Albert Camus - Zitat zum Absurden?

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Mythos

In der griechisch-römischen Mythologie wird erzählt, wie Orpheus über den Verlust seiner früh an einem Schlangenbiß gestorbenen geliebten Frau Eurydike klagt, in die Unterwelt hinabsteigt, um Eurydike wiederzugewinnen, und mit seinen Liedern, die seine Gefühle ausdrücken, die Bewohner der Unterwelt zur Rührung bringt. Hades und Persephone (lateinisch: Pluto und Proserpina), das Herrscherpaar der Unterwelt/des Totenreiches, erlaubt Orpheus, Eurydike mitzunehmen, allerdings unter der Bedingung, voranzugehen und sich auf dem Weg zur Erde (der Oberwelt) nicht nach ihr umzuschauen. Kurz vor einer erfolgreichen Rückkehr dreht sich Orpheus um (besorgt, ob sie ihm tatsächlich folgt). Eurydike muß daher in der Unterwelt/im Totenreich bleiben. Weil Orpheus sich Eurydike zugewendet hat, stirbt diese (erneut).

Das Absurde bei Albert Camus

Albert Camus ist genaugenommen kein Vertreter der Existenzphilosophie, sondern nur ihr nahestehend.

Das Zitat stammt aus „Der Mythos des Sisyphos“ (Le mythe de Sisyphe; 1942).

Hintergrund sind seine Gedanken über das Absurde und die Einstellung und das Verhalten des Menschens dazu.

Ausgangspunkt ist eine Auffassung über die Welt. Camus ist davon überzeugt, daß die Welt ohne einen vorgegebenen (objektiven) Sinn ist, nicht von Vernunft bestimmt wird. Er meint, das Leben an sich habe keinen Sinn.

Der Mensch macht (von Gefühl und Verstand vermittelt) die Erfahrung der Absurdität. Er ist auf sich allein gestellt und er ist in das Dasein geworfen, mit einer Unausweichlichkeit des Todes und einem Ausgeliefertsein an die Zeit.
Den Begriff des Absurden bestimmt Camus als ein vergleichendes Verhältnis. Auf der einen Seite gibt es den Menschen mit einem Wunsch (Sehnsucht/Verlangen) nach Sinn und sinnvollem Handeln (nach Einheit, Glück, Übereinstimnung/Harmonie, Gerechtigkeit, Klarheit, Erkenntnis des Wahren). Auf der anderen Seite ist eine Welt, die nicht sinnvoll ist, nicht von einem Prinzip des Vernünftigen bestimmt ist, in der es ungerecht zugeht und die voll von Widrigkeiten ist. Der Welt erfüllt also das menschliche Verlangen nicht, entspricht nicht dem Anspruch, verweigert sich. Es gibt eine Kluft, die nicht geschlossen werden kann.

Eine zentrale Ausage von Camus ist dazu: »Das Absurde entsteht aus der Gegenüberstellung des Menschen, der fragt, und der Welt, die vernunftwidrig schweigt.« (L'absurde naît de cette confrontation entre l'appel humain et le silence déraisonnable du monde.)

Das Absurde ist also ein Mißverhältnis, eine Widersprüchlichkeit, ein Zwiepalt.
In Bezug auf diese menschliche Grundsituation lehnt Camus eine Selbstaufgabe und Selbstzerstörung ab. Leibliche Selbsttötung (aus Verzweiflung) und ein Ausweichen/eine Flucht in auf ein Genießen von Glück im Hier und Jetzt verzichtende illusionäre auf die Zukunft vertröstende Hoffungen in einem Sprung zu religiöser Deutung (Transzendenz mit einem jenseitigen Gott) oder zu einem Glauben an eine umfassende Rationalität, die sich ganz durchsetzt, hält er für ein falsches Verhalten. Camus schließt eine Bejahung des Lebens und des Strebens nach Glück mit der Anstrengung, sich in einer grundsätzlich absurden Welt zu behaupten, nicht aus. Er beurteilt das Leben als trotz alledem lebenswert.

Sisyphos ist nach der griechischen Mythologie zur Strafe in der Unterwelt dazu verurteilt, einen Felsblock/Stein einen steilen Abhang hinaufzurollen. Sehr kurz vor dem Ziel entgleitet ihm der Felsblock/Stein und rollt wieder herunter. Dies wiederholt sich ständig. Dies wird von Camus als ein Sinnbild für das menschliche Dasein aufgegriffen und gedeutet.


Camus tritt dafür ein, die Erkenntnis des Mißverhältnisses anzuerkennen (Annahme/Akzeptanz des Absurden) und sich trotzdem gegen das Absurde aufzulehnen.

Als ein Sinnbild für das menschliche Dasein aufgegriffen und gedeutet wird von ihm der Mythos des Sisyphos, der in einer Strafe in der Unterwelt dazu verurteilt ist, einen Felsblock/Stein einen steilen Abhang hinaufzurollen, der ihm sehr kurz vor dem Ziel entgleitet und wieder herunterrollt, was sich ständig wiederholt.

Im Bewußtsein ist eine Ebene oberhalb des bloßen äußeren Ablaufs möglich, eine betrachtende, erkennende, reflektierende und eine Einstellung entwickelnde Stufe. Sisyphos erträgt sein Schicksal und entfaltet nach Camus ein reiches Bewußtsein auf dem Weg nach unten, dem Rückweg ohne Last, aber mit der Absicht, sie wieder hinaufzurollen. Durch seine philosophische Einstellung/Haltung eines „Trotzdem“ überwindet er sein Schicksal dann in gewisser Hinsicht, durch Verachtung. Das Subjekt wertet eine Situation in eine Situation um, zu der ein verändertes Bewußtsein seine Zustimmung geben kann. Dieser Sieg über das Absurde muß ständig neu errungen werden.

Sisyphos gelingt es, über sein Bewußtsein das Spannungsverhältnis auszuhalten, dem Absurden standzuhalten und auszuharren. Das Absurde wird nicht ganz aufgelöst. Die reale Lage kann Sisyphos nicht ändern, aber die Sichtweise darauf in seinem Bewußtsein. Er ist sich seiner Lage und seines vergeblichen Bemühens bewußt. Sein Bewußtsein ist der Ort der Freiheit. Er kann wenigstens seine innere Einstellung frei bestimmen. Sisyphos entscheidet sich dafür, seine Situation anzunehmen, sein Leben zu bejahen und dabei nicht von dem Bemühen abzulassen. Das unablässige Hinaufwälzen des Felsblocks/Steins wird in seinem Bewußtsein als selbstgewählt verstanden und zu einer Aufgabe, die ihn erfüllt. Daher kommt Camus zu der Aussage: „Wir müssen uns Sisyphos als einen glücklichen Menschen vorstellen.“

Deutung des Zitats

Das Absurde gibt es nur, wenn man sich ihm zuwendet. Denn das Absurde ist ein Verhältnis und ist als solches nur im Bewußtsein gegenwärtig, wenn jemand Sachverhalte einander gegenüberstellt und sie so in ein Verhältnis setzt. Die Beschaffenheit der Welt, an sich ohne Sinn und nicht von Vernunft bestimmt zu sein, gibt es unabhängig davon, ob jemand sich ihr betrachtend zuwendet oder abwendet. Die Gegenüberstellung des Menschen mit einem Verlangen nach Sinn und einer an sich sinnlosen, das Verlangen nicht erfüllenden Welt geschieht aber, indem beides in einer Betrachtung/Erkenntnis in ein vergleichendes Verhältnis gesetzt wird. Bei einem Abwenden (keine Gegenüberstellung ausführen, das Absurde nicht in den Blick nehmen) verschwindet („stirbt“) das Absurde. Das Absurde leben lassen heißt: ihm ins Auge sehen.

Das Absurde ist ein Spannungsverhältnis und besteht daher, wenn zugleich eine Bejahung und eine Verneinung vorkommt. Einfach bloß zustimmend zu bejahen, würde den Zwiespalt verneinen (denn bei solcher Zustimmung gäbe es kein Mißverhältnis) und damit das Absurde aufheben. Für einen schlüssigen philosopischen Standpunkt hält Camus die (metaphysische) Auflehnung (Revolte). Die menschliche Grundsituation wird anerkannt (das Absurde insofern akzeptiert), aber in Ablehnung von Sinnlosigkeit am Anspruch auf Glück festgehalten. In Ausschöpfung der Möglichkeiten stellt sich der Menschen den Herausforderungen, bereit, sich Enttäuschungen auszusetzen. Darinn liegt eine gewisse Größe/Erhabenheit.

Im Hintergrund steht hier der Mythos  von Eurydike und Orpheus. Diese war gestorben und Orpheus ins Totenreich zu ihr hinabgestiegen. Dort hat er mit seinem Gesang alle begeistert und er durfte Eurydike mitnehmen. Jedoch durfte er sich auf dem Weg zur Erde nicht zu ihr umwenden. Fast angekommen hat er sich aber zu ihr umgedreht und damit musste sie im Totenreich bleiben. 

Sie ist also gestorben, weil man sich ihr zugewandt hat, das Absurde jedoch, wenn man sich von ihm abwendet.


BerthaDieBaer 
Beitragsersteller
 09.01.2016, 22:01

Danke für diese Antwort, leider wusste ich dies schon, ich kenne den Mythos von Orpheus und Eurydike. Meine Frage war allerdings, was Camus mit dem Absurden meint und was er mit dem Zitat ausdrücken möchte, da ich die Erklärungen im Internet zu seinen Theorien nicht verstanden habe.

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berkersheim  05.01.2016, 22:47

DH für salome77 - Wer sich vom Absurden abwendet, es negiert, wird es bekommen!

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Alles ist endlich, nur nicht die Absuridtät.

Müsste so circa 1965 entstanden sein, als er seine zweite Dissertation schrieb