Aberration zur Bestimmung der Lichtgeschwindigkeit?

2 Antworten

Hallo Kugelschreiber9,

sehr vereinfacht beschrieben, was Aberration ist:

Wenn Du Dein Teleskop gaaaanz genau auf einen Stern ausrichtest, so dass sein Licht genau mittig oben ins Teleskop reinfällt... dann kommt es leider trotzdem nicht mehr genau mittig am Teleskop unten raus, WENN die Lichtgeschwindigkeit endlich groß ist.

Denn dann dauert es einen winzigen Moment, den das Licht vom oberen Ende des Teleskops bis zum unteren Ende des Teleskops braucht. Und in diesem Moment bewegt sich die Erde weiter.

Wenn Du diesen Effekt nicht berücksichtigst, machst Du einen kleinen, aber mit den damaligen Teleskopen eben messbaren systematischen Fehler, wenn Du die Position eines Stern exakt messen willst.

Wenn Du also weißt, wie lang Dein Teleskop ist und wie groß der durch die Erdbewegung entstandene Fehler (das ist die Messgröße), dann kannst Du (über die Bewegung der Erde) ausrechnen, wie lange das Licht im Teleskop drinne war... und damit die Lichtgeschwindigkeit bestimmen.

Die Formel für die Aberration findest Du übrigens hier:

https://www.spektrum.de/kolumne/und-sie-bewegt-sich-doch/1454911

Grüße

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Diplom in Physik, Schwerpunkt Geo-/Astrophysik, FAU

Aberration kannst Du Dir am besten als Vorhaltewinkel beim Schießen vorstellen. Nehmen wir an (man möge mir den militaristischen Vergleich nachsehen) Du möchtest ein Flugzeug abschießen. Dann zielst Du nicht auf das Flugzeug, sondern auf einen Punkt davor. Die Kugel fliegt ja mit einer endlichen Geschwindigkeit. Wenn Du direkt auf das Flugzeug schießen würdest, dann wäre es ja weg, wenn die Kugel da wäre.

Astronomisch betrachtet sitzt Du in einem Karussel (Erdumlaufbahn) und die Sterne versuchen Dich mit einem Lichtstrahl abzuschießen. Sie müssen zwei Dinge tun: einmal die Kreisbahn berücksichtigen, weil sich Dein Ort verändert. Das ist die sogenannte Parallaxe und die ist winzig bei einem weit entfernten Karussel. Und dann müssen sie eben vorhalten, weil die Lichtgeschwindigkeit endlich ist und Du dich bewegst. Das ist die Aberration.

Wie Du leicht einsiehst, ist der Vorhaltewinkel Null an den Rändern des Karussels. Da bewegst Du dich ja direkt auf den Stern zu bzw. von ihm weg. Da trifft er Dich ohne Vorhaltewinkel. Und der Vorhaltewinkel ist maximal in der Mitte des Karussels, weil da die Relativgeschwindigkeit am höchsten ist. Einen konstanten Vorhaltewinkel bekommst Du nur, wenn Du genau über dem Karussel bist.

Und bei der Erde ist dieser Winkel 20,5 Bogensekunden. Den hat Bradley gemessen. Und der Tangens von diesem Winkel ist die Bahngeschwindigkeit der Erde durch die Lichtgeschwindigkeit. Weißt Du die Bahngeschwindigkeit, kannst Du so die Lichtgeschwindigkeit berechnen.

Um die Bahngeschwindigkeit der Erde zu berechnen, brauchst Du die Umlaufzeit. Die kennst Du: ein Jahr. Und Du brauchst den Abstand zur Sonne (nennt sich „Astronomische Einheit“ AU). Die Bahngeschwindigkeit ist dann 2*Pi*AU/Jahr.

Wie ich ohne Kenntnis der Lichtgeschwindigkeit den Abstand zur Sonne berechne, ist eine ganz andere Frage. Drittes Keplersches Gesetz und so.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Physikstudium

segler1968  14.01.2019, 04:34

Ich habe in der Analogie oben einen Fehler gemacht. Es geht nicht um den Vorhaltewinkel, sondern den Winkel des Einschusslochs. (Und schon wieder eine zu militärische Analogie, die mir leid tut)

bei bewegten Zielen ist das Einschussloch ja nicht gerade, sondern hat einen Winkel. Und der hängt von der eigenen Geschwindigkeit ab und der des Geschosses. Sind beide gleich schnell, bekommst Du 45 Grad. Ist das Geschoss schneller, wird der Winkel kleiner. Ist das Karussel schneller, wird er größer.

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nax11  13.01.2019, 18:31

Flugzeug... (*rofl)

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segler1968  13.01.2019, 05:24

Habe noch mal nachgesehen. Die Entfernung Erde-Sonne wurde durch diverse Messungen des Venustransits

https://de.m.wikipedia.org/wiki/Venustransit#Bestimmung_der_Distanz_Erde-Sonne_(Astronomische_Einheit_AE)

gemessen. Über das dritte Keplersche Gesetz sind dann alle anderen Planetenbahnen und Abstände genau zu berechnen.

Da dieser Abstand aber erst sehr spät genau bekannt war - erst der Venustransit von 1882 brachte genaue Ergebnisse, konnte Bradley die Lichtgeschwindigkeit nicht hinreichend ganau absolut bestimmen, sondern nur relativ zur Bahngeschwindigkeit der Erde. Dafür reicht ja eine genaue Winkelmessung zu den Sternen aus.

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