Ab wann ist eine Ehe kaputt?

1 Antwort

Es kommt darauf an, was du Liebe nennst.

Lieben ist kein Adjektiv oder Adverb, sondern ein Verb, ein "Tun-Wort", hat man früher so dazu gesagt. Oder anders formuliert: Liebe hat ziemlich wenig mit einem Gefühl zu tun.

Wir haben uns bei der Hochzeit versprochen, einnander zu lieben, achten und zu ehren, in guten wie in schlechten Tagen, in Gesundheit und in Krankheit, bis dass der Tod uns scheidet. Das sind alles Tun-Wörter und keine Emotionen. Es ist nicht so, dass dieses Versprechen gilt, solange es gut geht, solange man romantische Gefühle füreinander hat oder solange der Sex stimmt. Die Treue und Hingabe ist unabhängig vom Gefühl, das man dabei empfindet. Wenn das gute Gefühl Voraussetzung wäre, damit man einen Menschen liebt, würde man nur sich selbst, das eigene gute Gefühl suchen.

Meine Frau liebt mich am meisten, wenn sie mich am liebsten an die Wand klatschen könnte, aber sie trotzdem bei mir bleibt. Glaub mir, dass sie dabei bestimmt keine romantischen Gefühle für mich hat!

Einen anderen Menschen zu lieben, ist zu allererst mal eine Entscheidung, und zwar mit Vertrauen, nicht mit Sicherheit. Wenn Liebe irgendwie "bewiesen" werden muss, ist sie schon tot. Liebe — und alles, was damit zu tun hat — kann nie eingefordert werden, sondern wird immer gegeben, ausnahmslos immer. Gefühle kommen und gehen, aber Liebe in diesem Sinne bleibt.

Es ist wie bei einer Frucht: Zu Beginn hast du einen wunderbare und duftende Blüte. Aber alle wollen wir die Früchte essen! Die gibt es aber nicht, wenn zuvor die Blüte nicht ihre Blätter verloren, ihre Form verändert und aufgehört hat zu duften. Keiner würde die Blüte essen wollen, obwohl sie doch viel schöner anzuschauen ist. Mit der Liebe ist es nicht viel anders: Um die Reife Frucht der Liebe zu genießen, muss die vordergründige, romantische Verliebtheit weichen, vergehen. Das heißt nicht, dass diese Gefühle nicht wieder kommen können, aber sie sind nicht mehr so wichtig, eher gern empfundene Zugabe.

So gesehen, gibt es viele Paare, die verliebt sind oder es waren, aber nur wenige, die wirklich lieben. Viele geben bereits am Anfang schon auf, weichen dem schmerzhaften der Liebe aus und suchen das verlorene schöne Gefühl beim nächsten Partner. Das "Spiel" beginnt von vorn, ohne dass wirklich geliebt wird.

Wir sind jetzt 37 Jahre verheiratet, erkämpfte und teilweise erlittene Jahre, aber nicht ein einziges will ich missen. Ich gehe mal davon aus, dass es meiner Frau auch so geht — ansonsten wäre sie mir schon längst davon gelaufen.

Ich weiß jetzt zwar nicht, ob das deine Frage beantwortet, aber ich hoffe, es ist zumindest ein kleiner Impuls, ein Licht am Horizont, wo es in etwa hingehen könnte.

LG und gute Nacht!


Stardust7 
Beitragsersteller
 25.05.2023, 10:32

Eine seht schöne Sichtweise und sehr schöne Antwort! Ich wünsche euch weiterhin alles Glück der Welt für eure Ehe!