nennst du dann aber auch die betreffenden Studien logischerweise :D. In dem Kontext in dem dus beschreibst ist es eher whack und dient mehr dazu optisch so zu wirken, man würde Fakten in Form von Konsens darstellen.
Das ist ein sogenanntes „argumentum ad verecundiam“.
Es ist kein richtiger Beweis, eher ein Beleg/Hinweis
Wie du schon richtig erkannt hast ist es streng genommen ein Argument der polularitat bzw. Der Authorität. (Imgrunde beides je nachdem wie man das sieht eher letzteres)
Wissenschaft ist hier aber denke ich eine Besonderheit.
Einerseits: wenn man z.b. Physiker als authorität zu Physik ablehnen will. Sagt macht man quasi die Aussage: Physiker haben von Physik keine Ahnung.
Wenn man z.b. den wissenschaftlichen Konsens in Physik ablehnt, lehnt man auch gleichzeitig die wissenschaftliche Methodik ab.
Einzelne Wissenschaftler die außerhalb des Konsens reden. Kann man durchaus ablehnen. Oder Wissenschaftler eines anderen Fachgebietes. Ein Soziologe wird von Physik genauso wenig oder viel Ahnung haben wie du und ich.
Grund dafür sehe ich darin daß bei korrekter Anwendung der wissenschaftlichen Methode die Diskussion darüber was nun das warscheinlich richtige ist bereits geführt wurde. (Zumindest bei etablierten Konsens)
Das bedeutet zwangsläufig nicht das es richtig ist. Nur eben das Beste wissen was wir derzeit haben.
Argumentationsfehler dieser Art sehe ich eher dann bei Argumenten wie: Wissenschaftler sagen xyz.
Weil sich da die Fragen stellen: welche Wissenschaftler denn? Ist das denn Konsens in dem entsprechenden Fachgebiet.
Im Endeffekt muss man sich in einer Debatte aber über die Authoritäten einig sein.
Es bringt wenig über physik zu diskutieren wenn eine Seite die PhysikWissenschaft ablehnt. Und meint das sei alles falsch was die sagen.
Gleiches gilt auch für den wissenschaftlichen Konsens. Auch hier würde es nicht viel bringen über ein z.b. physikalisches Thema zu reden wenn der andere wissenschaftlichen Konsens ablehnt.
Die Frage ist auch immer über was man redet. Wenn man jetzt sagt die Relativitätstheorie lehne ich ab. (Also den wissenschaftlichen Konsens darüber)
Dann ist das was anderes als wenn man über neuste wissenschaftliche Erkenntnisse redet die ggf. Sogar nicht heiß im Diskurs der Wissenschaftler redet.