Wieso sind die Lebensstandards selbst innerhalb der EU so unterschiedlich?

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Hallo emesvau,

Danke für deine Frage.

In Europa ging es immer um die Angleichung der Lebensstandards auf einem höheren Niveau. In der Vergangenheit erfolgte diese Angleichung vor allem durch den gemeinsamen Binnenmarkt und die Unterstützung aus EU-Fonds, sodass die Weltbank die EU sogar als „die Konvergenzmaschine“ bezeichnete. Die EU-Kohäsionspolitik unterstützt vor allem die wirtschaftlich benachteiligten Teile Europas, damit sie zu den entwickelten und wohlhabenden Regionen aufholen, also schneller wachsen und „den Rückstand der am stärksten benachteiligten Gebiete zu verringern“.  Für dieses Ziel gibt die EU rund 1/3 ihres Haushalts aus. Deutschland erhält davon von 2014-2020 rund 28 Mrd. Euro, das Geld fließt vor allem nach Ostdeutschland.

Und zu Deiner Anmerkung der arbeitswilligen Menschen, die aus anderen EU-Ländern nach Deutschland kommen:

Die Freizügigkeit ist eine der wichtigsten Errungenschaften der europäischen Integration. Die freie Entscheidung der EU-Bürger, überall in der EU leben, arbeiten, studieren und Geschäfte machen zu können, wird laut Eurobarometer (Herbst 2018) von 92 Prozent der Deutschen befürwortet. Arbeitnehmerfreizügigkeit bedeutet, dass z.B. Ärzte, Pflegekräfte, Ingenieure, IT-Experten und Handwerker in der gesamten EU Arbeit finden und dort, wo Bedarf besteht, Dienstleistungen erbringen können.

Vor der Osterweiterung der EU 2004 war in Deutschland die Angst verbreitet, günstige Arbeitskräfte aus Osteuropa könnten zum Beispiel deutschen Handwerkern die Arbeit wegnehmen. Die Bundesregierung nutzte eine Übergangsregelung und setzte die Arbeitnehmerfreizügigkeit schrittweise um. Der große Ansturm blieb aber auch nach Auslaufen der Übergangsregelungen aus. 

Zehn Jahre später, 2014, gab es eine breite Debatte über den Zuzug von „Armutsmigranten“, die „die Sozialsysteme ausnutzen“. Besonders groß waren die Befürchtungen gegenüber Rumänen und Bulgaren. EU-Bürger, die zur Arbeitssuche nach Deutschland kommen, haben aber keinen automatischen Anspruch auf Hartz IV. Erst wenn sie erwerbstätig sind, haben sie das Recht auf Sozialleistungen.

Die Statistik zeigt, dass die Mehrheit der Zuwanderer aus Rumänien und Bulgarien einen Job hat und nicht schlechter in den Arbeitsmarkt integriert ist als andere Gruppen aus dem Ausland. Es kommen vor allem jüngere Arbeitnehmer, die wenig Sozialleistungen in Anspruch nehmen, aber voll Steuern und Sozialabgaben zahlen.

Heute leben bzw. arbeiten etwa 17 Millionen EU-Bürgerinnen und -Bürger in einem anderen Mitgliedstaat – doppelt so viele wie noch vor zehn Jahren. Sie zahlen alles in allem mehr Steuern in die öffentlichen Töpfe ein, als sie an Sozialleistungen erhalten.

Seit dem Jahr 2011 sind über fünf Millionen Zuwanderer aus anderen EU-Ländern nach Deutschland eingewandert. Einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) zufolge haben sie die Wirtschaftsleistung in den Jahren 2011 bis 2016 um durchschnittlich 0,2 Prozentpunkte pro Jahr verstärkt. Laut DIW konnten dank der Zuwanderung aus anderen EU-Ländern viele freie Stellen besetzt und der Arbeitsmarkt insgesamt belebt werden, was auch den Konsum gefördert hat. Vor dem Hintergrund einer alternden Bevölkerung und zunehmender Fachkräfte-Engpässe auf dem deutschen Arbeitsmarkt ist es wichtig, das Zuwanderungspotential aus anderen EU-Ländern weiter zu nutzen.

Eine Kehrseite der Arbeitnehmerfreizügigkeit ist, dass osteuropäische Länder wie Polen, Rumänien und Bulgarien Fachkräfte verlieren („Brain drain“). Allerdings ziehen junge Leute oft nur vorübergehend ins Ausland und kehren dann mit neuem Wissen, Sprachen und Erfahrungen nach Hause zurück. Außerdem schicken ausgebildete Arbeitnehmer aus dem Ausland häufig Geld nach Hause, das dann der Wirtschaft in ihrem Heimatland zugutekommt.

Viele Grüße, das Presseteam der Vertretung der Europäischen Kommission in Deutschland

andi65808  14.05.2019, 23:16

In wiefern passt der erste Teil mit Deutschlands Wirtschaftspolitik zusammen?

In den Verträgen von Maastricht ist ein Inflationsziel des Euros von 1,9% durch die EZB festgelegt (Deutschland hatte sich dies gewünscht); Konvergenzkriterium wurde angesprochen. Frankreich hält sich an diese Vorgabe, Deutschland bei weitem nicht. Durch die geringen Lohnstückkosten exportieren wir also unsere Arbeitslosigkeit ins Ausland.

Inwiefern fördert Deutschland damit die Angleichung der Lebensstandards? Alle Staaten in der EU müssen sich aufgrund der deutschen Wirtschaftspolitik verschulden, durch zusätzliche Austeritätspolitik und dem Zwang der z.B. Griechen ihre Häfen zu verkaufen (Piräus), sodass die Chinesen diesen aufkauften schaden wir dem Standort Hamburg. Auch etwas das die EU-Politik als Folge hatte.

Also wirklich beeindrucken kann

Für dieses Ziel gibt die EU rund 1/3 ihres Haushalts aus. Deutschland erhält davon von 2014-2020 rund 28 Mrd. Euro, das Geld fließt vor allem nach Ostdeutschland.

dass nicht, eher verstörend, wie das Geld dann versickert. Man muss nur die Finanzminister oder Staatschefs der anderen EU Staaten fragen, allen voran Macron, der Deutschland das jeden Tag vorwirft und es wird dennoch ignoriert. Union ist keine Europapartei (nicht mehr), daher nicht verwunderlich. Aber zu sagen man fördere einheitliche Lebensstandards und belegt das mit etwas, dass damit nichts wirklich zutun hat ist eher fragwürdig.

Aber ich erhalte hier vermutlich keine weitere Nachricht. Uns ließt hier ohnehin kein anderer, also kein Problem für die Pressestelle. ;-)

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emesvau 
Fragesteller
 15.05.2019, 07:41
@andi65808

Ich verstehe deine Einwände. Das war auch mein Kritikpunkt aus der Sicht von Deutschland innerhalb der EU.

Unserem Arbeitsmarkt und unserer Wirtschaft tut diese Form der Migration gut, keine Frage. Damit schwächen wir aber immens unseren anderen Mitgliedsstaaten, was die Sache wiederum deutlich schlechter macht.

Man müsse den Menschen mehr Optionen bei sich geben. Nicht jede Entscheidung die man freiwillig trifft ist wirklich freiwillig.

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andi65808  15.05.2019, 08:42
@emesvau

Es ist einfach so, dass zu viele (neoliberale)Wirtschaftsökonomen in ihrer Bubble gefangen sind und Angst vor Schulden haben, bzw. Schulden nicht verstehen. Tatsächlich haben nun aber auch super konservative amerikanische Ökonomen wie Larry Summers, Jason Fruman oder auch Olivier Blanchard -- haben das Dogma Schulden sind Schlimm gebrochen. Deutschland hält trotz Kritik innerhalb der EU an der schwarzen Null fest.

Wenn Unternehmen keine Schulden machen, Bürger sparen und der Staat Deutschland spart, wo gehen dann die Schulden hin? Ins Ausland, durch Exportüberschuss.

Diese Schulden sind für die EU super ungesund. Kombiniert man es dann noch mit einer Politik, dass man die Staaten aufgrund dessen dazu zwingt alle Sozialleistungen zu kürzen etc. exportiert man Arbeitslosigkeit und Ausweglosigkeit in die EU Staaten.

Will man die EU zerstören, muss man einfach nur so weitermachen wie jetzt. Deutschland ist das Land, was sich nicht an EU Verträge hält, unter Schäuble andere Staaten aus dem Euro schmeißen wollte und trotzdem nicht umdenkt.

An der Antwort der Kommission hier aus Deutschland sieht man, dass überhaupt kein Verständnis dafür da ist und einfach auf Probleme Geld geworfen wird, statt Probleme zu lösen. Klimawandel, Flüchtlingspolitik etc.

Ich würde mir diese Kommission genau ansehen und mir sehr genau angucken ob ich die politisch bei der Wahl unterstütze.

Wieso setzt sich Europa nicht stärker ein das Heimatland attraktiver zu machen?

Weil das tatsächlich nicht so unproblematisch ist. Zum einen bedarf es viel mehr als nur Geld. Aber (!) wenn man die Infrastruktur in den Ländern dort stärkt, führt es dazu dass die dort lebende Bevölkerung automatisch bessere Einkommen hat. Die Geflüchteten, die sich bisher auf den Weg gemacht haben sind diejenigen die sich die Flucht schon unter den jetzigen/damaligen Verhältnissen leisten konnten. Entwickelt man die Länder und entwickelt sich das Einkommen der Bevölkerung dort, werden automatisch mehr in die Lage gesetzt von dort zu flüchten.

Denn natürlich dautet es Jahrzehnte dort etwas aufzubauen - dass muss man auch tun - aber viele dort wollen keine solche Zeitspanne warten. Also werden sie trotzdem fliehen. Fluchtursachenbekämpfung erhöht also anfangs die Migrationsbewegung bzw. Mobilität.

Davon haben alle Politiker in der EU Angst, weil dann AfD und Co. extrem an Zuwachs bekommen. Was macht man also? Frontex stärken und Deals mit Diktaturen wie Ägypten aushandeln.

Wenn man nicht umdenkt, dann wird die EU daran zugrunde gehen, bzw. der Nationalismus erhält neue Kraft.

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