Können wir die Demokratie- und Menschenfeindlichkeit der EU durch die Europawahl konservativer Parteien etwas dämpfen?

5 Antworten

Hallo,

weder ist die EU menschenfeindlich, noch demokratiefeindlich noch gibt es ein EU Diktat. Die EU, das sind über 500 Millionen Menschen, die friedlich in 28 Mitgliedstaaten leben und das, was für ein grenzenloses demokratisches Zusammenleben notwendig ist, gemeinsam friedlich mit Worten streitend, entscheiden. Die Entscheidungen in der EU treffen immer die Politiker aus den einzelnen Mitgliedstaaten - Parlamentarier und Minister, aus Deutschand, Polen, Frankreich....Malta usw. Grundlage für alles sind die EU-Verträge, die die Staats-Und Regierungschefs unterzeichnet haben.

Die europäischen Institutionen sind demokratisch legitimiert. Und: Die Demokratie auf der europäischen Ebene ist zwar nicht vollendet und perfekt, entwickelt sich aber ständig weiter.

Das Europäische Parlament wird in der zweitgrößten demokratischen Wahl der Welt (nur in Indien gibt es noch mehr Wahlberechtigte) alle fünf Jahre direkt gewählt. Die EU-Kommission ist dem Parlament gegenüber voll verantwortlich. Im Ministerrat sitzen Vertreter demokratischer Regierungen der Mitgliedstaaten. Die Europäische Union ist integraler Bestandteil unserer repräsentativen Demokratien. Sie handelt im Auftrag und Interesse der Unionsbürger.

Das Europäische Parlament: die Stimme des Volkes

Der deutsche EU-Kommissar Günther Oettinger hat die Funktionsweise der europäischen Demokratie einmal so beschrieben: „Der ‚europäische Bundestag‘ ist das Europäische Parlament in Straßburg und Brüssel. Der Rat ist im Grunde genommen die zweite Kammer, der ‚europäische Bundesrat‘. In diesem sitzen die Mitgliedstaaten, so, wie die 16 Länder im Bundesrat sitzen. Hinzu kommt der Europäische Rat, der die Richtlinienkompetenz der Staats- und Regierungschefs bündelt. Die Europäische Kommission ist die Geschäftsführung, man könnte sogar sagen die Regierung Europas, die operativ für die Tagesarbeit, genauso wie für Gesetzgebungsvorschläge und den Haushaltsvollzug, verantwortlich ist.“   

Die öffentliche Wahrnehmung hat nicht immer Schritt gehalten mit der Fortentwicklung der tatsächlichen Macht des direkt gewählten Europäischen Parlaments. Das Europäische Parlament wird von nationaler Politik und nationalen Parteien, den Medien und manchmal sogar den obersten Gerichtshöfen nicht immer als vollwertiges Parlament anerkannt.

Mit dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon 2009 hat das EU-Parlament jedoch viel mehr Mitspracherechte erhalten und verabschiedet nun die meisten europäischen Gesetze gleichberechtigt zusammen mit dem Ministerrat. Das Parlament hat auch einige Gesetzesvorhaben gekippt, die die Mitgliedstaaten gerne durchgesetzt hätten: So stoppten die Abgeordneten im Jahr 2010 das umstrittene Swift-Abkommen über die Weitergabe von EU-Bankdaten an die USA und ließen 2012 das geplante Urheberrechtsabkommen Acta durchfallen.

Das Parlament wählt den Präsidenten der Kommission auf Vorschlag des Europäischen Rates, bestätigt zusammen mit dem Rat eine neue Kommission, zieht die Kommission zur Rechenschaft und kann die Kommission mit Zweidrittelmehrheit durch einen Misstrauensantrag zum Rücktritt zwingen.

Europäische Institutionen: geführt von gewählten Politikern, unterstützt von Beamten

Ein Team von Kommissaren, einer aus jedem Mitgliedstaat, bildet die Exekutive der Europäischen Union. Jede nationale Regierung schlägt eine Kandidatin oder einen Kandidaten vor. Das Parlament prüft jeden Kandidaten in jeweils dreistündigen Anhörungen und hat bereits einige Kommissarsanwärter durchfallen lassen. Dann mussten die Regierungen sie ersetzen. Oft sind die Kandidaten ehemalige Minister der nationalen Regierungen oder ehemalige Premierminister.

Die Kommissare werden von einem öffentlichen Dienst unterstützt. Beamte werden im Rahmen offener paneuropäischer Wettbewerbe eingestellt. Wie jeder EU-Mitgliedstaat haben die Europäischen Institutionen einen öffentlichen Dienst. So hat beispielsweise die Europäische Kommission deutlich weniger Personal (32.200 Mitarbeiter)Diesen Link in einer anderen Sprache aufrufen

EN•••Diesen Link in einer anderen Sprache aufrufenEN••• als das Land Berlin (118.400 Mitarbeiter) (link is external)(link is external)

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„Brüssel hat entschieden, dass...“

Es heißt oft, dass „Brüssel etwas entschieden“ hat – das erweckt den Eindruck, die EU sei ein geheimnisvoller und distanzierter Club. Zwar ist der europäische Entscheidungsprozess hin und wieder langwierig, aber sicher nicht geheim. Die Europäische Kommission schlägt neue Gesetze vor. Nationale Minister, die demokratisch gewählte Regierungen im Ministerrat vertreten, und das demokratisch gewählte Europäische Parlament verhandeln und verabschieden diese Gesetze gemeinsam.

Für jede europäische Verordnung oder Richtlinie haben also deutsche Minister und Abgeordnete ihren Daumen gehoben (oder gesenkt). Amts- und Mandatsträger, die von der Kommission vorgeschlagene Gesetze verabschieden, vertreten die Interessen ihrer jeweiligen Wähler. Manchmal ist es schwierig, einen europäischen Konsens zu finden, aber meistens gelingt es ihnen.

Die Rolle der nationalen Parlamente

Die nationalen Parlamente haben eine formelle Rolle bei der Prüfung von EU-Gesetzesvorschlägen. Wenn sie der Meinung sind, dass ein Kommissionsvorschlag etwas bewirkt, das eher auf nationaler oder lokaler als auf europäischer Ebene behandelt werden sollte, können sie dafür stimmen, dass der Entwurf noch einmal auf den Prüfstand kommt („gelbe Karte“). Seit 2012 wurden drei „gelbe Karten“ ausgegeben. Infolgedessen wurde ein Gesetzesvorschlag zurückgezogen (über das Streikrecht), während zwei weitere beibehalten wurden (die Einrichtung einer Europäischen Staatsanwaltschaft und die Überarbeitung der Richtlinie über entsandte Arbeitnehmer).

EU-Kommissare müssen mehr demokratische Hürden nehmen als Bundesminister

„Es wird oft gesagt, die Kommissare seien nicht gewählt. Meine Gegenfrage lautet: Wissen Sie, wie man Minister in Berlin werden kann?“ So fragt es Günther Oettinger. „Beim letzten Mal waren sich die drei Parteivorsitzenden (…) nach einer langen Nacht, morgens um sieben Uhr einig, welche Partei, welches Ministerium bekommt. Die Parteivorsitzenden haben dann entschieden, wer Minister wird. (…) Der Bundestag wurde gar nicht gefragt, kein Bundestagskollege hat jemals über die Minister abgestimmt. Demgegenüber werden Kommissarsanwärter von einer demokratischen Regierung vorgeschlagen. (…) Darüber hinaus war ich bereits drei Mal für eine Anhörung im jeweiligen zuständigen Fachausschuss im Parlament, um drei Stunden lang Rede und Antwort zu stehen. Nicht jeder Kommissarsanwärter kommt durch, einige werden zurückgewiesen. Am Ende stimmen das Europäische Parlament und der Rat über die gesamte Kommission ab. Im Vergleich zu Bundesministern haben wir also weit mehr demokratische Hürden und Legitimation. Ich weise deswegen den Vorwurf zurück, dass wir nicht demokratisch legitimiert seien. Wir sollten dafür sorgen, dass Europa objektiv dargestellt wird und dass kommuniziert wird, dass Europa viel, auch wenn vielleicht noch nicht ausreichend, demokratische Legitimation hat.“

Spitzenkandidaten für die Europawahl

Mit der Aufstellung von europäischen Spitzenkandidaten haben die Parteien 2014 den Wählern erstmals Gelegenheit gegeben, sich vor der Europawahl mit den jeweiligen Kandidaten für die Kommissionsspitze und den von ihnen vertretenen politischen Programmen vertraut zu machen. So wurde ein direkter Zusammenhang zwischen dem Ergebnis der Europawahl und der Ernennung des Präsidenten der Europäischen Kommission hergestellt.

Die Europäische Kommission tritt für den Ausbau und die Weiterentwicklung dieses Spitzenkandidatensystems ein. Durch die Personalisierung auf europäischer Ebene ist für die Wählerinnen und Wähler der Zusammenhang zwischen der Stimmabgabe für eine nationale Partei und den Auswirkungen dieser Wahl auf die politische Richtung der Europäischen Union leichter zu verstehen. Die Menschen können zwischen alternativen Politikangeboten für Europa entscheiden, anstatt sich mit ausschließlich nationalen politischen Fragen zu befassen.

Zudem könnten transnationale Listen oder Wahlkreise die europäische Dimension der Wahlen weiter stärken. Dies gäbe den Kandidaten die Möglichkeit, sich an mehr Bürger in ganz Europa zu wenden. Andererseits vertreten Parlamentsabgeordnete normalerweise die Wähler, die sie auf örtlicher oder nationaler Ebene gewählt haben. Die Kommission steht der Idee transnationaler Listen aufgeschlossen gegenüber. Dies würde jedoch nicht nur die einstimmige Zustimmung des Rates, sondern auch Änderungen des Wahlrechts in allen Mitgliedstaaten erforderlich machen.

Ein EU-Finanzminister: mehr Rechenschaft der Wirtschaftspolitik

Mit dem Vorschlag für einen europäischen Wirtschafts- und Finanzminister, der gleichzeitig Vizepräsident der Kommission und Vorsitzender der Euro-Gruppe sein könnte, möchte die Kommission die demokratische Rechenschaftspflicht der wirtschaftspolitischen Entscheidungsfindung für die EU und das Euro-Währungsgebiet ausbauen. Denn in der Schuldenkrise haben die nationalen Finanzminister in der Euro-Gruppe über die Stabilisierungsprogramme für Griechenland, Irland und Portugal entschieden, kontrolliert jeweils nur von ihren eigenen nationalen Parlamenten. Ein EU-Finanzminister wäre darüber hinaus künftig gegenüber dem Europäischen Parlament voll rechenschaftspflichtig – einem Parlament, das nicht auf nationale Interessen, sondern eher auf das große Ganze blickt, also das Wohl der gesamten EU und des Euroraums.  

Die europäische Demokratie ist also noch nicht vollkommen. Es gibt viele Möglichkeiten, sie weiterzuentwickeln. Aber: Demokratisch ist die EU auf jeden Fall. Kein anderer Kontinent der Welt hat bisher vergleichbar fortgeschrittene Formen der grenzüberschreitenden demokratischen Zusammenarbeit gefunden. 

Falls Du Dich noch mehr dazu belesen willst, was stimmt und was nicht, gern hier: https://ec.europa.eu/germany/content/mythos-demokratiedefizit_de

Die EUhatNICHTfertig.

Viele Grüße

Das Presseteam der Vertretung der EU-Kommission in Deutschland

Ich möchte auch in Ergänzung zu Jewi14s Antwort hinzufügen, dass oft grade konservative und nationalgesinnte, neben stark linken Partei diejenigen sind, die eine Demokratisierung der EU selbst ablehnen und verhindern dann aber das demokratische Defizit zu ungunsten des Nationalstaats kritisieren.

Die Zerstörung der Demokratie in Nationalstaaten durch "(demokratisch fragwürdiges) Diktat der EU" ist in ihrer jetzigen Form also zum Teil das Produkt von Konservativismus, weil man die Demokratisierung der Union verhindert.

?

Die EU in ihrer aktuellen Beschaffenheit ist im wesentlichen ein Konstrukt der europäischen "Konservativen" unter der Führung Kohls. Damals wollte man die EU bewusst als Wirtschaftsunion ausbauen und eben nicht als Wirtschafts- UND Sozialunion.

Und nun sollen die Erschaffer des Erreichten - in deiner Diktion die "Demokratie- und Menschenfeindlichkeit der EU" - ausgerechnet diejenigen sein, die das wieder dämpfen und korrigieren?

Schaut man sich die Geschichte des deutschen Konservatismus an, so ist das eigentlich eine Geschichte des Dauerversagens: Mitbeteiligung an 2 verlorenen Weltkriegen mit Millionen Toten und erheblichen Gebietsverlusten für Deutschland.

Immerhin vermittelt deine Frage einen ungefähren Hinweis darauf, warum die es nur zu diesem Dauerversagen gebracht haben...:-)

EUhatFertig 
Fragesteller
 14.05.2019, 16:15

Zur Kenntnis genommen. DER NÄCHSTE BITTE?

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Hast du mit den Gedanken gespielt, das ist gerade die konservativen Parteien waren, die den ursprünglichen Gedanken eines friedlichen Zusammenlebens der Völker Europas aufgegeben haben und dafür auf eine EU der Wirtschaft und Konzerne gesetzt hat? Es war doch die EVP, die letzten 20 Jahre etliche Male die Interessen der Wirtschaft und Großkonzernen durchgesetzt hat. Glyphosat, Klimaschutz, Gülleverordnung sind nur einige Punkte was die EVP zum Nutzen der Wirtschaft, aber nicht zum Nutzen der Menschen geregelt hat.

EUhatFertig 
Fragesteller
 14.05.2019, 14:59

Das ist wohl schlicht der falsche Denkansatz.

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Jewi14  14.05.2019, 15:04
@EUhatFertig

Du wagest von Demokratie zu sprechen, schaffst es aber nicht die einfachsten Prinzipien der Demokratie einzuhalten, nämlich die Meinung anderer zu akzeptieren.

Du wolltest die Meinung anderer zu deiner These hören, dies habe ich getan und nun unterstellst du sie wäre falsch. Ich weiß nicht ob ich wirklich Mitleid mit dir haben soll.

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Wenn die EU demokratie- und menschenfeindlich wäre (was sie nicht ist), würde es ja durch die konservativen Parteien noch schlimmer. Das zeigt die Erfahrung der letzten Jahre und Jahrzehnte ganz deutlich.

Sicher müsste vor allem die EU-Kommission demokratisch besser legitimiert sein. Da sehe ich schon Defizite. Aber anstatt das europäische Parlament zu stärken, wird von den Konservativen jede Veränderung blockiert, während die Rechtsextremisten gleich die EU abschaffen wollen.